Gemeinderats-Briefing #44: Kein Staatsvogel 🦩

Das Gemeinderats-Briefing ist das wöchentliche Update aus dem politischen Herzen Zürichs. Was diese Woche wichtig war: Stadtgärtnerei, inklusive Stadtplanung und Therapieplätze.

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Illustration: Zana Selimi

Heute spähe ich durch das Internet in den Zürcher Ratssaal. Normalerweise hocke ich bei den anderen Journalist:innen hinter den Politiker:innen von GLP und den Grünen. Gestern war ich im Tessin und dem Livestream sei dank doch mittendrin. 

In der (kurzen) Sitzung haben wir neben den Vorlagen des Stadtrats diverse Vorstösse, die das Hochbaudepartement betreffen.

In den nächsten Jahren wird das Areal der Stadtgärtnerei schrittweise erneuert und verstärkt der Bevölkerung zugänglich gemacht. Ziel ist, «grünes Wissen» zu vermitteln und Biodiversität erlebbar zu machen. Damit dieses Areal, bestehend aus Wohn-, Gewächs- und Betriebshäusern so verändert werden kann, muss die Zone geändert werden. 

Die Bürgerlichen waren gegen dieses Geschäft, weil im neuen Konzept keine Wohnungen vorgesehen sind, weil dies im Richtplan nicht vorgesehen ist: Er sei erstaunt, dass man vom Stadtrat etwas fordere, was dieser gar nicht umsetzen könne, erklärte Marco Denoth (SP). Claudia Rabelbauer von der EVP versicherte, man wolle nicht die Stadtgärtnerei abreissen, sondern nur prüfen, ob Wohnungen auf dem Areal möglich seien. 

Nach einer sehr langen Debatte äusserte sich auch Stadtrat André Odermatt (SP). Mehr Wohnungen klinge immer verlockend und das akute Wohnungsproblem sei bekannt – «die Rezepte dagegen gehen aber sehr weit auseinander». Das Areal der Stadtgärtnerei eigne sich nicht zum Wohnen, sondern für die Freiraumversorgung des Quartiers. 

Die linke Mehrheit stimmte dem Geschäft zu.

«Die Stadtverwaltung ist kein Zoo.»

Simone Brander zum neuen Tukan

Wir bleiben noch kurz bei der Stadtgärtnerei. Normalerweise will die FDP immer sparen. Deshalb war seine Partei nicht nur erfreut, als Flurin Capaul das Postulat für einen neuen Tukan in der Stadtgärtnerei eingereicht hat. Es ist tatsächlich ein kurliger Vorstoss, der bei der Stadtverwaltung Kosten von rund 20’000 Franken ausgelöst hätte. 

Doch der Reihe nach. Der 2017 verstorbene Tukan war offenbar ein Besucher:innen-Magnet und ein «super Botschafter» wie auch die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP) sagte. In der Stadtgärtnerei habe es bereits diverse spezielle Vögel, weshalb Flurin Capaul mit seinem Postulat einen neuen Staatsvogel forderte. «Ich verstehe, wenn Sie dies kritisch sehen», rief er in den Saal. Die kritischen Stimmen überwiegten, denn die Tiere dürfen nur paarweise gehalten werden und müssen von – nicht vorhandenem – spezialisiertem Personal betreut werden. Die Mehrheit des Gemeinderates war der gleichen Meinung wie Stadträtin Brander, die sagte: «Die Stadtverwaltung ist kein Zoo.» Das Postulat wurde versenkt. 

Auch ich persönlich habe nicht viel übrig für Vögel, finde aber Politiker:innen, die ihren Herzen folgen, durchaus erfrischend. RIP Tukan! 

Die inklusive Stadtplanung kommt

«This is a man's world», sang James Brown im Jahr 1966 und der Text ist quasi in Teer und Beton übergegangen: Unsere Städte wurden von Männern für die Bedürfnisse der Männer gebaut. Damit soll Schluss sein, fordern die Fraktionen der GLP, SP und Grüne in einer Motion. Bei der nächsten Teilrevision des Richtplans sollen Kriterien für mehr Inklusivität in die Wettbewerbsverfahren mit einbezogen werden. «Es werden alle von einer inklusiven Stadtplanung profitieren», ist Carla Reinhard (GLP) überzeugt. Es gäbe noch Verbesserungspotenzial, weshalb im Richtplan verbindliche Grundsätze festgelegt werden müssten, denn «weibliche Führungskräfte allein reichen nicht». 

Keine Freude haben – oh Wunder – die Ratsrechte. Die FDP ist der Meinung, dass die Verwaltung bereits genug sensibilisiert und divers sei. «Das Postulat ist komplett unnötig», findet deshalb Cathrine Pauli (FDP). Als «Jux-Postulat» bezeichnete es Johann Widmer von der SVP. 

Der zuständige Stadtrat André Odermatt (SP) sieht seine Verwaltung bereits auf sehr gutem Weg. Inklusive Stadtplanung sei bereits gelebte Praxis und im Alltag sehr gut verankert. Deshalb lehnt er die Motion ab, ist aber bereit, das Anliegen als Postulat entgegenzunehmen. 

Ein Postulat mit ähnlichen Inhalt reichten auch Hannah Locher (SP) und Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) noch ein. Sie fordern explizit, dass das Prinzip des Gender-Mainstreamings in der Stadtplanung berücksichtigt werden müsse. Wer zu Fuss unterwegs ist, habe andere Bedürfnisse, als wer mit dem Auto durch die Stadt fährt. Und: «Ein Mensch im Rollstuhl steht vor anderen Herausforderungen», erklärt Locher. Wenn Grundsätze verankert werden, sei für alle klar, was gilt. 

Die Mehrheit hat sowohl Motion als auch Postulat dem Stadtrat überwiesen. 

Weitere Themen der Woche

  • Die Schule GrĂĽnau mit 15 Primarklassen und zwei Kindergärten wird fĂĽr rund dreieinhalb Millionen Franken saniert. Zum Beispiel wird eine RegenerierkĂĽche eingebaut und die sanitären Anlagen optimiert. Damit wird das Schulhaus fĂĽr den Tagesschul-Betrieb fit gemacht. Der Gemeinderat stimmte dem Geschäft grossmehrheitlich zu. 
  • Kinder und Jugendliche sollen nicht mehr bis zu 18 Monate auf psychologische Hilfe warten mĂĽssen. Dies fordern David Ondraschek (Die Mitte) und Snezana Blickenstorfer (GLP) in einem dringlichen Postulat. Demzufolge soll der Stadtrat mit befristeten Garantien mehr Therapieplätze ermöglichen. Die Nachfrage sei gestiegen und ein Beinbruch werde ja auch nicht erst nach 18 Monaten behandelt, fĂĽhrte Ondraschek das Anliegen aus. Und Blickenstorfer betont, wer krank ist, dem soll geholfen werden. Die Mehrheit des Gemeinderats stimmte diesem Postulat zu, nun muss der Stadtrat Massnahmen vorschlagen, wie weitere Therapieplätze geschaffen werden können.

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Simon Jacoby

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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