Gemeinderat schränkt Werbung in der Stadt ein
Die Werbung im öffentlichen Raum soll stark eingeschränkt werden. Stadtrat und Bürgerliche wehrten sich vehement – verloren aber wegen einer Stimme gegen die linke Mehrheit.
Es gibt Dinge, die wirklich korrekt benannt sind – zum Beispiel das Parlament, denn es kommt von «parler», also von reden.
Und es gibt Themen, da wollen auch wirklich viele Parlamentarier:innen etwas dazu sagen. Dann reicht es nicht, wenn einfach eine Person pro Fraktion die Position bekannt gibt, sondern es wird richtig gestritten.
So zum Beispiel beim Verbot von kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum.
Werbeverbot im öffentlichen Raum
Mit hauchdünner Mehrheit hat der Zürcher Gemeinderat eine Motion der Alternativen Liste (AL) angenommen, die ein weitreichendes Werbeverbot im öffentlichen Raum fordert. 58 Ja-Stimmen gegen 57 Nein-Stimmen – eine Entscheidung am Limit.
«Es sind hauptsächlich Grosskonzerne wie Edelweiss oder Dolce & Gabbana, die Werbung machen.»
Dominik Waser, Grüne
Die AL will, dass kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum massiv reduziert wird. Erlaubt bleiben sollen nur Aushänge für lokale Geschäfte, politische Plakate, kulturelle Veranstaltungen und Informationen der Stadt (wir haben darüber berichtet). Besonders ins Visier geraten digitale Werbebildschirme. Diese seien «ökologischer Unsinn», so Michael Schmid (AL). Werbung beeinflusse unser Konsumverhalten und schüre «Überkonsum und Umweltzerstörung».
Dominik Waser von den Grünen ergänzte: «Es sind hauptsächlich Grosskonzerne wie Edelweiss oder Dolce & Gabbana, die Werbung machen.» Dass dies keine Klimaauswirkungen hat, könne man nicht behaupten.
Der Stadtrat hingegen hält ein Werbeverbot für übertrieben. «Werbung gehört zur Stadt, seit es Städte gibt», sagte Stadtrat André Odermatt (SP). Zürich habe bereits strenge Vorschriften, und Beschwerden aus der Bevölkerung gebe es kaum. Zudem bringe Werbung der Stadt jährlich Einnahmen in Millionenhöhe. Und ein Verbot? Das würde die Werbebudgets wohl in die Hände von Social-Media-Konzernen treiben, ohne die Umweltbilanz zu verbessern.
«Werbung ist nicht Manipulation, sondern Information. Sonst wärst du, Dominik Waser, im Flieger in die Bahamas.»
Patrik Brunner (FDP)
Doch für die Befürworter:innen ist Werbung nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern auch eine soziale. «Statt Konsumdruck zu erzeugen, sollten wir den öffentlichen Raum den Menschen zurückgeben», forderte Anjushka Früh (SP). Patrik Brunner (FDP) sah das anders – für ihn ist die Motion «ein Angriff auf unsere demokratische Gesellschaft». Sein Konter an die Grünen: «Werbung ist nicht Manipulation, sondern Information. Sonst wärst du, Dominik Waser, im Flieger in die Bahamas – aber leider sitzt du noch hier.»
Wirtschaftsliberale Parteien wie die FDP und GLP warnen vor massiven wirtschaftlichen Folgen. «An Werbung hängen Arbeitsplätze», sagte Nicolas Cavalli (GLP). «Und die Werbegelder werden einfach zu den Tech-Giganten abwandern.»
Und jetzt? Der Stadtrat hat die Motion zwar abgelehnt, doch mit dem Parlamentsentscheid ist er nun gezwungen, eine Verordnung auszuarbeiten.
Neue Schulhäuser sollen ohne Tiefgaragen gebaut werden
In Zürich wird kräftig in neue Schulgebäude investiert. Bis 2032 werden 14 neue Schulanlagen oder Erweiterungsbauten in Betrieb genommen. Ein Postulat der Grünen fordert nun, auf Tiefgaragen zu verzichten und oberirdische Parkplätze zu minimieren, wenn das Schulhaus gut an den öffentlichen Verkehr angeschlossen ist.
Dies sorgte für heftige Diskussionen im Gemeinderat.
«Das Schulpersonal kann einen Beitrag zu den Klimazielen leisten, indem es auf die Anreise mit dem Auto verzichtet.»
Balz Bürgisser, Grüne
«Tiefgaragen sind nicht nur ökologisch ein Wahnsinn, auch die Kosten sind exorbitant», schimpfte Michael Schmid (AL). Er plädierte für mehr ÖV-Nutzung, schliesslich seien die Schulen bestens erschlossen. Balz Bürgisser (Grüne), Mitverfasser des Postulats, sah das genauso: «Das Schulpersonal kann einen Beitrag zu den Klimazielen leisten, indem es auf die Anreise mit dem Auto verzichtet.»
«Wenn Lehrpersonen keine Parkplätze finden, wird der Personalmangel noch schlimmer.»
Stefan Reusser (EVP)
Die FDP hingegen warnt vor einer einseitigen Sichtweise. «Schulen werden beispielsweise auch von Musikvereinen genutzt, deren Mitglieder nicht alle im Quartier wohnen», argumentierte Martina Zürcher.
Gerade der Lehrpersonenmangel mache das Thema brisant. «Viele Lehrkräfte kommen von ausserhalb der Stadt», sagte Stefan Urech (SVP). Sein Parteikollege Jean-Marc Jung forderte daher nicht nur mehr Parkplätze, sondern sogar noch mehr unterirdischen Raum – auch für Velos. Die EVP sah das ähnlich. «Wenn Lehrpersonen keine Parkplätze finden, wird der Personalmangel noch schlimmer», warnte Stefan Reusser.
Auch diese Abstimmung fiel denkbar knapp aus: 61 linksgrüne Parlamentarier:innen sagten Ja, die Bürgerlichen, inklusive GLP und Mitte/EVP sagten Nein. Nun muss der Stadtrat eine Umsetzung erarbeiten.
In einem themenverwandten Postulat forderte die SVP, dass bei Neubauten von Schulhäusern neben oberirdischen Parkplätzen auch eine Tiefgarage gebaut werden muss. Dieses Anliegen hatte keine Chance und wurde versenkt.
Weitere Themen aus dem Rat
Geld für Sinti & Jenische: Der Gemeinderat hat beschlossen, das Museum der Sinti und Jenischen in Altstetten finanziell zu unterstützen. Die genaue Summe ist noch offen. Mit 101 zu 14 Stimmen wurde ein dringliches Postulat der AL überwiesen, da das Museum wegen knapper Mittel nur sporadisch öffnen kann. Die SVP forderte vergeblich eine einmalige Unterstützung statt eines jährlichen Beitrags. Die Radgenossenschaft betreibt das Museum seit 2002 und wurde von Opfern der Pro-Juventute-Aktion «Kinder der Landstrasse» gegründet.
15 Millionen für Schulhausumbau: Damit das Schulhaus Bühl auch als Tagesschule funktioniert, muss es umfassend umgebaut werden. Es braucht eine neue Küche und neue Verpflegungs- und Aufenthaltsräume, damit die rund 400 Primarschüler:innen tagsüber betreut werden können. Für diesen Umbau hat der Gemeinderat mit grosser Mehrheit 15,3 Millionen Franken gesprochen.
An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.