Gemeinderat der Woche

Murat Gediz (FDP): «Es braucht mehr Pragmatismus»

Dass er noch diesen Sommer in den Gemeinderat nachrücken konnte, kam für den FDP-Politiker Murat Gediz überraschend. Um Zürich effizienter zu machen, sucht er auch den Austausch über Parteigrenzen hinweg.

Gemeinderat Murat Gediz
Seit elf Jahren ist Murat Gediz politisch aktiv und sitzt nun auch im Gemeinderat. (Bild: Jenny Bargetzi)

Für Murat Gediz ist die Zürcher Altstadt mit ihren geschichtsträchtigen Gebäuden der schönste Teil der Stadt. «Jedes Mal, wenn ich durch die Altstadt gehe, entdecke ich etwas Neues», erklärt er. Umso bedauerlicher findet er es, dass die Ratssitzungen seit 2020 wegen Umbauarbeiten nicht im alten Rathaus am Limmatquai, sondern in der Bullingerkirche stattfinden.

Hauptberuflich ist Gediz heute als Chief Financial Officer (CFO) bei der Emil Frey Digital AG tätig und vertritt im Gemeinderat den Kreis 12. Auch wenn er mit seiner Familie inzwischen nicht mehr in Schwamendingen wohnt, fühlt er sich dem Quartier und seinen Menschen nach wie vor eng verbunden, denn dort hat sein politisches Engagement begonnen.

Sein allererstes Postulat betraf den Erlass wiederkehrender Gebühren für die Schwamendinger Chilbi. «Für mich steht die Chilbi vor allem für Gemeinschaft, denn sie bringt die unterschiedlichsten Menschen zusammen», sagt Gediz. Insbesondere dieses Jahr sei das Gemeinschaftsgefühl spürbar gewesen, nachdem der SVP-Stand von Unbekannten demoliert worden war. «Alle Parteien haben zusammengehalten und geholfen, ihn wieder aufzubauen», sagt er.

Einen solchen Zusammenhalt wünscht sich Gediz auch im Gemeinderat. Manchmal kommt es laut ihm während der Diskussionen zu herablassenden Kommentaren, die eigentlich nicht sein müssen. «Wir sitzen alle im gleichen Boot, daher sind persönliche Angriffe, die von beiden Seiten kommen, in meinen Augen immer unangebracht», sagt er. Schliesslich gehe es darum, etwas für kommende Generationen zu bewegen und nicht für sich selbst.

Dass er nach der Sommerpause im Rat nachrücken würde, kam für der FDP-Politiker überraschend. Die Entscheidung, das Mandat anzunehmen, fiel aber dann doch schnell: «Ich wollte aktiv Verantwortung übernehmen und zeigen, dass Integration in einer liberalen Wertegesellschaft mehr bedeutet, als nur dazuzugehören – es heisst, mitzugestalten.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich engagiere mich seit 2014 politisch. Damals habe ich bei den Jungfreisinnigen angefangen und später zur Mutterpartei gewechselt. Ich habe gesehen, mit welchen Herausforderungen wir in der Stadt konfrontiert sind: steigende Abgaben und Gebühren, die nicht nur Unternehmen, sondern zunehmend auch den Mittelstand und die Arbeiterschicht belasten. Ich finde, es kann nicht sein, dass gerade jene, die täglich arbeiten, Verantwortung tragen und das Rückgrat unserer Stadt bilden, immer stärker zur Kasse gebeten werden.

Weil meine Eltern selbständig waren, kenne ich die Herausforderungen aus erster Hand, etwa, wie bürokratische Hürden und immer neue Gebühren kleine Betriebe unter Druck setzen. Genau deshalb setze ich mich im Rat für mehr Effizienz, weniger Regulierung und eine entlastende Finanzpolitik ein. Es braucht mehr Pragmatismus und weniger Symbolpolitik – eine Politik, die versteht, wie Wirtschaft und Alltag tatsächlich funktionieren.

Wer oder was hat Sie politisch inspiriert?

Der FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, den ich persönlich kenne. Mich beeindruckt an ihm seine pragmatische Art, politische Themen wirtschaftlich zu denken und gleichzeitig offen zu kommunizieren – ohne ideologische Scheuklappen. Er zeigt, dass Politik modern, datenbasiert und lösungsorientiert sein kann.

Aber auch Vorreiter wie Jonas Furrer, der erste Bundespräsident, oder Alfred Escher, die beide sehr kompetent waren und versucht haben, etwas Nachhaltiges aufzubauen, inspirieren mich. Von ihren Taten haben Generationen profitiert.

In meinem persönlichen Umfeld beeindruckt mich besonders Walter Frey, der als Inhaber von Emil Frey mein oberster Chef ist. Er denkt unternehmerisch, handelt vorausschauend und bleibt trotzdem bodenständig. Bei ihm sehe ich, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen, langfristig zu denken und mit Überzeugung zu handeln – Werte, die ich auch in die Politik trage.

Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

Jenes zum Postulat von Flurin Capaul (FDP) und Ivo Bieri (SP) zur Verlängerung der Baukonzession für den Imbiss Riviera und das Bistro Grill am See. Es war sehr erfreulich, dass es überwiesen werden konnte. Im Rat ist eine sehr interessante und lange Diskussion zu diesem Anliegen entstanden. Überrascht hat mich, dass Luca Maggi von den Grünen da einfach zugestimmt hat, obwohl sich seine Fraktion dagegen gerichtet hat. 

Mein Vater war auch lange in der Gastronomie tätig, daher weiss ich, wie schwierig und zermürbend die ganzen Bewilligungsverfahren sein können. Aus diesem Grund fand ich es super, dass das Geschäft vorerst weitergeführt werden kann.

Welches hat Sie am meisten geärgert?

Besonders nachdenklich gestimmt hat mich eine Ratssitzung, die kurz nach einem Vorfall im Tram stattfand, bei dem eine Frau angegriffen wurde, während die Polizei gleichzeitig mit linksautonomen Aktionen beschäftigt war. Der Täter wurde noch am selben Abend freigelassen. In der darauffolgenden Ratssitzung haben die FDP und die SVP in ihren Fraktionserklärungen mehr Sicherheit, klarere Verantwortung der Stadt und Rückhalt für die Polizei gefordert.

«Sachpolitik ist ein Marathon, für den man einen langen Atem braucht.»

Murat Gediz, Gemeinderat

Statt jedoch über die ganz konkreten Sorgen der Bevölkerung in Zürich zu sprechen, nutzte die linke Ratsseite die Gelegenheit, um über den Nahostkonflikt und den Krieg zwischen Israel und den Palästinensern zu sprechen. Das fand ich in diesem Moment unpassend. Wir sind in erster Linie für die Sicherheit und das Zusammenleben in Zürich verantwortlich.

Wie gehen Sie mit politischen Niederlagen um?

Ich nehme das überhaupt nicht persönlich. Sachpolitik ist ein Marathon, für den man einen langen Atem braucht. Wichtig ist, stark zu argumentieren und zu versuchen, die Mehrheit für sein Anliegen zu überzeugen. Dabei sollte das Ziel, Zürich effizienter und zukunftsfähiger zu machen, immer im Blick sein.

Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Ich bin noch nicht lange im Rat, daher hatten viele bisher noch nicht die Gelegenheit, mich wirklich kennenzulernen. Wer aber mit mir zusammenarbeitet, weiss, dass ich sachlich, ruhig und fair auftrete. Ich höre zuerst zu, bevor ich mir eine Meinung bilde, und suche gerne den direkten Austausch – auch mit jenen, die anders denken. Wenn ein Vorschlag gut ist, unterstütze ich ihn unabhängig von der Partei. Für mich zählt am Ende das Ergebnis, nicht, wer es eingebracht hat.

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Minea Pejakovic

Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.

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