Petition an Stadtrat: Schwamendingen bangt um seine «Chilbi»
Die Schwamendinger Chilbi feiert Anfang September ihre 50. Ausgabe. Das Quartierfest hat jedoch seit Jahren mit den Auflagen der Stadt und den damit verbundenen Kosten zu kämpfen. Nun soll eine Petition den Sorgen ein Ende setzen.
Rund um den Schwamendingerplatz herrscht an diesem Donnerstagabend Vorfreude. Der Platz ist umzingelt von weissen Wägen. Manche haben ihre Fensterklappen bereits geöffnet und lassen Vorbeilaufende einen Blick von ihrem Innenleben erhaschen: Berge von Stofftieren, Säcke mit Magenbrot und aufgehängte Zuckerstangen.
Hier und da sind Zurufe zu hören, gefolgt von einem lauten Klappern. Mit jedem Wagen und Gerüst erhält die Schwamendinger Chilbi Stück für Stück an Form.
Das Quartierfest findet jedes Jahr am ersten Septemberwochenende für zwei Tage statt. Doch seit einiger Zeit sehen sich die Organisator:innen mit Schwierigkeiten konfrontiert. Eine Petition soll nun Abhilfe schaffen.
Petition soll finanzielle Sorgen lösen
Im Jahr 1972 startete die Chilbi als «Chreis 12 Fäscht». Zwei Jahre später erhielt sie ihren heutigen Namen und etablierte sich als fixer Termin im Veranstaltungskalender des Quartiervereins Schwamendingen. Die diesjährige Durchführung markiert die 50. Auflage der Chilbi. Zum Jubiläum erstreckt sich das Fest über drei Tage und beginnt deshalb bereits am Freitagabend.
Für den OK-Präsidenten Roger Tognella, dessen Vater die Schwamendinger Chilbi ins Leben gerufen hat, stellt der zusätzliche Abend organisatorisch keine besonderen Herausforderungen dar. Er hat ganz andere Sorgen.
Seit Jahren kämpft der Anlass mit finanziellen Engpässen. Besonders die Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Grundes und die Dienstleistungskosten beispielsweise der Parkverbotstafeln sowie generell die steigenden behördlichen Auflagen sorgen laut Tognella für rote Zahlen im Vereinsbudget.
Er spricht von einem Defizit von 10’000 bis 14’000 Franken – jährlich.
Die Chilbi für die Besucher:innen teurer zu machen, um Defizite auszugleichen, komme aber nicht infrage, so Tognella: «Wenn Vereine Gewinne erwirtschaften, sollen sie mit dem Geld beispielsweise eine Jugendmannschaft ermöglichen und nicht die Gebühren der Chilbi mittragen», findet er.
Deshalb hat er gemeinsam mit den restlichen Mitgliedern des Organisationskomitees sowie dem Quartierverein eine Petition lanciert. Darin wird der Stadtrat aufgefordert, die Schwamendinger Chilbi als Traditionsanlass und als «Anlass mit besonderer öffentlicher Ausstrahlung» anzuerkennen. Dadurch könnte die Chilbi künftig von Subventionen profitieren.
Zürcher Quartierfeste unter Druck
Den Initiant:innen der Petition geht es aber nicht nur um die eigene Veranstaltung. Vielmehr geht es ihnen darum, dass sich der Stadtrat der Frage stellen soll, wie er Quartier- und Strassenfeste nachhaltig unterstützen kann.
«Solange es Menschen gibt, die sich für die Chilbi engagieren, gibt es sie weiterhin – trotz aller Herausforderungen.»
Roger Tognella, OK-Präsident der Schwamendinger Chilbi
Welche Folgen steigende Auflagen und Kosten haben können, zeigt unter anderem der Fall des Züri-Fäscht. Ein wesentlicher Grund für das Ende des gut besuchten Volksfestes waren die immer komplexeren Anforderungen.
Ein solches Schicksal will Tognella der Schwamendinger Chilbi ersparen. Bisher haben rund 1000 Personen die Petition unterschrieben. Das Ziel sind mindestens 2000 Unterschriften bis zum 8. September zu erreichen – an der Chilbi werde fleissig weiter gesammelt, so Tognella.
Er hofft, dass das Schreiben vom Stadtrat ernst genommen wird, sagt aber auch: «Solange es Menschen gibt, die sich für die Chilbi engagieren, gibt es sie weiterhin – trotz aller Herausforderungen.»
Genügend Freiwillige zu mobilisieren, gestalte sich aber immer wieder als schwierig. Immerhin lockt die Chilbi je nach Wetterlage rund 20’000 Schaulustige an, die versorgt werden müssen. Auch in diesem Jahr gehen die Organisator:innen von einem ähnlich grossen Andrang aus.
Unter den Besucher:innen finden sich neben den Bewohnenden des Quartiers auch viele, die einst von Schwamendingen weggezogen sind – Tognella bezeichnet sie liebevoll als «Heimweh-Schwamendinger:innen».
Spezialprogramm zur 50. Ausgabe
Die Besucher:innen erwartet ein vielseitiges Programm. Insgesamt sorgen sieben Bahnbetriebe für Nervenkitzel, während 44 Stände von Vereinen und politischen Parteien das Rahmenprogramm bilden. Das Mitmachen so vieler unterschiedlicher Institutionen macht laut Tognella das Wesen der Chilbi aus.
Daneben gibt es an den Ständen wie gewohnt auch immer etwas zu Essen, sei es Pizza, Fischknusperli oder Raclette. Anlässlich des Jubiläums gibt es am Sonntag sogar eine Motorrad-Stuntshow.
Grosse Neuheiten im Vergleich zu den vergangenen Jahren gibt es aber nicht, denn das Angebot hat sich stets bewährt. Tognella ist überzeugt: «Die Chilbi lebt davon, dass die Leute wissen, was sie bekommen.»
Tognella selbst wird sie nächstes Jahr nur noch als Gast besuchen, da er sein Amt als OK-Präsident niederlegt. Er hofft, dass das Fest auch die nächsten 50 Jahre übersteht.
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