Zürcher Start-up-Stiftung erhält mehr Geld
Der Zürcher Gemeinderat debattierte am Mittwochabend über die Frage, ob Start-ups mehr Geld erhalten sollen. Im Fokus stand vor allem eine Stiftung, die von der Stadt neu mit jährlich einer halben Million Franken unterstützt wird.
Der Zürcher Gemeinderat diskutierte am Mittwoch über die künftige Förderung der Bluelion-Stiftung. Der Stadtrat beantragte, die Stiftung in den Jahren 2026 bis 2029 mit jährlich 500’000 Franken zu unterstützen. Zusätzlich soll sie einen einmaligen Beitrag von 600’000 Franken erhalten. Bislang zahlte die Stadt jährlich 250’000 Franken.
Die Bluelion-Stiftung wurde 2011 von der Stadt Zürich, der ZKB, der Swisscom und einer Privatperson gegründet. Sie fördert technologische Start-ups in der Frühphase, insbesondere in den Bereichen Klima, Gesundheit, künstliche Intelligenz und Fintech. Seit 2012 hat die Stiftung laut der Stadt 226 Start-ups unterstützt, 162 davon würden auch nach fünf Jahren noch bestehen, über tausend Arbeitsplätze seien geschaffen worden. Die Stiftung sei neben den nationalen Förderinitiativen «mit Abstand die grösste und wichtigste Förderinstitution in der Region».
Eine Minderheit aus FDP, AL und SVP beantragte, den jährlichen Förderbeitrag von 500’000 auf 350’000 Franken zu senken. Eine zweite Minderheit, bestehend aus der GLP, lehnte sowohl die Kürzung als auch den einmaligen Zusatzbeitrag ab.
Sabine Koch (FDP) warnte vor zu engen Förderkriterien. «Wäre man nur auf soziale und ökologische Start-ups fokussiert gewesen, hätte man diese Fortschritte nie erreicht», sagte sie. Der Fokus müsse auf Innovationsgrad, Marktpotenzial und Wachstumsaussichten liegen. Nicolas Cavalli (GLP) unterstützte den Zusatz mit «grossmehrheitlich» statt «ausschliesslich», damit technologische Innovation nicht behindert werde. Die SVP lehnte den GLP-Antrag ab. Es sei eine abgeschwächte Version der SP, argumentierte Stefan Urech (SVP) und bezeichnete die GLP als «Wassermelonen-Politiker – aussen grün und innen rot».
Die Mehrheit des Gemeinderats entschied sich schliesslich für den Kompromiss: 350’000 Franken sowie einmalig 600’000 Franken zur Ausweitung des Angebots. Die Schlussabstimmung fiel mit 78 Ja-, 38 Nein-Stimmen und einer Enthaltung aus. Das angepasste Postulat wurde dem Stadtrat überwiesen.
Energie-360°-Chef geht
Ebenfalls dominierte ein Mann die Diskussion im Rat: Jörg Wild, CEO von Energie 360°. Zumindest war er das bis eine Stunde vor Sitzungsbeginn. Da gab er seinen Rücktritt bekannt. Aber von vorne.
Die Stadt ist derzeit dabei, Energie 360° an die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) zu verkaufen. In der Zwischenzeit hatte sich Wild um die Position des CEO beim Käufer beworben – ohne zuerst den verantworrtlichen Stadtrat Michael Baumer oder die Geschäftsleitung zu informieren.
Linke Politiker:innen kritisierten Wild daraufhin scharf und sprachen von einem Interessenkonflikt, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Im Rat erklärte Baumer dann, er habe während den Herbstferien davon erfahren, Wild umgehend aus der Verhandlung genommen, mehrere ausserordentliche Sitzungen einberufen und versucht, eine Lösung zu finden. Wild entschied sich schliesslich, zurückzutreten. Sein Stellvertreter, Romeo Deplazes, übernimmt vorläufig die Leitung.
«Der Stadtrat hätte die Verantwortung für seine Mitarbeitenden übernehmen sollen.»
Dominik Waser, Gemeinderat von den Grünen
Tom Cassee (Grüne) sprach von einem «offensichtlichen Interessenskonflikt», während Serap Kahriman (GLP) Führungsversagen und mangelhafte Kommunikation kritisierte. Der Verkaufsprozess drohe deswegen gar zu scheitern. Christian Häberli (AL) nannte es einen «Filz von Vertretern jener Parteien, die unermüdlich den sogenannten freien Markt predigen». Parteikollegin Tanja Maag schlug vor, eine Konkurrenzklausel einzuführen, die dafür sorgen sollen, dass es keine solchen Verbindungen gebe.
«Der Stadtrat hätte die Verantwortung für seine Mitarbeitenden übernehmen sollen», sagte Dominik Waser (Grüne). Das sei nicht passiert, darum werde es nun öffentlich debattiert.
Unterstützung für das Junge Literaturlabor
Der Gemeinderat Zürich diskutierte darüber, ob das Junge Literaturlabor (JULL) für die Jahre 2026 bis 2029 finanziell unterstützt werden soll. Und zwar mit jährlich rund einer halben Million Franken, 419’000 Franken für den Betrieb und 98’500 Franken als Mietkostenerlass. Der Beitrag soll zudem jeweils an die Teuerung angepasst werden.
Im JULL schreiben Kinder und Jugendliche literarische Texte, begleitet von professionellen Autor:innen. Viele der Projekte entstehen dabei in Zusammenarbeit mit Schulen. Seit der Gründung 2015 nahmen jährlich rund 900 Kinder an über 300 Workshops teil.
Sabine Koch (FDP) lobte das Projekt grundsätzlich, bezweifelte aber dessen Reichweite. Es sei fraglich, ob die Zielgruppe ausserhalb der Schulen erreicht werde. Angesichts von rund tausend beteiligten Kindern pro Jahr sei der Kosten-Nutzen-Faktor unverhältnismässig. «Die Rechnung passt einfach nicht», sagte sie.
Auch Stefan Urech (SVP), selbst Lehrer, kritisierte die hohen Kosten: Kreatives Schreiben sei bereits Teil des Lehrplans. Die Förderung spiegle eher das Interesse der schreibfreudigen Mehrheit des Rats als ein tatsächliches Bedürfnis der Schulen. «Die Förderung ist nicht das, wonach der Markt schreit.»
Maya Kägi Götz (SP) verteidigte das Projekt: Die Kapazitäten seien voll ausgeschöpft, der Aufwand hoch. Das JULL wolle die Schulen nicht ersetzen, sondern ergänzen. «Niemand sagt, dass Kreativität in den Schulen unterdrückt wird», sagte sie. Es unterstütze sogar die Schulen. Balz Bürgisser (Grüne) schlug zudem vor, neben dem JULL ein «JUMAL», ein Junges Mathematiklabor, zu schaffen.
Am Ende stimmten 88 Ratsmitglieder für den Teuerungsausgleich (SP, AL, Grüne, GLP), 30 waren dagegen (FDP, SVP). Auch die Regel, dass der Beitrag sinkt, falls die Stadt weniger als 100 Millionen Franken Eigenkapital hat, wurde angenommen (93 Ja- zu 25 Nein-Stimmen). Insgesamt nahm der Gemeinderat die Weisung mit 87 Ja- zu 30 Nein-Stimmen an. Damit wird das JULL weiterhin unterstützt.
Weitere Themen aus dem Rat
Rote Fabrik sollte zum Innovationshub werden
Die SVP-Fraktion forderte mit einer Motion, die Rote Fabrik in einen privat betriebenen Innovationshub oder ein Start-up-Cluster umzuwandeln. Die Rote Fabrik sei ein «Rassistennetz» mit «Hetzkampagnen», sagte Mitmotionär Jean-Marc Jung (SVP). Darum sollten bestehende kulturelle Räume wie die Aktionshalle, der Clubraum und das Fabriktheater zwar erhalten bleiben, aber in eine neue, wirtschaftlich orientierte Nutzung eingebettet werden. Auch die Segelschule, der Kindergarten und der Quartiertreff sollten in dieses Konzept integriert werden.
Der Stadtrat lehnte die Motion ab. Stadtpräsidentin Corine Mauch erinnerte Motionär Jean-Marc Jung: «Das war ein Plädoyer für Start-up- und Innovationsförderung – vor einer Stunde haben Sie noch gegen Start-ups gestimmt.» Der Vorschlag der Motionäre würde «das Ende der Roten Fabrik, wie wir sie kennen» bedeuten, sagte Mauch.
Die Rote Fabrik sei in zwei Gemeindeabstimmungen klar als Zentrum für Freizeit-, Kultur- und Bildungsaktivitäten definiert worden. Eine Umwandlung in ein Start-up-Zentrum würde den Betrieb stark einschränken und das Ende des Kulturzentrums bedeuten.
Yasmine Bourgeois (FDP) nannte den SVP-Vorstoss «symbolpolitisch». Die FDP teile zwar nicht alle Positionen der Roten Fabrik, respektiere aber deren demokratische Legitimation durch Volksabstimmungen. Yves Henz (Grüne) sprach von einer «Kampfansage an die Freiheiten, die die 80er-Jahre erkämpft haben» und an die Jugendkultur insgesamt. Auch die Mitte-/EVP-Fraktion war dagegen. Der Gemeinderat wies die Motion mit 12 Ja- zu 103 Nein-Stimmen klar ab.
Geld für ZAZ Bellerive
Der Zürcher Gemeinderat hat die Vorlage zur Förderung des Zentrum Architektur Zürich (ZAZ) Bellerive für die Jahre 2026 bis 2029 angenommen. Das Zentrum erhält jährlich 704’898 Franken, aufgeteilt in 370’800 Franken für den Betrieb und 334’098 Franken für die Miete. Damit steigt der bisherige Beitrag leicht an. Die Beträge sollen an die Teuerung angepasst werden. Auch die Regel, wonach die Subvention reduziert wird, wenn die Stadt weniger als 100 Millionen Franken Eigenkapital ausweist, bleibt in Kraft. In der Abstimmung stimmten 77 Ratsmitglieder für die Beibehaltung der Vorlage, 39 dagegen.
Zürich wird zur «Menschenrechtsstadt»
Die SP- und Grüne-Fraktion will, dass Zürich offiziell zur «Menschenrechtsstadt» wird. Die Ombudsstelle hatte 2023 Menschenrechte als Schwerpunkt hervorgehoben. Viele städtische Angebote – etwa vergünstigter Wohnraum, Hilfen gegen Obdachlosigkeit, Arbeitsmarktstipendien, Antidiskriminierungsstellen, barrierefreier öffentlicher Verkehr oder Unterstützung des Quartierlebens – berücksichtigen bereits Menschenrechte.
Im Gemeinderat gab es, wie immer, unterschiedliche Meinungen: Stefan Urech (SVP) sagte, eine eigene Erklärung sei nicht nötig. Bernhard im Oberdorf (parteilos) kritisierte, es gehe nur um ein Label, denn dass man sich für Menschenrechte einsetzen müsse, sei klar. Moritz Bögli (AL) nannte die Motion ein «Signal, das aber auch nicht mehr ist», Karin Weyermann (Mitte/EVP) einen «Stempel, den man nicht braucht». Sanja Ameti (parteilos) sah Zürich hingegen als Vorbild für die Schweiz. Schliesslich überwies der Gemeinderat die Motion als Postulat an den Stadtrat mit 77 Ja- zu 38 Nein-Stimmen.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.