Flicken statt Entsorgen: Stadt will bis 2026 Reparaturbons

Die Stadt plant in einem Pilotprojekt Reparaturcoupons einzuführen. Damit will sie die Kreislaufwirtschaft in Zürich weiter fördern und die Abfallmenge senken.

Kreislaufwirtschaft Stadt Zürich Kampagne
Am Berninaplatz und in der ganzen Stadt ruft zurzeit eine Kampagne des Umwelt- und Gesundheitsschutzes Zürich zum Thema Kreislaufwirtschaft auf. (Bild: Nina Graf)

Abfall ist in Zürich ein emotionales Thema. Das haben wir erst jüngst gesehen, als der Stadtrat verkündete, dass er die Entsorgungscoupons abschaffen will und daraufhin eine bewegte Debatte in den Kommentarspalten und im Gemeinderat entbrannt ist. (Aktueller Zwischenstand: Eine Mehrheit aus SVP-Mitte und AL haben im Gemeinderat dafür gestimmt, die Bons – zumindest in einer Übergangsphase - zu behalten.)

Auf den ersten Blick irritierend: Ausgerechnet die Grünen sprachen sich am lautesten für die Abschaffung der Marken in der Recyclinganlage aus.

Zürich will Reparaturen fördern

Überhaupt nicht irritierend findet das der grüne Gemeinderat Dominik Waser: «Das aktuelle System schafft einen völlig falschen Anreiz.» Er führt aus: «Wir schmücken uns als Stadt mit Nachhaltigkeitszielen, dem Label Circular City, sagen dann aber den Menschen, dass sie bis 400 Kilogramm pro Jahr und Haushalt gratis entsorgen können. Diese ganze Debatte hat gezeigt, dass unser Verständnis für Kreislaufwirtschaft und ein schonender Umgang mit Ressourcen noch nirgends ist.» Der Entscheid von Simone Brander (SP), Vorsteherin Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, die Coupons abzuschaffen, sei deswegen richtig gewesen, meint Waser.

Doch die Stadt will nicht nur alte Ansätze abschaffen, sie will auch neue Wege ausprobieren: Derzeit plant Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) ein Pilotprojekt zur Reparaturförderung. Als Teil davon sollen versuchsweise – ähnlich wie Entsorgungsmarken – Reparaturcoupons verteilt werden sollen.

Eine Initiative, die nicht im luftleeren Raum entstand. 2022 hat Zürich als erste Schweizer Stadt die «Circular Cities Declaration» unterzeichnet. Die Kreislaufwirtschaft hat zum Ziel, dass bereits existierende Materialien so lange wie möglich im Umlauf bleiben. Bezogen auf Abfall bedeutet das: Zuerst schauen, dass man das Tablet, den Stabmixer, die Stromleiste flicken kann, bevor man sie wegschmeisst.

Politik muss noch Ja sagen

«Voraussichtlich bis Ende 2024 wird das Projekt auf den politischen Laufweg gebracht. Wenn alles gut läuft, kann das zweijährige Pilotprojekt dann im Frühjahr 2026 starten», schreibt Maria Colon, Mediensprecherin von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ).

Von solchen Reparaturen erhofft sich die Stadt eine grosse Reduktionswirkung auf den Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen. Ein Beispiel: In der Schweiz werden jedes Jahr rund 130’000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte bei Sammelstellen und Detailhändlern zurückgebracht und in Recyclinganlagen entsorgt. Dabei wären rund die Hälfte der entsorgten Geräte noch funktionstüchtig, so der Befund der Ostschweizer Fachhochschule.

Österreich als Vorbild

Die Idee ist nicht neu: Bereits 2022 antwortet der Stadtrat auf einen Vorstoss von zwei SP-Parlamentarierinnen zur möglichen Einführung von Reperaturcoupons, man sei an solchen Überlegungen dran. Doch warum dauert die Umsetzung so lange?

Mediensprecherin Colon verweist auf juristische Hürden. Erst 2023 trat die neue Verordnung für die Abfallbewirtschaftung in Kraft, welche die rechtlichen Grundlagen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft geschafft hat. Bei der Planung habe man auch geschaut, wie das andere Länder handhaben.

Domnik Waser, Gemeinderat Grüne
Reparieren soll einst so selbstverständlich werden, wie der Gang zur Entsorgungsstelle, meint Gemeinderat Waser. (Bild: Tsüri.ch / Steffen Kolberg)

Unter den EU-Staaten war Österreich Vorreiter. Dort gibt es seit zwei Jahren Bons, bei denen der Staat die Hälfte der Reparaturkosten für Elektrogeräte übernimmt. Wie der Standard berichtet, gab es seit der Einführung bereits 480 000 Einlösungen und die Regierung stockte dieses Jahr das entsprechende Budget auf. Am häufigsten wurden Smartphones repariert.

Zürcher Plattform für Reparaturen

In Zürich ist neben den Coupons auch eine Reparaturplattform Teil des Pilotprojekts. Dort sollen die Zürcher:innen die passenden Angebote von Reparaturbetrieben finden und die Reparaturbonus einlösen können.

Waser begrüsst Ideen, wie die Reparaturbons und ist gespannt darauf, die Entwürfe des ERZ dereinst zu sehen. Pilotprojekte wie diese seien ein Schritt in die richtige Richtung. «Mit den heutigen Coupons schaffen wir einen Anreiz zum Wegwerfen. Stattdessen muss es eine Kernaufgabe der Stadt werden, Reparaturleistungen anzubieten. Das muss dereinst so normal werden, wie heute der Gang zur Entsorgungsstelle.»

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