Ein Ausflug in den Kreis 5: Berlin-Feeling meets Zürcher Gepflegtheit

Im Kreis 5 schmeckt sogar Zürich nach Metropole. Im «hippsten» Quartier der Stadt flaniert man an Architekturdenkmälern vorbei, kauft sich Style und isst sicher keine Rösti.

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Für diese Serie haben wir alle 12 Stadtkreise besucht, in den Hotels dieser Stadt übernachtet und erkundet, was die Kreise aus den Augen eines Touris so alles zu bieten haben.

Nach einer beschwerlichen und langen Velo-Anreise von ungefähr vier Minuten finde ich das Hotel Walhalla sofort. Es liegt direkt hinter dem Hauptbahnhof, gegenüber des Carparkplatzes Sihlquai, bestens erschlossen auch per Tram. Das Zimmer ist sehr sauber, die Kissen gross und weiss und weich, der Spannteppich grau gemustert, ich habe Blick auf die Sihl und den Platzspitz.

Entgegen der Sightseeing-Tipps des Hotels, die sich alle im Kreis 1 befinden – Besuch des Landesmuseums, Platzspitz, Lindenhof, eine Rundfahrt mit dem Limmatschiff, Besichtigung des Grossmünsters – entscheide ich mich für einen Spaziergang durchs Quartier: Züri-West.

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Das Hotel Wallhalla liegt direkt am Hauptbahnhof.

Züri-West, das kleine Berlin?

Auf Reiseblogs als «das hippste Quartier Zürichs», «Bezirk voller Kontraste», «Industrieviertel, das an Berlin erinnert» angepriesen, bietet der Kreis 5 tatsächlich unglaublich viel für seine bescheidene Grösse. Er ist nach dem Kreis 1 der kleinste Stadtkreis und dennoch einer der am dichtesten besiedelten mit 15'579 Einwohner*innen (Stand 2018). Südlich wird der Kreis 5 durchs Gleisfeld, nördlich durch die Limmat begrenzt und beim Viadukt nochmals in zwei Hälften unterteilt: Im etwas familiäreren Teil zwischen Hauptbahnhof und Viadukt – «Gewerbeschule» – reiht sich Restaurant an Restaurant.

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Ein Sari gefällig? Die indische Diaspora ist gross im «Foifi».

Vor allem die indische, italienische und orientalische Diaspora ist breit vertreten und hat eine Vielzahl an Restaurants, eines besser als das andere, kuriose Spezialitäten- und Kleiderläden hervorgebracht. Klein Kreuzberg? Hier finden sich auch unabhängige Boutiquen und die stylishen Läden in den Viaduktbögen werden mancherorts sogar als «spannendste Einkaufsstrasse Zürichs» bezeichnet!

Ein Highlight für Architekturfans

Besonders interessant ist ein Spaziergang durch Züri-West aber für Architektur- und Designinteressierte – wie mich! Gestartet beim Hotel, am äussersten Zipfel des Kreises komme ich am alten Museum für Gestaltung vorbei, in dem viele weltberühmte Designobjekte ausgestellt sind.

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Auch das Museumsgebäude selbst ist museumswürdig: eine Ikone des Neuen Bauens.

Für einen Besuch reicht es heute aber leider nicht, deshalb geniesse ich den Bauhaus-Stil des Museums nur von aussen. In den kleinen (und oft auch teuren) Läden rund um die Josefstrasse mache ich Window-Shopping, träume von weisser Leinen-Bettwäsche und schaue neidisch in ein Kunstatelier, das wie ein Gewächshaus aussieht.

  • Die «Fierzhäuser»: Ein Wohnquartier wie aus dem Bilderbuch.

  • So ein schönes Atelier hätte ich auch gerne...

Bei den bunten «Fierzhäusern» rund um die Mattengasse zeigt sich, dass der Kreis 5 im Gegensatz zu anderen Stadtteilen vor allem auch bewohnt ist. Ich überquere die Langstrasse, die hier zwar stark befahren, aber um einiges «gesitteter» ist als weiter oben im Kreis vier und gelange zum Röntgenplatz, wo ein paar tamilische Männer um einen Tisch sitzen, singen, essen und trinken. Den Röntgenplatz, umgeben von Alleen und gepflegten Wohnhäusern könnte man als Herz des Quartiers bezeichnen, abgesehen von einmal jährlich hier stattfindenden Röntgenplatzfestes läuft hier aber nicht viel. Beim Viadukt wirds wieder interessanter für mich als «Touristin» – ich merke dass es mir schwerfällt, ein mir so wohlbekanntes Quartier mit anderen Augen zu sehen.

Ennet des Viadukts wird die Atmosphäre um einiges «industrieller», rauher. Auf vielen Reiseblogs wird von Frau Gerolds Garten geschwärmt, und vor dem Freitag-Tower stehen die Leute Schlange. Vielleicht sind sie auch Tourist*innen und wollen sich eine der weltberühmten Freitag-Taschen als Souvenir kaufen? Ich habe schon eine – sie liegt im Hotel – und gehe weiter in Richtung Prime-Tower, dem einzig wirklichen Wolkenkratzer der Stadt.

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Ein teurer Espresso für eine Million-Dollar-Aussicht

Da der Blick über die Stadt atemberaubend sein soll, lasse ich mich zu einem Espresso im Clouds, dem Restaurant im obersten Stock hinreissen. Für mehr reicht mein Portemonnaie nicht, und sowieso ist die Klientel hier eine etwas elegantere. Also nur ein schneller Schnappschuss und dann weiter zum «Schiffbau», der ehemaligen Kesselschmiede von Escher Wyss, dessen Fabriken das Quartierbild massgebend mitgeprägen.

  • Im Industriequartier posiert man vor Turbinen...

  • ...und Schraubenziehern!

Posieren und dinieren

Hier finde ich viele spannende Monumente, vor denen ich mich wie eine richtige Touristin unbedingt ablichten lassen will. Nach kurzem Sight-Seeing kehre ich um, denn ich habe eine Reservation im Afghan Anar, einem afghanischen Restaurant, das die Internationalität und Vielfalt des Kreis 5 nicht besser beweisen könnte. Hier kommen ich und meine Begleitung in den Genuss von gebackenen Auberginen, mit Kürbis gefüllten afghanischen Teigtaschen (Mantus), knuspriger Teigfladen und sogar veganem Baklava! Wer sich nicht vegan ernährt, dem sei das traditionell handgerührte Glacé aus Milch, Pistazien und Karamellsirup empfohlen. Nach diesem besonderen Gaumenschmaus begebe ich mich zurück ins Hotel, wo ich die Kühle des klimatisierten Zimmers geniesse.

  • Hier wird das Glacé im Eistopf von Hand gerührt!

  • Afghanische Spezialitäten zum Fingerlecken gibts im Afghan Anar

Fazit

Müsste ich mich für den Rest meines Lebens für einen Kreis entscheiden, dann wäre es der Kreis 5 – egal ob als Touristin oder Bewohnerin. Denn er hat einfach alles: eine Vielzahl an Museen, Hochkultur und Techno-Ausgang, teure und günstige Läden, weiche Wiesen und harte Asphaltbrachen, coole Anzugträgerinnen und heisse indische Curries – Urbanität ist hier Programm. Wieso nach Berlin, wenn ich mein Geld auch hier mit Secondhand-Mänteln und veganer Currywurst verprassen kann? War ich nicht schon vorher verliebt, dann bin ich es jetzt auf jeden Fall. Danke, Corona!

Bewertungsraster des Kreises (1 bis 5 Sterne)

Instagramability des Hotels *

Kriminalität des Kreises ***

Erschlossenheit mit dem ÖV *****

Grösse des Portemonnaies ****

Kulinarische Auswahl *****

«Lebendigkeit» des Kreises *****

Transparenz: Die Übernachtung im Hotel wurde uns auf Anfrage offeriert.

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Trotz Pflänzchen: der Frühstückssal wirkt – wie das ganze Hotel – etwas karg.

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