Derek Richter (SVP): «Ich bin nicht Mr. Nice Guy. Als Oppositionspolitiker muss ich polarisieren»

Seit sechs Jahren sitzt Derek Richter für die SVP im Gemeinderat. Politisch umstritten wurde er, als er 2020 eine Ratskollegin wegen einer Klimademo bei der Kesb meldete und darauf sein Amt als Ratssekretär verlor.

Derek Richter SVP-Gemeinderat
Der SVP-Gemeinderat Derek Richter arbeitet hauptberuflich als Schiffsführer. (Bild: Sophie Wagner)

Seit sechs Jahren politisiert Derek Richter wieder für die SVP im Kreis 3. Zuvor war der 60-jährige Zürcher schon mal Gemeinderat von 2015 bis 2018. Bei den bevorstehenden Wahlen 2026 will er sich noch einmal aufstellen lassen, ob es danach noch eine Kandidatur geben wird, lässt er offen. «Im Moment macht es mir einfach noch unglaublich Spass, jede Abstimmung mit 111 zu 14 zu verlieren», sagt der Gemeinderat und spricht mit dieser Aussage, die man wohl ironisch verstehen soll, auf die Oppositionsrolle an, welche die SVP im Gemeinderat einnimmt.

Verloren hat der SVP-Politiker 2021 ebenfalls seinen Posten als Ratssekretär. Im Oktober 2020 hatte er eine Gefährdungsmeldung eingereicht, weil die 14-jährige Tochter einer grünen Ratskollegin an einer unbewilligten Klimademonstration in Bern teilgenommen hatte. «Ich habe die Politikerin bei der Kesb gemeldet, weil sie ihre minderjährige Tochter indoktriniert und indirekt zum Rechtsbruch aufgefordert hat», erklärt Richter. Als Amtsperson sei er verpflichtet gewesen, dies weiterzuleiten.

Die Kesb stufte die Meldung als gegenstandslos ein. Nach der Wahl des neuen Ratspräsidenten setzte die linke Ratsmehrheit Richter als Ratssekretär ab. «Das war ein Machtspiel», meint er rückblickend. «SVP und FDP stellten sich hinter mich, die anderen Parteien stimmten dagegen.»

«Ich würde mich lieber als libertär bezeichnen»

Bereits 2015 erhielt Derek Richter für seine Aussagen auf X (ehemals Twitter) Kritik. Damals schrieb er unter anderem: «Gibt es eine Steigerung zu Rinderwahn? Ja, es nennt sich Frauenquote.» In einem weiteren Post meinte er: «Überall auf Stufen und Kanten sitzen Asylanten mit Verwandten. An Renten ist für uns nichts mehr zu holen, denn leider kommen wir ja nicht aus Polen. Der Ali hat Kohle, der Hassan hat Drogen, der Schweizer zahlt und wird noch betrogen.»

Als Gemeinderat polarisiert Richter. Seine hauptberufliche Aufgabe ist es aber, stürmische Gewässer zu umschiffen. Denn Derek Richter arbeitet als Schiffsführer. Zu seiner 24-Stunden-Woche auf dem Wasser gehört, Privatkund:innen auf dem Zürichsee zu chauffieren sowie Eventschiffe auf dem Sarnersee zu navigieren.

«Am meisten Freude habe ich allerdings daran, wenn Touristen an Bord kommen, besonders jene aus Amerika», erzählt er. Mit ihnen könne man leicht ins Gespräch kommen. «Einmal hatte ich ein Paar, das auf Hochzeitsreise in Zürich war. Es waren gerade Präsidentschaftswahlen, sie sagten, sie seien konservativ. Ich meinte: Ich auch – auch wenn ich mich lieber als libertär bezeichnen würde.»

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Auslöser war, als die grüne Stadträtin Ruth Genner die flankierenden Massnahmen für die Westumfahrung in Kraft setzte. Ich habe damals bei der Credit Suisse gearbeitet und bis dahin hatte ich einen Fahrtweg von zehn bis 15 Minuten von der Haustüre bis zum Büro. Also «quick and dirty».

Mit den flankierenden Massnahmen wurde der Transit durch Zürich jedoch auf eine Spur zusammengeschrumpft, obwohl an diesem Sonntag die Autobahn noch gar nicht eröffnet war. Das hatte zur Folge, dass Autos stundenlang im Stau gefangen waren. An diesem Tag hatte ich sogar mit dem Roller über eine Stunde. Das war für mich eine klare Nötigung der autofahrenden Bevölkerung durch die grüne Politik. Daraufhin bin ich in die SVP eingetreten.

Warum in die SVP?

Als Libertärer ist Freiheit für mich das Höchste. Ich habe mir auch die FDP angeschaut, aber sie hat sich nach meiner Einschätzung zu weit vom Freiheitsgedanken entfernt.

«Solange der Wohlstand in Zürich so hoch ist, wird die SVP vermutlich in der Opposition bleiben.»

Derek Richter, SVP-Gemeinderat

Wie definieren Sie Freiheit? 

Mir geht es um individuelle Freiheit und dass der Privatbesitz heilig ist. Ich lebe eigentlich nach dem Motto: «Erlaubt ist, was nicht stört». Mich stört es nicht, wenn jemand in der Stadt mit einem Velo oder Mercedes G fährt. Doch heute stören sich alle an allem.

Also jede:r soll glauben, ausleben und tragen dürfen, was er oder sie möchte?

Ja. Es geht niemanden etwas an, was andere tun oder tragen.

Warum sind Sie dann für die Abschaffung des Gendersterns und gegen Inklusionsanliegen?

Gut, es braucht trotzdem gewisse Leitplanken im öffentlichen Raum. Ich bin der Meinung, dass wir unsere konservativen Grundwerte nicht ganz aufgeben sollten, wie etwa Familie und Tradition.

Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?

Mit Karen Hug von der Alternativen Liste (AL) würde es garantiert nicht langweilig werden. Auch wenn unsere beiden Parteien wohl kaum weiter auseinander liegen könnten, haben wir gewisse Schnittpunkte – wie etwa die autonome und staatskritische Haltung.

Wie gehen Sie mit politischen Niederlagen um?

Niederlagen gehören dazu und beschäftigen mich meistens nicht weiter. Zürich hat zu viel Geld, zumindest auf dem Papier. Solange der Wohlstand in Zürich so hoch ist, wird die SVP vermutlich in der Opposition bleiben.

Inwiefern hat der Wohlstand der Stadt mit der Zukunft der SVP zu tun? Wäre Ihre Fraktion stärker, wenn die Stadt weniger Geld zur Verfügung hätte? 

Ja, die SVP wäre stärker. Die Sozialkosten beispielsweise, die sind ein Fass ohne Boden. Und die ganze Zuwanderung, die wir haben, ist nicht nachhaltig, da nur 25 Prozent von ihnen in der Privatwirtschaft tätig sind. Die ganzen restlichen 75 Prozent generieren keinen Mehrwert.

Weiter werden aktuell Projekte realisiert, wie beispielsweise der Velotunnel. Das sind nur Prestigeprojekte, die als «nachhaltig» verkauft werden. Natürlich kann man sagen, es ist besser, wenn man das Geld hier in Zürich verbaut anstelle eines Radweges in Peru. Aber trotzdem werden Unmengen Tonnen Beton verbaut und es sind im Prinzip keine Lösungen. Gewisse Leute wollen sich einfach selbst verwirklichen.

Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Ich bin nicht Mr. Nice Guy. Ich gehe bis an die rote Linie und das kann für andere auch verletzend sein. Aber als Oppositionspolitiker muss ich polarisieren. 

Polarisieren Sie auch in Ihrer eigenen Partei?

Bei Abstimmung sind wir trotz Parteizugehörigkeit frei. Deswegen ist es wichtig, auf sich zu hören, auch wenn das bedeutet, gegen die eigene Partei zu stimmen. Am Ende des Tages muss ich mich nur selbst noch im Spiegel anschauen können.

Und Sie können sich im Spiegel anschauen?

Ja.

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Sophie Wagner

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

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