Ausbildungszentrum für Schreiner:innen soll Geld erhalten – schon wieder
40 Lehrlinge, 10 Mitarbeitende und ein Ausbildungszentrum in finanzieller Schieflage – das war am Mittwochabend das Thema der Debatte im Gemeinderat. Zudem musste Stadtrat Daniel Leupi Fehler in einer anderen Angelegenheit eingestehen.
Es kommt eher selten vor, dass jemand auf der Tribüne des Gemeinderatssaals sitzt. Gestern Abend jedoch war sie voll mit Schreiner-Lehrlingen, die vor der Sitzung selbstgefertigte Handyhalter aus Holz verteilten. Der Grund: Der Gemeinderat diskutierte über zwei dringliche Postulate, die im Kern dasselbe Ziel verfolgen: die Zukunft des Schreiner Ausbildungszentrum Zürich (SAZ).
Das SAZ steckt erneut in finanziellen Schwierigkeiten und braucht Unterstützung von der Stadt. Sonst droht der Betrieb einzustellen, 10 Mitarbeitende und 40 Lehrlinge könnten ihren Ausbildungsplatz verlieren.
Schreiner Ausbildungszentrum Zürich beschäftigt die Politik seit Langem
Zur Geschichte: Das SAZ bildet seit 1888 Schreiner:innen aus, seit 2017 ist es eine eigenständige Genossenschaft. Corona brachte die Ausbildungsstätte in finanzielle Not, worauf Kanton und Stadt einmalig 500’000 Franken zuschossen. Reto Brüesch (SVP) sagte: «Der Betrieb ist gerettet worden, aber nicht alle Wunden geheilt.»
Drei Jahre später steht das SAZ wieder unter Druck. Nicht wegen schlechter Arbeit, sagte Brüesch, sondern wegen steigender Mieten, teurer Maschinen und fehlender Aufträge.
Er reichte deshalb zusammen mit Johann Widmer (SVP) ein Postulat ein, das den Stadtrat auffordert, gemeinsam mit dem SAZ, Partnerbetrieben und kantonalen Stellen eine Reorganisation zu planen und die Finanzierung nachhaltig aufzustellen. Die Stadt soll prüfen, ob ein befristeter, zweckgebundener Beitrag von maximal 100'000 Franken möglich ist, verbunden mit einem externen Reorganisationsplan, klaren Erfolgskriterien und einer Exit-Strategie. Brüesch betonte: «Das Postulat ist kein Blanco-Check. Wir wollen nachhaltige Lösungen schaffen, damit das SAZ mittelfristig selbsttragend wird.»
«Die FDP ist so marktfokussiert, dass sie lieber die Leute ins Nirvana schickt.»
Moritz Bögli (AL)
Das zweite Postulat reichten Moritz Bögli, Christian Häberli und David Garcia Nuñez (AL) ein. Auch sie mahnten die prekäre Lage an und forderten, Betrieb und Lehrstellen langfristig zu sichern. Bögli sagte, es gehe darum, das Problem dauerhaft zu lösen, ohne ständig Geld nachzuschieben. Dazu gehöre auch, wieder mehr Aufträge von der Stadt zu übernehmen – laut Bögli ökologisch sinnvoll, weil die Lieferketten minimal seien.
Der Stadtrat, vertreten durch Raphael Golta (SP), lehnte eine direkte finanzielle Beteiligung ab. Die Diskussion sei bereits bei der ersten Finanzierung geführt worden. Damals sei klar gewesen, dass es sich um eine einmalige Finanzierung handelt. Golta sagte: «Die Befürchtung ist, dass wir uns dauerhaft beteiligen müssten. Dafür fehlt uns die rechtliche Grundlage. Wir müssen auch anderen Ausbildungszentren Grenzen setzen.» Wichtig sei, dass die Lehrlinge im Fall einer Schliessung Anschlusslösungen erhielten.
Markus Merki (GLP), selbst ehemaliger ZAS-Lehrling, lobte die fundierte Ausbildung. Er kritisierte die Forderung der SVP nach Selbsttragung als schwer realisierbar, empfahl aber die Annahme der Postulate. SP und Grüne unterstützten beide Vorstösse. Die Grünen appellierten zudem an den Schreinerverband, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Die FDP stellte sich als einzige Partei dagegen. Patrick Brunner kritisierte das Management des SAZ: «Wir sind wieder da, es wird wieder gebettelt, und man lässt die Lehrlinge für eine Sache weibeln, anstatt für das eigene Missmanagement geradezustehen.» Bögli entgegnete, die FDP sei «so marktfokussiert, dass sie lieber die Leute ins Nirvana schickt».
Am Ende überwies der Gemeinderat beide Postulate: 96 Ja- zu 21 Nein-Stimmen für das SVP-Postulat, 95 Ja- zu 22 Nein-Stimmen für das AL-Postulat.
Grüne-Stadtrat Leupi verärgert Gemeinderät:innen
Bald tauchen sie wieder auf in Zürich: Menschen mit Skischuhen, Ski auf der Schulter, Helm auf dem Kopf, Handschuhe baumelnd am Handgelenk, mitten in der Stadt unterwegs Richtung Schnee. Ein beliebtes Ziel: das Hoch-Ybrig im Kanton Schwyz. 50 Kilometer Pisten, Snowpark, gut mit dem ÖV erreichbar.
Das Skigebiet beschäftigte am Mittwochabend auch den Gemeinderat. Die Stadt war lange mit fünf Prozent daran beteiligt und entsandte Vertreter:innen in den Verwaltungsrat der Hoch-Ybrig AG.
Ein Postulat von Guy Krayenbühl (GLP), Marco Denoth (SP) und Roger Meier (FDP) wollte prüfen lassen, ob die Stadt ihre Beteiligung behalten könne. Doch da kam die Überraschung: Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) hatte die Aktien längst verkauft – ohne, dass die Gemeinderät:innen dem zugestimmt hatten.
Der Vertrag wurde am 9. Oktober unterschrieben, am 21. Oktober war der Verkauf vollzogen. Dieser Entscheid liege in der Kompetenz des Stadtrats, verteidigte sich Leupi. Man habe den Käufer, Wendelin Keller, der Geschäftsführer der Hoch-Ybrig AG, nicht länger warten lassen wollen. Dennoch gestand Leupi: «Ja, es ist nicht optimal gelaufen.»
Er habe «die lokalpatriotische Dimension dieses Geschäfts unterschätzt». Er sei Luzerner und fahre selbst ungern Ski, meinte er halb scherzhaft, um die Wogen zu glätten. Humor half ihm aber nur bedingt: Im Saal zeigten sich die Gemeinderät:innen genervt.
«Das Argument, es habe keinen Anlass zur Debatte gegeben, zählt nicht.»
Michael Schmid (FDP)
Krayenbühl sprach von einer «Missachtung des politischen Willens». Die Stadt habe eine emotionale Bindung zum Hoch-Ybrig, viele Zürcher Schüler:innen und Politiker:innen würden dort Ski fahren. Auch FDP-Gemeinderat Meier bedauerte den Verkauf: «Die Stadt verpasst eine Chance.» Parteikollege Michael Schmid betonte noch einmal die lange Verbundenheit mit Hoch-Ybrig. Es sei nicht nur für Skifahrer:innen gut, auch im Sommer sei es schön. Und: «Das Argument, es habe keinen Anlass zur Debatte gegeben, zählt nicht.»
Auch Marco Denoth (SP) fand klare Worte: «Ein Mea Culpa nützt hier nichts. Das Postulat war eingereicht worden, man hätte sich damit auseinandersetzen müssen.»
Innerhalb der SP gingen die Meinungen auseinander. Am Ende zog Krayenbühl das Postulat zurück. «Leupi hat hoffentlich daraus gelernt», sagte er. Damit war das Geschäft endgültig erledigt.
Weitere Themen aus dem Rat
- Massnahmen gegen immer breitere Autos: Der Gemeinderat behandelte ein Postulat der AL, das der Entwicklung zu immer breiteren Autos entgegenwirken will. Gerade Velofahrende würden oft eng überholt, was das Sicherheitsgefühl beeinträchtige und längerfristig zu Umweltproblemen führe. Das Postulat fordert fünf Massnahmen: Parkplatzbreiten konsequent einhalten, also auch Spiegel und Stossstangen innerhalb der Markierungen; Kontrollen auch ausserhalb der Bürozeiten durchführen; das Gesetz auch auf private Parkplätze anwenden; Kampagnen für den Sicherheitsabstand, und die innere Spur nur für schmalere Autos reservieren.
Stadträtin Karin Rykart (Grüne) wies darauf hin, dass Kontrollen bereits laufen würden und eine schmale Spur nur mit Bundesgenehmigung möglich sei. Verkehrskampagnen seien das, was die Stadt umsetzen könne.
Reis Luzhnica (SP) sagte: «Ich habe noch keinen Cyber-Truck in der Stadt gesehen – vermutlich, weil sie keinen Platz haben.» Die Massnahmen seien konkret und umsetzbar. Auch die Grünen stimmten zu. Die Mitte/EVP hatten Sympathien für einzelne Punkte, lehnten das Postulat aber ab.
Johann Widmer (SVP) kritisierte das Postulat als «Nonsense gegen das eigene linke Klientel». In seinem Quartier stünden aktuell sieben Camper, alle von «Cüpli-Sozialist:innen», grosse Autos könnten sich richtige Arbeiter:innen sowieso nicht leisten, sagte Widmer. Die GLP kritisierte das Micromanagement. Am Ende überwies der Gemeinderat das Postulat haarscharf mit 60 Ja- zu 59 Nein-Stimmen an den Stadtrat.
- Nachtruhe in Zürcher Parks: Der Gemeinderat diskutierte ein SVP-Postulat von Johann Widmer und Samuel Balsiger, das die Nachtruhe in nachts geöffneten Parks sichern soll. Widmer beklagte, dass rücksichtslose Jugendliche die Parks nachts in Lärmzonen verwandeln und Anwohner:innen keinen Schlaf finden würden.
Tanja Maag (AL) entgegnete, Jugendliche bräuchten Freiräume abseits von Bars, und eine Umsetzung durch die Polizei wäre teuer. Beat Oberholzer (GLP) sagte, die Nachtruhe werde bereits gut überwacht. GLP und Mitte/EVP lehnten das Postulat ab. Das Postulat wurde mit 34 Ja- zu 84 Nein-Stimmen abgelehnt.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.