In der «neuen Rothausbar» gibt es jetzt Pizza statt Party

Die Rothausbar an der Ecke Militär-Langstrasse war für ihr durchmischtes Publikum und durchtanzte Nächte bekannt. Nach der Schliessung im vergangenen Jahr haben sich deren Betreiber:innen nun etwas Neues ausgedacht: Derby Pizza gleich beim Lochergut. Wir haben mit Mitinhaber Luca Erdös über das Geheimnis neapolitanischer Pizza, fehlende Freiräume und Gentrifizierung gesprochen.

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Pizza Derby alias Pizza Niente. Bilder: Elio Donauer

Zahlreiche Zürcher:innen vermissen sie. Die langen Nächte in der Rothausbar direkt an der Kreuzung Militär-/Langstrasse. Vor einem Jahr kam schliesslich das Aus, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde. Doch nun bahnt sich ein Happy End an. Die Rothausbar-Betreiber:innen Luca Erdös, Janina Reimmann und Urs Rüegg haben direkt neben dem Lochergut eine neue Bleibe gefunden. Sie sind gemeinsam mit Peter Rüegg und Luca Crivelli gar Stockwerkeigentümer:innen des über hundertjährigen Hauses, in dessen Erdgeschoss früher die Derby Bar und ein Postkartenhändler ansässig waren. Noch immer ist die mit Strassenkunst verzierte Fassade mit Café Galerie angeschrieben.

Kurz nach der Eröffnung der Derby Pizza Anfang November herrscht vor dem Mittag bereits reges Treiben in dem mit Kronleuchtern ausgestatteten Lokal. Die beiden Pizzaöfen sind bereits eingefeuert, auf den langen Holztischen wird das Besteck und in der Küche frischer Basilikum bereitgestellt. Die rot gestrichene Bartheke wird wohl bei so manchem Gast nostalgische Gefühle wecken, ist es doch die gleiche wie schon in der Rothausbar.

Mitbegründer Luca Erdös steht hinter dem Tresen und bietet Kaffee an. Ein halbes Jahr lang hat er mit dem ehemaligen, bereits pensionierten Besitzer des Lokals regelmässig Gespräche geführt, bis er und seine Mitstreiter:innen schliesslich den Zuschlag für den Kauf erhielten. «Es brauchte viel Zuhören und das Vertrauen, dass wir hier weiterhin Gastronomie betreiben», so Luca. Obwohl Geld bekanntlich eine «treibende Kraft» sei, bleibe das Zwischenmenschliche eben doch ein wichtiger Faktor. Die Finanzierung sei schliesslich nur dank dem Einsatz von Familienmitgliedern zustande gekommen und ein «hochkomplexes Konstrukt».

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Urs Rüegg hat in Italien gelernt, wie man neapolitanische Pizza macht.

Pizza Niente als Übungslabor

Doch wieso nun Pizza statt Party? Bereits vor drei Jahren reiste Mitinhaber Urs nach Napoli, um sich einen lang gehegten Traum zu verwirklichen. Er wollte lernen, wie man richtig Pizza macht. Dann kam im Jahr darauf Corona und die damit verbundenen Shutdowns. Eine Bar zu betreiben war nicht möglich, Pizza backen aber schon. Quasi als Übungslabor für das heutige Lokal entstand «Pizza Niente»: «Die Betreiber:innen des Restaurants Schnupf haben uns jeweils am Sonntag und Montag für wenig Geld ihre Lokalität zur Verfügung gestellt. Wir merkten, die Nachfrage nach unseren Pizzen ist gross – das Konzept hat Zukunft.»

Mit ihrem Pizzaofen auf Rollen waren sie zur gleichen Zeit in der ganzen Stadt unterwegs und versorgten hungrige Zürcher:innen mit neapolitanischer Pizza, deren Herstellung übrigens eine hohe Kunst ist: «Unsere Pizza besteht nur aus den besten Produkten. Die Tomaten stammen aus Napoli, der Mozzarella ist aus Biel, das Mehl aus dem Piemont. Und der Teig, den lassen wir bis zu 20 Stunden aufgehen», erklärt der 32-Jährige. Im Angebot sind derzeit drei Pizzen. Luca sagt dazu: «Die Stadt hat genug fancy Sachen, die Leute sehnen sich nach Einfachheit.»

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Keine Sekunde zu lange darf die Pizza im Ofen bleiben.

Die Sache mit der Gentrifizierung

Die Betreiber:innen scheinen erwachsen geworden zu sein, sind froh, dass sie für einmal nicht aus einer Lokalität rausgeworfen werden können. «Wir waren in so vielen Zwischennutzungen zu Hause, doch hier dürfen wir endlich ankommen.» Ankommen im Kreis 4, an bester Lage. Dort, wo auch immer wieder Gentrifizierung ein Thema ist. Sie selber haben die Rothausbar an der Langstrasse früher als «Widerstandsnest gegen die Gentrifizierung» bezeichnet. Nun bestärken sie, sich seit dem Umbau in stetigem Austausch mit der Nachbarschaft zu befinden: «Wir pflanzen uns nicht einfach hierher und knallen unsere Idee hin», sagt Luca. «Wir machen jetzt mal Pizza, schauen aber, was sich künftig ergibt. Meine Vorstellung von Gastronomie ist: Du kannst einen Raum gestalten, was dann aber mit ihm passiert, kannst du nicht bestimmen.»

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Dass ihr Lokal vor allem ein Raum für Alle sein wird, zeige sich bereits jetzt: «Es kommen Eltern mit Kindern, ältere Menschen, neue Leute aus dem Quartier – unser Publikum ist schon jetzt sehr durchmischt.» Gentrifizierung könne man allen vorwerfen, die an einem hippen Ort etwas auf die Beine stellen, andererseits habe er ein Leben lang hier gewohnt, erzählt Luca. Sei sein Leben lang hier in die Beizen gegangen. «Wieso soll ich nun nicht selber eine aufmachen?» Aufwertung, Eigentum – dies könne man ihnen allen vorwerfen, was man ihnen aber nicht vorwerfen könne, sei, dass sie nicht mit dem Herzen dabei seien. «Wir geben 100 Prozent für die Pizza, wollen den besten Service bieten und das in Verträglichkeit mit dem Quartier.»

Es bräuchte mehr Räume, in denen man auch scheitern darf, ohne kommerziellen Druck.

Luca Erdös

Dass Letzteres im Vergleich zu der ehemaligen Ausgehmeile mehr Wohnbauten beherbergt, beantwortet die Frage: Geht Pizza allenfalls auch Hand in Hand mit Party? «Veranstaltet ihr auch mal Anlässe oder so?», fragt denn auch ein DJ, der sich an den Tisch gesellt hat. Das Lokal hat sich mittlerweile gefüllt, eine Mutter hat es sich mit ihrem Kind an einem Fensterplatz bequem gemacht, daneben sitzt eine junge Frau mit Kaffee und einem Buch.

Auf das Nachhaken, was denn nun mit all jenen sei, die sich den «Rothaus-Vibe» zurückwünschen, bestätigt Luca, dass auch er einen Ort vermisst, den man spontan und ohne Plan besuchen könne. Es bestehe ein grosses Bedürfnis nach solchen Orten, vor allem an der Langstrasse. Doch entweder müsse man vernetzt sein oder Geld haben, um etwas in dieser Art zu realisieren. Und alle, die jung und motiviert seien, solche Räume zu schaffen, hätten weder das eine noch das andere. «Es bräuchte mehr Räume, in denen man auch scheitern darf, ohne kommerziellen Druck. Eine Art Provitreff an der Langstrasse», findet er und fügt schmunzelnd an: «Wir haben immer gesagt, dass wir nicht ausschliessen können, dass die Stimmung bei uns im Lokal gegen den Abend ein wenig, sagen wir mal, besser wird.» Freitag- und Samstagabend werde jeweils Musik gespielt, das sei dann ein bisschen wie «Ausgangessen».

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