Ständeratswahlen: Alle lieben Jositsch
Der SP-Politiker sammelt parteiübergreifend Stimmen und wird im ersten Wahlgang in den Ständerat gewählt. Was macht Daniel Jositsch so erfolgreich? Und was bedeutet das Wahlergebnis für seine Bundesratskandidatur?
Der bisherige Ständerat Daniel Jositsch (SP) hat seinen Sitz im Kanton Zürich verteidigt. Das absolute Mehr erreichte er als einziger Ständeratskandidat im ersten Wahlgang mit 236’775 Stimmen und ist somit erneut gewählt.
Daniel Jositsch, 58 Jahre alt, sitzt seit 2015 im Ständerat. Zuvor politisierte der Strafrechtsprofessor acht Jahre lang im Nationalrat und kurz im Zürcher Kantonsrat.
2019 wurde er als Ständerat im ersten Wahlgang glanzvoll wiedergewählt, so auch dieses Jahr wieder. Jositsch ist beliebt und das über Parteigrenzen hinaus. Am meisten Kritik erhält er von eigenen Reihen – er sei zu rechts, zu liberal, heisst es immer wieder.
«Der Status als Bisheriger ist natürlich ein riesiger Vorteil für Daniel Jositsch», ist GLP-Co-Präsident Nicola Forster überzeugt. Es zeige sich immer wieder bei Wahlen, dass die Stimmbevölkerung amtierende Politiker:innen in der Regel bestätigt. Zudem vertrete Jositsch gemässigte Positionen und sei so nach links und rechts wählbar. Als Jus-Student hat Forster den SP-Ständerat als zugänglich und selbstironisch erlebt. Diese Zugänglichkeit habe ihm nun auch genützt.
Ähnlich klingt es beim FDP-Präsident Hans-Jakob Boesch: Der SP-Überflieger starte mit dem Label als Bisheriger und sei als Person zugänglich. Als klassischer Sozialdemokrat sei er bis ins rechte Lager wählbar, «da unterscheidet er sich von seiner Partei, die eher sozialistische Positionen vertritt», so der FDP-Präsident.
Kampf um zweiten Sitz
Bei den Ständeratswahlen in Zürich dreht sich vieles um die Frage, wer den frei werdenden Sitz von Ruedi Noser (FDP) übernimmt. Hier zeichnet es sich ab, dass es zu einem zweiten Wahlgang am 19. November kommen wird.
Hinter Jositsch ergibt sich ein Rennen um den zweiten Sitz in der kleinen Kammer. Der SVP-Kandidat Gregor Rutz hat mit knapp 155'000 Stimmen reelle Wahlchancen. Gefolgt von Regine Sauter mit 120'500 Stimmen. Danach folgen Tiana Moser (GLP) und Daniel Leupi (Grüne). Philipp Kutter (Mitte) macht das Schlusslicht.
Nun wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wer sich zugunsten von wem zurückziehen wird. Die SP hat ein grosses Ziel: einen bürgerlichen Ständerat zu verhindern. Heisst, um Stimmen zu bündeln, müsste sich entweder Tiana Moser oder Daniel Leupi zurückziehen.
Auch wenn die GLP der SP meist zu bürgerlich ist, könnte es strategisch Sinn ergeben, auf Moser zu setzen. Darauf angesprochen, wen die SP im zweiten Wahlgang unterstützen wird, löst bei der Co-Präsidentin Priska Seiler-Graf ein lautes Lachen aus, gefolgt von einem «kein Kommentar». Nur so viel: Man müsse sich mit den Grünen und der GLP einigen – oberste Devise: Einen Sitz für die SVP verhindern.
Und die GLP? Es gäbe keinen Grund für einen Rückzug von Moser, erklärt der GLP-Co-Präsident Forster. Stand jetzt will die Partei auch im zweiten Wahlgang an Moser festhalten und damit einen Sitz im Ständerat erobern. Natürlich müsse man sich mit den politischen Verbündeten absprechen, so Forster, denn wenn sich das linksgrüne Lager nicht auf eine Kandidatur einige, schenke man einem SVP-Hardlinder einen Sitz. Und damit sei «ja wirklich niemandem gedient». So sei Moser die einzige Option.
Die Grünen selbst waren für eine Stellungnahme noch nicht erreichbar.
Die FDP hat noch nicht entschieden, wen sie im zweiten Wahlgang unterstützen werden. Zusammen mit den Partner:innen werde man sich auf Gregor Rutz oder Regine Sauter einigen, je nachdem, wem man die höheren Wahlchancen beimisst.
Wie die Parteien mit der Situation umgehen werden und wer sich zugunsten von wem zurückziehen wird, wird sich voraussichtlich im Verlauf des morgigen Tages zeigen. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass es ein Duell zwischen Moser (GLP) und Rutz (SVP) geben wird. Setzen die Bürgerlichen auf die SVP und die Linken auf die GLP wird es interessant, wohin die Stimmen Der Mitte fliessen werden.
Jositsch will in den Bundesrat
Auch wenn Jositsch gewählt ist: Eigentlich will er Bundesrat werden und nicht Ständerat bleiben. Dies verkündete er Anfang September. Obwohl er «Höllenrespekt» habe vor diesem Amt, wolle er in der Exekutive mitarbeiten, sagte Jositsch beinahe ehrfürchtig. Hat er Zweifel, ob er dem Amt gewachsen ist? Das wäre nicht seine Natur.
Das Co-Präsidium der SP Kanton Zürich, Priska Seiler Graf und Andreas Daurù, steht hinter Jositsch. «Nach 16 Jahren in Bundesbern zählt die Meinung von Daniel Jositsch, er hat Einfluss und er kann mehrheitsfähige Kompromisse schmieden», sagte Seiler Graf damals. Und Daurù sprach den Elefanten im Raum an: seine Kandidatur als Nachfolger von Parteikollegin Simonetta Sommaruga vergangenen Winter. Damals sorgte Jositsch für Schlagzeilen, weil er als Mann Anspruch auf einen Sitz einer Frau erhoben hatte. Doch die Ausgangslage mit dem Rücktritt von Berset sei heute eine andere und Jositsch habe sich einsichtig über seinen Fehler gezeigt, so Daurù. Es sei ihm verziehen.
Alle interessierten SP-Parteimitglieder können bis zum 29. Oktober eine Kandidatur einreichen. Die Kandidierenden werden sich dann Anfang November an vier öffentlichen Hearings den Parteimitgliedern und der Bevölkerung präsentieren. Am 25. November wird sich entscheiden, wen die SP-Fraktion für das Bundesratsticket nominieren wird. Die Wahl findet am 13. Dezember statt.
Nebst Jositsch liebäugeln auch weiter SP-Grössen mit dem Amt. Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht. So äusserte bereits Roger Nordmann (Wallis), Jon Pult (Graubünden), Matthias Aebischer (Bern), Beat Jans (Basel) und Evi Allemann (Bern) ihr Interesse.
Würde Jositsch als Bundesart am schlussendlich gewählt, so käme es zu einer Ersatzwahl für den frei gewordenen Ständeratssitz. Dafür hat der Zürcher Regierungsrat bereits vorsorglich den 3. März 2024 als Wahltermin festgelegt.