Im Hauptquartier des Widerstandes – Petition gegen Abriss-Pläne der CS
Die Credit Suisse will in der Siedlung Heuried-Küngenmatt in Wiedikon mehr als hundert Wohnungen abreissen. Doch mit einer Petition von Bewohnenden, Vereinen und Verbänden formiert sich Widerstand.
Ein laues Lüftchen weht durch die Maisonettewohnung von Liliane Forster und Daniel Naef. Offen und herzlich werden die Gäste in der grosszügigen Dachgeschosswohnung der beiden empfangen. Auf der Terrasse stehen kühle Getränke und Chips bereit. Es ist eine Gemütlichkeit mit Kampfansage. Denn das Zuhause des Paares wurde in den vergangenen Monaten zum Hauptquartier des Widerstands. Dass das Treffen hier im Privaten stattfindet, ist strategisch geschickt. Jede:r soll sehen, in welchem Zustand die Wohnungen sind.
Es wirkt. Alle, die an diesem Mittwochabend die Wohnung betreten, merken an, wie schön es hier sei. Die Räume sind hell und die Küche ist modern ausgebaut. Die Böden und die Wände zeigen kaum Abnutzung. «Noch nie musste etwas neu gemacht werden», meint Daniel Naef. Die Türen und Fenster sind vergleichsweise neu und tragen jetzt die Protest-Parolen «Wir bleiben im Heuried» und «Stopp den Abriss-Wahnsinn».
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Jung und Alt machen gemeinsame Sache
Es ist die letzte Sitzung vor der Lancierung der Petition «Kein Abriss und keine Verdrängung». Naef und seine Partnerin Liliane Forster vertreten die Anliegen der Bewohner:innen und der Interessensgemeinschaft «Nicht im Heuried». Durch ihren Protest hat ihr Anliegen bereits in den vergangenen Wochen die Öffentlichkeit erreicht.
Daraufhin haben sich ihnen verschiedene Gruppierungen angeschlossen – Architektinnen, Stadtplaner und engagierte Einzelpersonen, die den Abbruch verhindern wollen. Auch an der heutigen Sitzung finden sich Mitglieder des Mieten Plenums und der Gruppierung «BEGA – Bestand erhalten gegen Abriss» ein. Weil sie sich dem Problem der steigenden Mieten und der Verdrängung annehmen, solidarisieren sich die hauptsächlich jungen Leute mit den Hunderten Bewohnenden der Heuried-Küngenmatt-Siedlung.
Auf dem Balkon der Wohnung von Naef und Forster wird nun gemeinsam der Petitionstext fertiggestellt. Die beiden Mittsechziger und die jungen Engagierten wägen jedes Wort noch einmal ab, streichen Sätze und suchen nach der besten Formulierung für ihre Forderungen. Es ist ihnen wichtig aufzuzeigen, dass der Abriss der Siedlung alle etwas angehe. Dass sich so viele Junge für die Heuried-Siedlung einsetzen, freut das ältere Paar – und gibt ihnen Hoffnung.
«Es war das Paradies»
Ein Jahr ist es her, seit die Mieter:innen die Kündigungen erreichten. Es sei für viele eine schwere Zeit gewesen, sagt Forster. Dieses Gefühl der Entwurzelung habe sie selbst aus der Bahn geworfen und es seien Monate vergangen, in denen sie schwermütig dem Auszug entgegensah. An eine Depression, die durch einen Rausschmiss ausgelöst werden kann, denke niemand, meint sie. Schliesslich nahm der Mieterinnen- und Mieterverband Kontakt mit ihr auf und ermutigte sie, sich zu wehren.
Die Interessengemeinschaft «Nicht im Heuried» wurde gegründet. Es gebe viele Nachbarn, die ihr Engagement unterstützen, selbst aber zu wenig Kapazitäten haben für den Protest. Denn es sei sehr viel Arbeit, sagt das Paar. Forster ist pensioniert, Naef hat gerade so wenig Aufträge als Kameramann, dass er den Widerstand nebenher bewerkstelligen kann. Der Einsatz der beiden wird von der Allgemeinheit geschätzt. Ihre Dankbarkeit zeigen sie in Form einer selbst gekochten Paella oder mit frischen Granatäpfeln im Briefkasten. «Es menschelt», meint Naef lächelnd.
Man kennt sich im Quartier. Nachdem das Paar im Jahre 2005 aus ihrer damaligen Wohnung geworfen worden war, liessen sie sich in der kernsanierten Siedlung Heuried-Küngenmatt nieder. «Für uns war es das Paradies», erinnert sich Daniel Naef. Sie seien stets davon ausgegangen, dass dies der letzte Umzug war und sie hier alt werden können. Erst vor drei Jahren wurden eine neue Heizung und Solarpanels zur Warmwasseraufbereitung eingebaut.
Forster und Naef gehörten nach der Kernsanierung zu den ersten Mietenden der Siedlung – und werden zu den letzten gehören. Die Credit Suisse Asset Management AG sieht hier ab 2028 «qualitätsvolle bauliche Verdichtung» vor. Deshalb wird die Siedlung komplett abgerissen und den modernsten ökologischen Standards entsprechend neu gebaut. Da in den kommenden Jahren umfassende Sanierungen nötig gewesen wären, sei ein Abriss umweltschonender, argumentiert die Eigentümerin.
Gegen den Abrisstrend
Für die Bewohnerinnen hingegen ist klar: Die Wohnungen sind im besten Zustand. Hier könne man problemlos noch mehrere Jahrzehnte günstig wohnen, ohne graue Energie zu vernichten. Auch wenn die Credit Suisse ökologisch gestaltete Grünräume plant; gemäss den Plänen der Bank kommen die jetzigen Rasenflächen, Büsche, Blumen und Bäume, die teilweise 80 Jahre alt sind, erst einmal weg.
Die Kritik kommt nicht nur von Betroffenen: Auch das internationale Netzwerk von Stadtforscher:innen INURA wandte sich in einem offenen Brief an den Bundesrat: «Die Zerstörung von preiswertem Wohnraum durch eine grosse und mächtige Institution wie der Credit Suisse in einem der reichsten Länder der Welt ist nicht zu rechtfertigen.» Daher fordern sie, dass die CS die sechs Mehrfamilienhäuser an eine gemeinnützige Wohnbauträgerin oder die Stadt Zürich verkauft.
Die nun lancierte Petition schlägt in die gleiche Kerbe. Der Stadtrat soll mit der Credit Suisse Asset Management AG in Verkaufsverhandlungen treten und die Mehrfamilienhäuser so der Spekulation entziehen. «Eigentum verpflichtet», findet Naef, «und jetzt, wo die CS uns allen etwas schuldet, wäre das elegant.» Mit dieser «eleganten» Lösung sollen 108 Wohnungen vor dem Abbruch bewahrt werden.
«Es startet im Heuried, doch es geht um viel mehr.»
Liliane Forster, Interessensgemeinschaft «Nicht im Heuried».
Das Paar, die Interessensgemeinschaft «Nicht im Heuried», die Mitglieder des Mieten Plenums, die BEGA und alle weiteren Beteiligten verstehen ihren Widerstand als Stellvertreterkampf gegen den Abrisstrend in Zürich. Es gehe nicht nur um das Heuried-Quartier, sondern um bezahlbaren Wohnraum an sich, so Forster. Durch ihr Engagement soll ein Präzedenzfall dafür geschaffen werden, dass intakte Strukturen nicht abgerissen werden dürfen. Jetzt sei der Moment, um sich zu vernetzen. «Es startet im Heuried, doch es geht um viel mehr», so Forster.
Offizieller Beginn der Petition ist der Donnerstag, 29. Juni. Ab 18.30 Uhr wird bei Kuchen und Getränken in der Siedlung Heuried-Küngenmatt gemeinsam mit Mieter:innen, Nachbar:innen und der Quertierbevölkerung die Petition gerichtet an den Stadtrat lanciert. Über den ganzen Sommer wollen Forster und Naef in Zürich auf der Strasse, an Festivals, in der Nachbarschaft und online auf Campax Unterschriften sammeln.