Die Zürcher Wohnbaustiftungen sollen zusammengeführt werden - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderats-Briefing #71: Optimierungsbedarf

Eine Mehrheit des Gemeinderats sieht Optimierungsbedarf bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Zürcher Institutionen, die für gemeinnützigen Wohnungsbau zuständig sind. Doch auf einen verbindlichen Auftrag zum grossen Umbau können sich die Fraktionen nicht einigen.

Erstmals besitzen Firmen ein Drittel aller Zürcher Wohnungen. Dabei war eigentlich angedacht, den Anteil der gemeinnützigen Wohnungen in der Stadt möglichst rasch auf ein Drittel zu bringen. Doch dieser verharrt seit vielen Jahren auf einem Viertel – die Stadt und andere gemeinnützige Wohnungsträger können im Rennen mit den Privaten kaum Boden gutmachen.

Die linken Parteien haben einige Rezepte dagegen auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Stadt mittels Wohnraumfonds mit mehr Geld zum Liegenschaftskauf auszustatten oder ihr mit einer Initiative für ein Vorkaufsrecht mehr rechtliche Mittel zu gewähren.

Auf bürgerlicher Seite sieht man vor allem das Geldausgeben kritisch und sähe gerne mehr Effizienz bei der städtischen Wohnbaustrategie. In diesem Geiste stand eine Motion, die gestern zur Diskussion kam und die die FDP zusammen mit den Fraktionen der GLP sowie der Mitte/EVP eingereicht hatte.

Illustration: Zana Selimi

Darin heisst es, die Stadt solle die drei städtischen Wohnbaustiftungen Stiftung Alterswohnen, Stiftung Einfach Wohnen und Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien mit der Dienstabteilung Liegenschaften Stadt Zürich zusammenführen. Die Stadt leiste sich ein organisatorisches Dickicht mit vier Geschäftsführungen, separaten Planungsabteilungen und Liegenschaftsverwaltungen, so Hans Dellenbach (FDP).

Eine organisatorische Zusammenführung solle für mehr Effizienz und Schlagkraft sorgen. Die unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung der heutigen Institutionen solle davon unberührt bleiben und könne auch gut unter einem Dach funktionieren. «Am Ende ist die gewünschte soziale Durchmischung in den Wohnprojekten wahrscheinlich einfacher umzusetzen, wenn sie gemeinsam angegangen werden», argumentierte Dellenbach. Ausgenommen von der Zusammenlegung solle die Stiftung PWG sein, die anders organisiert sei und dem Gemeinderat und nicht der Stadt unterstehe.

«Es ist nicht alles automatisch dumm, nur weil es vom politischen Gegner kommt.»

Patrik Maillard (AL) unterstützt die bürgerliche Idee einer Zusammenlegung der Wohnbaustiftungen.

Zunächst sah es nicht so aus, als könne sich die bürgerliche Seite mit dieser Idee gegen die linke Mehrheit durchsetzen. Matthias Probst (Grüne) sprach angesichts des Vorstosses von einem «Elefant im Porzellanladen», der nur Chaos verursache und die diversen städtischen Player auf dem Wohnungsmarkt schwäche. Simon Diggelmann (SP) pflichtete ihm bei und hob zudem die hohe politische Legitimität der verschiedenen Stiftungen hervor, die alle durch Volksabstimmungen entstanden waren.

Auch Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) fand, eine Zusammenführung würde einen gigantischen bürokratischen Aufwand bedeuten. Man arbeite bereits jetzt daran, Synergien besser zu nutzen und die Zusammenarbeit zu verstärken.

Doch wie schon häufiger in der Wohnbaupolitik war es die AL, die aus dem linken Lager ausscherte. Patrik Maillard erklärte, seine Fraktion fordere schon lange eine Zusammenlegung der Kauforganisation der drei Stiftungen. Doch trotz der Beteuerungen des Stadtrats, enger zusammenzuarbeiten, sehe man in diesem Bereich keine Verbesserungen.

Eine engere Zusammenarbeit biete grosse Vorteile, gleichzeitig könne die AL die Argumente nachvollziehen, dass dies enorme Ressourcen verschlinge. «Es ist nicht alles automatisch dumm, nur weil es vom politischen Gegner kommt», schloss Maillard. «Vielleicht hilft der Vorstoss ja, wenn er in ein Postulat umgewandelt wird.» Hans Dellenbach erklärte sich bereit, die Forderung in ein Postulat und damit lediglich in einen Prüfauftrag umzuwandeln. Er hege die Hoffnung, dass es als Zeichen für den Wunsch nach Veränderung wahrgenommen werde. Alle Fraktionen ausser der SP und den Grünen stimmten einer Überweisung zu.

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Die Kostenmiete bleibt ungenau

Optimierungsbedarf hatten auch Reto Brüesch und Jean-Marc Jung (beide SVP) gesehen, als sie vor über einem Jahr ihr Postulat für eine Überarbeitung des Mietzinsreglements eingereicht hatten. Die Kostenmiete werde angesichts des steigenden Referenzzinssatzes, des steigenden Gebäudeversicherungswerts sowie der Kosten für energetische Sanierungen in naher Zukunft steigen, heisst es im Vorstoss.

Tatsächlich sind in der seither verstrichenen Zeit die Kostenmieten bei der Stadt und den meisten Genossenschaften gestiegen, wie Brüesch, der selbst im Vorstand zweier Wohnbaugenossenschaften sitzt, ausführte. Es sei höchste Zeit, das zugrundeliegende Berechnungsmodell zu überarbeiten. Die effektiven Betriebskosten deckten sich beispielsweise nicht mehr mit den einzurechnenden Prozentzahlen, der Versicherungswert dagegen spiegele einfach nur Wertsteigerungen wider, ohne dass die Versicherungskosten so stark stiegen.

Stadt Zürich, Baukräne

Stadt der Baukräne: Wer kann sich das Wohnen hier noch leisten? (Foto: Tsüri.ch)

Für seine Ausführungen bekam Brüesch Lob von allen Seiten. Snezana Blickenstorfer (GLP) fand ebenfalls, das Modell sei zu überprüfen, und auch Christian Traber (Die Mitte) erklärte seine Unterstützung. Tanja Maag (AL) anerkannte, dass die Postulanten damit frühzeitig ein heisses Eisen ins Parlament gebracht hätten, erklärte jedoch die Passagen zu energetischen Massnahmen als Kostentreiber für Stimmungsmache der SVP. Ähnlich argumentierte Urs Riklin für die Grünen: Sanierungen und energetische Massnahmen führten in der Regel zu niedrigeren Kosten für die Mieter:innen.

Anjushka Früh (SP) brachte noch ein weiteres Gegenargument: Alle Komponenten des Kostenmietmodells würden durch das kantonale Wohnbaugesetz vorgegeben, da sei es wenig sinnvoll, auf Gemeindeebene andere Berechnungsvarianten einzuführen. Brüesch konterte, schon heute wendeten verschiedene Zürcher Gemeinden ein jeweils etwas anderes Modell an, bei nicht subventionierten Wohnungen sei das möglich.

Hans Dellenbach (FDP) erklärte, seiner Partei sei nicht ganz klar geworden, um was es den Postulanten in ihrer Argumentation gehe: «Sollen die Mieten weniger stark oder stärker steigen?» Seine Fraktion beschloss, das Vorhaben zusammen mit einer Mehrheit aus SP, Grünen und AL abzulehnen.

Weitere Themen der Woche

  1. Update fürs Personalrecht: Eine Mehrheit des Gemeinderats hiess eine Änderung des städtischen Personalrechts gut, die alle städtischen Behördenmitglieder dem Personalrecht unterstellt und nur die Stadträt:innen unter der Verordnung über Abgangsleistungen belässt. Die entsprechende Weisung ging auf eine Motion von Luca Maggi und Roland Hurschler (beide Grüne) zurück. Die SVP, die mit ihrer Initiative «Keine goldenen Fallschirme für Behördenmitglieder» (Mein Kollege Simon Jacoby hat die Initiative im Montagsbriefing kurz vorgestellt) fordert, dass nur noch abgewählte Stadtratsmitglieder eine Entschädigung erhalten, sprach von einem «Bubentrickli» wenige Tage vor der Abstimmung. Die GLP hatte beantragt, die Weisung bis nach der Abstimmung zu sistieren. Alle anderen Fraktionen waren gegen die Sistierung, doch für einen Zusatz, der eine Anwendung nur bei der Annahme des Gegenvorschlags am Sonntag vorsieht.

  1. Rente ab 60: Patrik Maillard und Tanja Maag (beide AL) forderten per Postulat, städtischen Angestellten in Berufen mit grosser körperlicher Belastung eine gut abgesicherte Rente ab 60 zu ermöglichen. Im Bauhauptgewerbe werde dies schon erfolgreich so praktiziert, argumentierte Maillard. Frank Rühli (FDP) sprach von einem «unnötigen, falschen und diffusen Ansatz», der den Fachkräftemangel noch verstärke. SP, Grüne und AL brachten es mit 55 zu 55 Stimmen nur zu einem Gleichstand, die Stimme von Gemeinderatspräsidentin Sofia Karakostas (SP) sorgte aber für eine Überweisung des Vorstosses.

  1. Reto Brüesch und Martin Götzl (beide SVP) wollten mit einer Motion erreichen, dass auf dem Gelände des ehemaligen Postpaketzentrums in der Wattstrasse neben dem Bahnhof Oerlikon zukünftig ein Wohnhaus für ältere Menschen gebaut wird. Bis zur Fertigstellung der Wache Nord werden die dortigen Räume gerade von Schutz & Rettung Zürich genutzt. Stadtrat Leupi erklärte, dass die Lärmschutzvorgaben direkt neben dem Bahnhof sowie fehlender Aussenraum das Vorhaben an diesem Ort schwer umsetzbar machten. Nach der Umwandlung in ein Postulat erklärte sich allerdings auch der Rest des Gemeinderats bereit, den Vorstoss zu überweisen. Es gab keine Gegenstimme.

  1. Sanierung der Magnusstrasse: Das ehemalige «Gammelhaus» an der Magnusstrasse im Kreis 4 wird umfassend saniert. Die entsprechende Weisung wurde gestern von allen Fraktionen ausser SVP und AL gutgeheissen. Kritisiert wurde vonseiten der AL vor allem der hohe Mietzins von voraussichtlich 2700 Franken für eine 3-Zimmer-Wohnung. Diese eher hohe Miete resultiert aus dem hohen Kaufpreis von über 6 Millionen Franken und den projektierten über 2 Millionen Franken für die Sanierung. Ein Rückweisungsantrag von AL und Grünen mit dem Auftrag für eine günstige Vermietung, beispielsweise im Baurecht an eine Genossenschaft, wurde genauso abgelehnt wie ein Rückweisungsantrag der SVP mit dem Auftrag für einen Verkauf der Liegenschaft auf dem freien Markt.

  1. In Reaktion auf das kürzlich erfolgte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Racial Profiling bei der Stadtpolizei Zürich (hier ein Kommentar dazu von meiner Kollegin Lara Blatter) verlas Moritz Bögli (AL) eine gemeinsame Fraktionserklärung von AL, SP und Grünen. Die Stadtverwaltung und die Stadtpolizei redeten den strukturellen Rassismus klein, heisst es darin. Gefordert wird eine Entschuldigung beim Betroffenen Mohamed Wa Baile sowie griffige Massnahmen wie eine unabhängige Beschwerdestelle, die von der Polizei ernst genommen werde oder die Ausgabe von Quittungen bei Polizeikontrollen. Stadträtin Karin Rykart (Grüne) wehrte sich gegen die Vorwürfe und erklärte, dass seit dem Vorfall bereits viele Massnahmen gegen Racial Profiling ergriffen worden seien. «Wir sind heute an einem anderen Punkt als 2015», sagte sie. «Es würde mich freuen, wenn Sie bereit wären, das anzuerkennen.»

  1. Für den zurückgetretenen Claudio Zihlmann (FDP) rückte gestern neu Emanuel Tschannen in den Gemeinderat nach. Gleich in seiner ersten Sitzung reichte er zusammen mit Fraktionskollegin Yasmine Bourgeois eine Schriftliche Anfrage zu Technopartys im Stadtwald ein.

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