Florian Utz: «Wer nie eine Niederlage riskiert, wird auch nie etwas bewegen» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Steffen Kolberg

Redaktor

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22. Dezember 2023 um 05:00

Gemeinderat der Woche: Florian Utz (SP)

Als Präsident der Rechnungspüfungskommission stand Florian Utz nun zwei Jahre lang während der Budgetdebatte im Rampenlicht. Mit knapp 14-jähriger Ratserfahrung liegt die Stärke des 43-Jährigen aber vor allem in der politischen Strategie.

Florian Utz, SP

(Foto: Steffen Kolberg)

«Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung sein, aber nicht gleichzeitig unterschiedliche Meinungen vertreten», erklärte Florian Utz zur Schlussrunde am dritten Tag der diesjährigen Budgetdebatte. Der Sozialdemokrat zielte damit auf die Grünen, die sich bei manchen linken Budgetanträgen nicht einig gewesen waren. So scheiterte unter anderem eine geeinte vorzeitige Positionierung gegen die Ausgliederung des Stadtspitals, welche im 2024 noch zu reden geben wird.

Das zweite Jahr in Folge hatte Utz 2023 als Präsident der Rechnungsprüfungskommission (RPK) das städtische Budget vorgestellt. Die Budgetdebatte, in der er als RPK-Vertreter der grössten Fraktion auch zu den meisten Anträgen spricht, ist die Bühne des sonst eher zurückhaltenden Parlamentariers. Im nächsten Jahr wird diese wieder etwas kleiner, denn das Kommissionspräsidium wechselt turnusmässig alle zwei Jahre.

Dass Utz sonst im Rat eher zu den Unauffälligen gehört, bedeutet nicht, dass er wenig Einfluss hat. Als einer der dienstältesten Sozialdemokraten im Gemeinderat ist der 43-Jährige bereits seit seiner Wahl 2010 Mitglied der RPK, er kennt die politischen und verwaltungstechnischen Abläufe in der Stadt. «Mein Anspruch ist es, politisch etwas zu bewegen», sagt er. Die Rolle des parlamentarischen Rechnungsprüfers bietet dabei wenig konkrete Möglichkeiten, weswegen sich Utz in seinem Gestaltungswillen als Stratege im Grossen versteht.

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Es brauche verschiedene Mosaiksteine, um politische Veränderungen umzusetzen, erklärt er. Im Idealfall ergänzten sich dabei ausserparlamentarische Mittel wie Volksinitiativen mit parlamentarischen Vorstössen wie Motionen sowie Budgetanträgen in der RPK. So habe er beim Thema Veloverkehr die Velorouteninitiative massgeblich mitgestaltet, und die jährlichen Budgetanträge für hunderte weitere Veloparkplätze seien dazugehörige Mosaiksteine auf dem Weg der Transformation.

Auch beim Thema bezahlbarer Wohnraum trage die langfristige Strategie der SP langsam Früchte, erzählt Utz nicht ohne Stolz, während er die letzten Jahre Revue passieren lässt: Zunächst habe man das Bewusstsein schaffen müssen, dass die Stadt zur Erreichung des Drittelsziels jedes Jahr mindestens 500 Wohnungen kaufen müsse. Dann habe man die geeigneten Mittel für dieses Anliegen finden müssen. Als wirkungsvoll erwiesen habe sich die Kombination aus zwei Dingen: Einerseits die Kompetenz zum Liegenschaftenkauf an den Stadtrat zu übertragen und andererseits mittels Budgetantrag eine Kaufabteilung bei der städtischen Liegenschaftenverwaltung zu schaffen. Ohne die Kompetenz zum Liegenschaftenkauf müsste der Stadtrat noch immer jeden einzelnen Hauskauf durch den Gemeinderat bringen, erläutert Utz.

Die Motion für die Kompetenzübertragung wurde gleichzeitig mit einer Motion für den Wohnraumfonds eingereicht, später wurden beide Anliegen auch gleichzeitig bei einer Volksabstimmung angenommen. Beides sind Gemeinschaftsprojekte von SP, Grünen und AL, wobei der Input für den Wohnraumfonds von Walter Angst (AL) gekommen sei, wohingegen er, so Utz, die Idee für die Kompetenzübertragung gehabt habe. Man habe sich bei den Vorhaben direkt gegenseitig unterstützt, und sie würden sich auch sehr gut ergänzen.

Doch es sind nicht nur die granz grossen Räder, an denen Utz dreht. Eine kleinere, eher unsichtbare Sache, die er bewirkt habe, sei, dass die Stadtverwaltung beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) noch Ökostrom beziehe, so der Jurist. Und im Kreis 10, wo Utz aufgewachsen ist, gilt auf der Breitensteinstrasse und der Strasse Am Wasser danke einem Vorstoss von ihm schon seit Längerem Tempo 30.

Die Projekte gehen ihm indes nicht aus. Als Nächstes schaut er auf die SP-Initiativen für die Einführung einer städtischen Prämienverbilligung sowie die Einführung eines 365-Franken-Tickets in Zürich. Durch solche Massnahmen werde der Mittelstand finanziell viel stärker entlastet als durch eine Steuersenkung um drei Prozent, rechnet er vor. Für die Betroffenen gehe es jeweils um mehrere hundert Franken pro Jahr.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
Weil ich etwas bewegen möchte. Das Amt interessiert mich nicht des Amtes wegen, sondern aufgrund des politischen Gestaltungsspielraums. Dank des Gemeinderatsmandats kann ich mich mit gezielten Vorstössen und Anträgen für mehr bezahlbare Wohnungen und für sichere Velorouten engagieren. So gesehen, ist das Amt für mich gewissermassen Mittel zum Zweck.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?
Mit allen, die engagiert für ihre Überzeugungen einstehen, gleichwohl aber den politischen Gegner respektieren und überdies auch noch Humor haben. Politik ist ein ernsthaftes Geschäft, und trotzdem muss man auch mal lachen können; besonders sympathisch finde ich es, wenn jemand auch Selbstironie hat. Auch auf bürgerlicher Seite gibt es viele Gemeinderät:innen, mit denen ich nach der Ratssitzung gerne ein Bier trinke – beispielsweise mit Stephan Iten (SVP).

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?
Gerade letzte Woche habe ich mich darüber geärgert, dass das Parlament mit sehr technokratischen Argumenten eine moderate Erhöhung der Löhne städtischer Lernender abgelehnt hat. Hier hat der Gemeinderat gegenüber der jüngeren Generation aus meiner Sicht ein schwieriges Zeichen ausgesendet. Generell gehört es in der Politik aber dazu, dass man auch mal verliert; wer nie eine Niederlage riskiert, wird auch nie etwas bewegen.

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