Michelle Huber (Grüne): «Ich kann das Wort Klimakleber nicht mehr hören» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch

5. Oktober 2023 um 04:00

Michelle Huber (Grüne): «Ich kann das Wort Klimakleber nicht mehr hören»

Solidarität, Feminismus, Nachhaltigkeit. Diese drei Werte prägen die politische Agenda von Nationalratskandidatin Michelle Huber. Doch was macht die grüne Jungpolitikerin sonst noch aus?

Eine gute politische Bildung ist Michelle Huber eine Herzensangelegenheit. (Foto: David S. und Carsten S.)

An einem sonnigen Mittwochnachmittag treffen wir die 30-jährige Michelle Huber im «Kafischnaps». Sie sitzt an einem Tisch auf der Terrasse und winkt uns fröhlich zu. Ein Mate steht bereits vor ihr. Die grüne Politikerin ist aufgeschlossen und unkompliziert. Sie war auf dem selben Gymnasium wie wir. Das Rämibühl kritisiert sie heute – zu wenig habe sie dort über Politik gelernt.

Welcher Filmcharakter repräsentiert dich am besten?  

Alex Claremont-Diaz aus «Red, White and Royal Blue». Er ist politisch und queer wie ich. 

Was hat dich auf deiner bisherigen politischen Laufbahn sonst geprägt?

Zum einen war es das Wahljahr 2019, während dem ich sehr viel Kraft und Veränderungswille gespürt habe. Auch der Abstimmungskampf zur «Ehe für alle» war richtungsweisend und emotional prägend für mich. Zudem waren die Lancierung und die erfolgreiche Einreichung der Umweltverantwortungsinitiative Highlights.

Du warst auch am Gymi Rämibühl. Hat die Vermittlung von politischen Themen in den Zürcher Gymnasien einen zu tiefen Stellenwert? 

Die politische Bildung kommt klar zu kurz. Ich musste zuerst Politikwissenschaften studieren, um den Unterschied zwischen einem Referendum und einer Initiative zu verstehen. Schüler:innen sollen zu mündigen Menschen heranwachsen und dazu gehört eine gute politische Bildung.

Am 15. September  war der internationale Klimastreik. Vor vier Jahren gingen noch deutlich mehr Leute für den Klimaschutz auf die Strasse. Wie erklärst du dir diesen Rückgang?  

Arbeitsbedingt konnte ich leider selbst nicht dabei sein. Dieser Rückgang ist sehr schade, denn wir brauchen den Druck von der Strasse. Ich denke, dass der Grund darin liegt, dass viele Leute, die 2019 noch aktiv waren, enttäuscht sind, dass so wenig passiert ist und dass die Blockadepolitik von rechter und bürgerlicher Seite viele zermürbt hat.  

Die Grüne Partei war 2011 nach der Tragödie in Fukushima und 2019, als das Klimathema omnipräsent wurde, sehr erfolgreich. Braucht es Krisenzeiten und/oder Panik, damit deine Partei gewählt wird? 

Ich denke nicht, dass der Erfolg der Grünen mit Krisen oder Panikmache zu tun hat. In Krisenzeiten passiert eher das Gegenteil: Konservative Kräfte legen zu. Es ist der Wunsch nach Veränderung, der die Leute mobilisiert, auf die Strasse und an die Urne zu gehen. 

In den letzten Monaten tauchten vermehrt Berichte über Klimaaktivist:innen auf, in denen über Klimakleber oder anderen Formen von Klima-Aktivismus berichtet wurde. Kannst du eine Radikalisierung des Aktivismus beobachten?  

Ich kann das Wort «Klimakleber» nicht mehr hören. Das ist ein Kampfbegriff von der rechten Seite. Wenn wir über dieses Thema sprechen, müssen wir darüber reden, wieso Leute zu solchen Massnahmen greifen. Und das ist, weil die Politik untätig bleibt. Ich glaube, dass die ganzen Medienberichte über radikale Aktivist:innen vom Thema ablenken und so das eigentliche Anliegen der Aktivist:innen delegitimieren.  

Linken Parteien wird vorgeworfen, dass durch ihre Politik die Energiepreise steigen würden. Gleichzeitig setzen sie sich für armutsbetroffene Menschen ein. Unter den höheren Energiepreisen leiden jedoch vor allem ärmere Leute. Ist das nicht widersprüchlich?  

Wenn wir schon früher auf die Ideen der Grünen eingegangen und zu grünen Technologien gewechselt wären, hätten wir nun keine höheren Energiepreise. Die Ideen dazu haben wir schon vor 20 Jahren auf den Tisch gebracht. Und weil wir immer noch so abhängig von fossilen Energien sind, fliesst sehr viel Geld in die Hände von Diktatoren und autoritäre Regimes. Wir wollen die ärmeren Bevölkerungsschichten mitnehmen, beispielsweise mit abgestuften ÖV-Tickets.

Zürcher Jungpolitiker:innen wollen in den Nationalrat

Dieser Text von David S. und Carsten S. enstand im Rahmen einer Projektwoche des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums Rämibühl. Im Kurs «Journalismus – im Dienste der Demokratie» entstanden Porträts von jungen Politiker:innen aller grossen Parteien, die bei den kommenden Wahlen für den Nationalrat kandidieren.

Hier findest du die weiteren Porträts.

  1. Benedikt Schmid ist nicht nur politisch in der Mitte: Das Porträt von Stephania F. und Moris B.
  1. Sanija Ameti (GLP): «Ich gab Elisabeth Kopp ein politisches Versprechen»: Das Porträt von Amatus K. und Marc R.
  1. Matthias Müller (FDP): Vom «Computer-Suchti» zum Nationalratskandidaten: Das Porträt von H. R. und Y. F.
  1. Andreas Leupi (SVP): «Die Topografie Zürichs ist unpassend zum Velofahren»: Das Porträt von Milo P. und Finn K.
  1. Florine Mitondo (Juso) will mit Protest ins Parlament: Das Porträt von Til E. und Kinga K.

Das könnte dich auch interessieren