Sanija Ameti (GLP): «Ich gab Elisabeth Kopp ein politisches Versprechen»

Sanija Ameti sitzt aktuell im Zürcher Gemeinderat. Ob die GLP-Politikerin den Sprung nach Bern in den Nationalrat schaffen wird, ist unklar. Sie spricht im Interview über ihren schlechten Listenplatz und über eine Aussage, die sie bis heute bereut.

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Sanija Ameti rät Erstwähler:innen nicht die Kandidierenden anhand ihrer Themen zu wählen, sondern anhand ihrer Werte. (Foto: Amatus K. und Marc R.)

Sanija Ameti wanderte mit ihrer Familie in den 1990er-Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Schweiz ein. Heute ist sie Co-Präsidentin der Operation Libero und Nationalratskandidatin für die GLP. Ameti sorgt immer wieder für Aufruhr, die NZZ bezeichnet sie als Phänomen Ameti». Man stösst im Internet sehr schnell auf Artikel über ihren Auftritt im SRF-Club, wo sie über SVP-Politiker gesagt haben soll: «Sie sind beides stramme SVP-Politiker und ich kann mir wahrscheinlich politisch betrachtet keinen von ihnen schön trinken.»

Wir wollten herausfinden, was für ein Mensch sich hinter den Schlagzeilen verbirgt und haben die Zürcher Gemeinderätin zum Gespräch getroffen. Punkt neun Uhr erscheint Sanija Ameti am ausgemachten Treffpunkt, sie wirkt aufgestellt. Bei Kaffee und Croissant stellen wir unsere Fragen. Schnell wird klar, dass wir mit der Erwartung, auf eine Exzentrikerin zu stossen, komplett falsch liegen. Auffällig ist, dass sie auf jede Frage eine klare, ausführliche, fast druckreife Antwort liefert. 

Mit welchem fiktionalen Charakter würdest du dich vergleichen?

Das Mädchen aus der Addams Family, Wednesday Addams. Mit ihr bin ich wirklich oft verglichen worden, vor allem in meiner Heavy-Metal-Phase während der Schulzeit an der Kanti Oerlikon. Als Metalhead sah ich wirklich auch so aus.

Hat die Schulzeit, ein Fach oder eine Lehrperson dein politisches Interesse gefördert? 

Es sind mehrere Gründe, die mich zur Politik führten. Aber in der Retrospektive merke ich, wie stark mich einige Lehrpersonen geprägt haben. Nicht wegen des Stoffes oder den Prüfungen, sondern zum Beispiel wie man rhetorisch auftritt, wie man es schafft, andere zu überzeugen, wie man gute Texte schreibt. Das sind alles Instrumente, welche mir meine Lehrer:innen mitgegeben haben, aber ich habe es erst später bemerkt.

Das prägendste Erlebnis war, als ich 2018 Elisabeth Kopp (erste Schweizer Bundesrätin und bedeutende Figur in der Einführung des Frauenstimmrechtes 1971) im Zug angetroffen habe. Das war ein Schlüsselmoment, der mich überzeugt hat, eine politische Karriere zu verfolgen. Ich musste ihr am Schluss des Gesprächs versprechen, dass ich mich in der Politik engagieren werde.

In vielen Interviews sprichst du von der Wichtigkeit, die Migrant:innen in der politischen Bewegung der modernen Schweiz haben. Wie stark vermutest du, dass sich der Anteil Stimmen von Migrant:innen in den kommenden Wahlen auswirken wird?

Die Gründer der Schweiz waren vermutlich liberale Flüchtlinge aus Europa – wie ich. Das zeigt, dass die Schweiz eine Willensnation ist, welche auch auf die politische Wirkung von Einwanderer:innen zählt. Heute hat fast die Hälfte von allen Schweizer:innen einen Migrationshintergrund. Im Parlament spiegelt sich das leider noch nicht wider. Ich bedauere es, dass viele Schweizer Bürger:innen ihre Freiheit nicht nutzen, um sich auch in der Politik zu engagieren.

Gibt es etwas, das du als Politikerin bedauerst, eine Aussage, einen Auftritt oder eine Entscheidung?

Ja, definitiv. Ich löste mit dem Auftritt im SRF-Club einen nationalen Shitstorm aus, als ich den SVP-Politiker Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt sagte, dass ich mir politisch betrachtet keinen von ihnen schön trinken könne. Ich war in diesem Augenblick nicht ganz bei der Sache und es ist mir rausgerutscht. Wenn man so etwas sagt als Politikerin, dann muss man auch dahinterstehen. Ich dachte, dass ich die Aufmerksamkeit an diesem Abend brauchen kann, später bemerkte ich, dass diese Art von Aufmerksamkeit langfristig eher schadet. Die Aufmerksamkeitsbranche belohnt den lautesten, nicht den fleissigsten – damals habe ich profitiert, doch heute bereue ich die Aussage. 

Was machst du am 4. Dezember?

Ich mache mir noch keine Gedanken zum Sessionsstart, bei mir hört es am Wahltag, dem 22. Oktober auf. Möglicherweise als Selbstschutz. Wenn ich mir jetzt schon Gedanken mache, was ich im Nationalrat alles machen will – und ich will viel machen – dann entsteht Vorfreude. Wenn ich dann nicht gewählt werde, wäre ich besonders enttäuscht. 

Die GLP hat dich auf dem 18. Listenplatz platziert. Hast du schon eine Strategie, wie du deine Chancen erhöhen kannst?

Normalerweise ist es chancenlos, auf dem 18. Listenplatz gewählt zu werden. Jede mathematische Berechnung bestätigt das. Trotzdem sichern mir Leute zu, dass ich bestimmt gewählt werde. Der Druck und die Erwartung, es doch noch in den Nationalrat zu schaffen, setzt mir eher zu. Es ist normal, auf dem 18. Platz nicht gewählt zu werden, dennoch werde ich bei einer Nichtwahl das Gefühl haben, einen schlechten Job gemacht zu haben.

Was willst du unseren Mitschüler:innen auf den Weg geben?

Sie sollen bei Politiker:innen, vor allem vor Wahlen, deren Werte beurteilen und weniger die Themen. Politiker:innen wählen sich ihre Themen, und teilweise auch das, was sie sagen, nicht immer aus. Es ist wichtig, was jemand sagt. Aber noch viel wichtiger ist, was jemand bewirken will. Fundamental sollte jede Person das Recht abzustimmen, wahrnehmen und diese Freiheit unbedingt nutzen.

Zürcher Jungpolitiker:innen wollen in den Nationalrat

Dieser Text von Amatus K. und Marc R. enstand im Rahmen einer Projektwoche des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums Rämibühl. Im Kurs «Journalismus – im Dienste der Demokratie» entstanden Porträts von jungen Politiker:innen aller grossen Parteien, die bei den kommenden Wahlen für den Nationalrat kandidieren.

Hier findest du die weiteren Porträts.

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