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Check-Ins und Plakate: So aware sind Zürcher Clubs
Awareness-Konzepte schiessen wie Pilze aus dem Boden und sind auch in Zürcher Nachtclubs abseits der alternativen Szene ein Thema. Unter Awareness wird jedoch längst nicht überall dasselbe verstanden. Wir haben bei sechs Clubs nachgefragt.
Nicht nur in internationalen Grossstädten, auch in Zürich ändert sich derzeit die Sicherheitspolitik im Nachtleben. Mitverantwortlich sind unter anderem Studio Kali, die im Hintergrund Clubs beraten, das Wellness-Team, als alternative Security-Gruppe und awareness radical, zwei Sozialarbeiter:innen, die seit kurzem Awareness-Arbeit leisten. Sie alle haben eines gemein: Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Zürcher Nachtleben sicherer und sensibler zu machen. Alle sollen sich wohlfühlen (Hier geht’s zum Artikel).
Doch neben diesen drei alternativen Awareness-Angeboten wird auch auf offizieller Ebene durch die Bar- und Clubkommission (BCK) reagiert. Bereits 2018 hat sie erstmals ein Panel mit dem Titel «Awareness im Nachtleben» organisiert und ist zudem Mitorganisatorin der Nachtleben-Konferenz, die sich im November unteranderem dem Thema «sicherer Ausgang» widmet. Alexander Bücheli, Geschäftsführer und Mediensprecher der BCK, erklärt: «Auch die Beratung von einzelnen Betrieben, wie ein Awareness-Ansatz umgesetzt werden kann, gehört zu unserem Angebot als Verband», sagt Bücheli. Dazu zähle auch Personalschulungen. Diese können kostenfrei besucht werden und greifen unter anderem auch Awareness-Themen wie den Umgang mit berauschten Gästen, Hilfe im Drogennotfall, sexualisierte Gewalt oder «Ist Luisa hier?» auf.
Bücheli erklärt jedoch: «Für die Sicherheit müssen die Betriebe selbst sorgen, hier können wir als BCK keine Verantwortung übernehmen. Wir bieten Wissen an, welches die Betriebe dann selbst in ihre Sicherheitskonzepte einfliessen lassen können. Ein gutes Beispiel ist die Werkzeugkiste vom städtischen Projekt ‹Züri schaut hin›.» Die Fachstelle für Gleichstellung hat diesen «Werkzeugkoffer Prävention für Gastrobetriebe» in Zusammenarbeit mit Awareness-Trainerin Mira Rojzman und Workshop-Teilnehmer:innen aus dem Gastro-Bereich erarbeitet und diesen Mai veröffentlicht. Er soll es Betrieben möglichst einfach machen, ihre Räumlichkeiten so zu gestalten, dass sie für alle Menschen ein sicherer Ort für Freude und Unterhaltung werden. Unter anderem werden darin Diskriminierung und sexualisierte Gewalt thematisiert und konkrete Massnahmen vorgestellt, welche die Gastrobetriebe individuell umsetzen können.
Laut der BCK würden die Züricher Clubs in punkto Awareness bereits viel leisten. «Die Zürcher Clubkultur war wohl eine der ersten, die sich im Rahmen der Zusammenarbeit mit Safer Clubbing Schweiz mit Awareness-Themen im weitesten Sinne auseinandergesetzt hat. », sagt Bücheli.
Im Zuge dessen wollten wir von einer Auswahl an Zürcher Clubs wissen, ob und wie Awareness bei ihnen ein Thema ist und welche Gedanken sie sich zu Awareness im Nachtleben machen.
Plaza Klub
Dem Plaza ist Awareness schon länger wichtig: Laut Programmleiter und PR-Verantwortlichen Tony Bolli werde ihr «männliches und weibliches Sicherheitspersonal» sowie ihr Barpersonal jeden Abend vor Schichtbeginn durch Bolli oder den Geschäftsführer darauf hingewiesen, die «Augen offen zu halten» und die Gäst:innen darauf aufmerksam zu machen, offene Getränke nicht unbeaufsichtigt stehen zu lassen.
Auf Nachfrage der erworbenen Kompetenzen im Bereich Awareness erwidert Bolli: «Ich bin seit 25 Jahren im Business. Ich verstehe es als etwas vom Wichtigsten, dass sich alle wohlfühlen und ein Safe Space gestaltet werden kann.»
Dazu hätten sie seit längerem Plakate im Club mit Aufschriften wie «Ich lass mich nicht KO-Tropfen». Zudem sei neu eine Plakatkampagne mit dem Titel «Plaza for Tolerance» geplant. Sätze wie «bad vibes don’t go with your outfit» oder «dance, drink, have fun – but leave that violence shit at home» sollen dann vermehrt im Plaza und auf dessen Instagram-Kanal stehen. Bolli erklärt dazu: «Wir müssen die Leute nicht erziehen, aber man muss freundlich sein bei uns.»
Heaven
Der «LGBTIQ+-Club» Heaven erklärt, dass sie in den Jahren 2019 und 2020 als Reaktion auf vermehrte Angriffe auf queere Personen im Niederdorf, für sechs Monate einen zusätzlichen Mitarbeitenden für die Awareness eingestellt haben. Diese Person habe besonders auf den öffentlichen Plätzen um den Club agiert. Momentan hätten sie aber keine Personen mehr, die spezifisch für die Awareness im Club angestellt seien.
«Die Zeit vom unfreundlichen Rausschmeisser ist definitiv vorbei.»
Dominik Weibel, Marketing und PR Heaven
Das Personal selbst sei geschult und habe «ein gutes Gespür für auffälliges Verhalten». Personen, die sich diskriminiert oder belästigt fühlen, könnten sich jederzeit bei den Mitarbeiter:innen melden, auch unter dem Code «Ist Luisa hier?». Die Situation würde dann mit dem:der Abendverantwortlichen angeschaut: «Je nach Fall werden dann auch übergriffige Personen für die Nacht aus dem Club verwiesen. Falls gewünscht, kann die belästigte Person auch in einem separaten Raum gebracht werden und wir überlassen dem Gast die Entscheidung, die Party unauffällig zu verlassen oder zur Party zurückzukehren.» Der Club besuche regelmässig Schulungen der Bar- und Clubkommission und stehe in Kontakt mit der Fachstelle für Gleichstellung zum Projekt «Zürich schaut hin».
Darüber hinaus sei ihr Publikum aus der LGBTIQ+ Community bereits sehr sensibilisiert auf solche Themen. Die Clubbetreiber:innen wünschen sich aber mehr Raum für einen Ruhezone in ihrem Lokal. Aufholbedarf sehen sie vor allem beim Sicherheitspersonal: «Die Zeit vom unfreundlichen Rausschmeisser ist definitiv vorbei.»
Gonzo
Das Gonzo verweist in einem kurzen Statement darauf, dass sie bislang kein eigenes Awareness-Konzept hätten und an einzelnen Fremd-Veranstaltungen ein externes Konzept übernommen hätten.
Dies empfanden sie allerdings zunehmend als nicht ausreichend. Daher arbeiten sie im Moment an einem abgestimmten Awareness-Konzept sowie an Schulungen für ihren Club, ihr Personal, sowie auch für die externen Veranstalter:innen und das externe Sicherheitspersonal.
Clubbüro – Rote Fabik
Im Clubbüro der Roten Fabrik ist Awareness seit der offiziellen Gründung im April 2019 ein grosses Thema. Gemäss Isi von Walterskirchen, Leiterin des Clubbüros, verlangt das Clubbüro seit dem Sommer 2020 von allen Veranstalter:innen ein eigens auf ihr Happening und Zielpublikum zugeschnittenes Awareness-Konzept, in dem sie sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzen und Massnahmen festschreiben. Hierfür bietet das Clubbüro selbst eine mindestens einmal jährlich stattfindende Awareness-Schulung an, die allen Veranstalter:innen und auch sonstigen Interessierten offensteht. Diese Schulung wird ergänzt durch ein laufende Beratung des Clubbüros.
«Nebst der Kommunikation, die niederschwellig und zugänglich sein soll, müssen wir vor allem Präsenz zeigen, aktiv vor Ort sein und Anlaufstellen schaffen.»
Isi von Walterskirchen, Leiterin des Clubbüros der Roten Fabrik
An den Veranstaltungen selbst stellt das Clubbüro den Veranstalter:innen stets zwei Personen des Wellnessteams, als Alternative zum konventionellen, uniformierten Sicherheitspersonal, sowie eine Ansprechperson des Clubbüro-Gremiums vor Ort. Von Walterskirchen sagt: «Ich finde es als Veranstalter:in und Clubbetreiber:in extrem wichtig, für das Wohlbefinden zu sorgen und Menschen besonders zu schützen, die mit weniger Privilegien ausgestattet sind und von den gesellschaftlichen Strukturen marginalisiert werden.»
Sie findet, jeder öffentliche Ort sollte sich darüber Gedanken machen. Allerdings könne dies leider auch «alibi-mässig» geschehen, indem man zwar zum Beispiel Plakate aufhängt, jedoch keine entsprechenden Handlungen folgen. «Nebst der Kommunikation, die niederschwellig und zugänglich sein soll, müssen wir vor allem Präsenz zeigen, aktiv vor Ort sein und Anlaufstellen schaffen.» Das beginne bereits bei der Club-Türe. Die Art und Weise, wie die Menschen begrüsst werden und sie so persönlich und individuell in die jeweilige Veranstaltung eingestimmt werden, könne enorm viel beitragen.
Zentralwäscherei
Die Zentralwäscherei (ZWZ), die seit November 2021 offiziell durch die Stadt Zürich unterstützt und von verschiedenen Kollektiven, Gruppen und Initiativen als Verein Zentralwäscherei geführt wird, bewerten ein Awareness-Konzept als essentiell für ihren Kulturort. Hierfür haben sie ein internes Awareness-Team, das bei Events stets vor Ort und ansprechbar ist, wenn sich Personen unwohl fühlen. Auch bieten sie einen «Saferspace» als Rückzugsort an. Nachts bei hoch frequentierten Veranstaltungen (vor allem Raves) machen die Awarenessmitarbeiter:innen mit allen Besucher:innen an der Türe des Events ein «Check-In», «um mit ihnen in einem kurzen ‹Innehalten› vor der wilden Nacht zu Besinnen, was nötig ist, damit alle eine angenehme und sichere Nacht erleben».
Die Stimmung im Raum sei sofort merkbar anders, wenn das Konzept nicht entsprechend umgesetzt werden kann, infolge beispielsweise eines grösseren Besucher:innen-Andrangs. Als Leitfaden gilt dabei ein Awareness- Plakat, das in den Räumen der ZWZ hängt und auch durch das Gastropersonal mitgetragen wird. Etwa viermal im Jahr gibt es Awareness-Schulungen, zu denen alle Mitarbeiter:innen eingeladen werden: «Sie sind jedoch nur für neu Angestellte Pflicht.» Zudem sei «eine bessere Gesamtkoordination zur Förderung des Austauschs» und der Reflektion unter Awarenessmitarbeiter:innen in Planung.
Exil
Regelmässig wird ein Teil des Exil-Teams im Bereich «Safer Use» geschult und Mitarbeiter:innen werden auf bestehende Angebote aufmerksam gemacht. Dass aber dennoch ein Aufholbedarf im Awareness-Bereich besteht, haben die Betreiber:innen gemerkt. «Wenn man im Rahmen von einem Awareness-Text darauf hinweist, dass man sich an der Bar melden kann, wenn man sich unwohl fühlt oder Belästigung erfahren hat, dann nützt es nichts, wenn diese Personen nicht im Rahmen von Ausbildungsangeboten darauf vorbereitet sind und wissen, wie man reagiert», sagt Marcel Zuberbühler, Club-und Produktionsleiter des Exils. Ab Dezember gibt es neu erste Schulungen für das gesamte Team durch das Beratungsbüro Studio Kali.
«Wir stehen als Club in der Pflicht, Lösungen für diese Probleme zu finden. Awareness-Konzepte könnten ein Ansatz dafür sein, daher sollte man sich damit beschäftigen.»
Marcel Zuberbühler, Club- und Produktionsleiter Exil
Er gibt zu verstehen, dass er in Zürich, beziehungsweise «unserer Gesellschaft», ein massives Problem mit sexualisierter Gewalt und Diskriminierung aller Art sieht und verweist auf Zahlen von Studien (Fachstelle für Gleichstellung, European Union Agency for Fundamental Rights), die zeigen, dass sich diese besonders nachts häufen. Zuberbühler erklärt: «Wir stehen als Club in der Pflicht, Lösungen für diese Probleme zu finden. Awareness-Konzepte könnten ein Ansatz dafür sein, daher sollte man sich damit beschäftigen.»
Wie eine Umsetzung konkret aussehen kann, sei jedoch individuell auszuhandeln, auch da «Awareness Konzepte ihren Ursprung in emanzipatorischen Bewegungen finden und deshalb kaum für sämtliche Akteure im Nachtleben 1:1 anwendbar» seien. Des Weiteren sei auch zu überlegen, was ein Club jeweils in diesem Kontext konkret leisten kann und was nicht. Schliesslich sei es auch eine finanzielle Frage, ob und wie eine vollständige Umsetzung von einem guten Konzept möglich werden kann. «Allgemein gibt es noch viel zu lernen», sagt Zuberbühler.
Investition in Awareness will gelernt sein
Das Plaza geht ganz nach dem Motto: Auf alten Pfannen lernt man kochen. Erfahrung und Plakate sollen der Situation im Nachtleben gerecht werden und die Eigenverantwortung der Besucher:innen aktivieren. Andere Orte, wie die Zentralwäscherei oder das Clubbüro sehen in Awareness-Konzepten, die eine aktive Rolle einnehmen und eine ständige Reflexion der Veranstalter:innen voraussetzen, die Zukunft. Dem scheinen auch das Exil und das Gonzo beizupflichten. Sie sind in einer Umstrukturierungsphase in Sachen Awareness.
Dennoch steht die Frage der Finanzierung im Raum, die sich infolge befristetem Personaleinsatz auch unterschwellig beim Heaven herauslesen lässt.
Auch der BCK Geschäftsführer Bücheli verweist auf eine finanzielle Problematik, da Personalschulungen mit hohen Kosten verbunden sind. Auch da viele Personen im Nachtleben Teilzeit arbeiten, wodurch pro Betrieb schnell 20 - 30 Mitarbeiter:innen geschult werden müssten. Zudem würden etwa 90 Prozent der Zürcher Nachtkulturorte keine Subventionen erhalten. Dadurch werde Awareness leider oft zur ökonomischen Frage «in einer Branche, die seit Jahren mit steigenden Kosten (Sicherheit, Infrastruktur, Personal und Gagen) und sinkenden Margen zu kämpfen hat».
Dennoch zeigt sich an dieser Thematik, wie unterschiedlich relevant Awareness gewichtet wird. Das spiegelt sich auch in den Aussagen von Studio Kali, awareness radical und Luisa Ricar vom Wellness-Team: Zwar ist die Nachfrage nach Awareness-Konzepten vergleichsweise gross, dennoch hält sich die Vorstellung, dass diese Arbeit freiwillig und/oder ganz nebenbei erledigt werden könnte. Während in den alternativen Kultur-Tempeln der Stadt schon etwas länger in die Awareness investiert wird, erhält sie trotz eines zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Umdenkens nach wie vor einen weniger essentiellen Stellenwert als beispielsweise konventionelle Security Mitarbeiter:innen oder Getränkelieferant:innen.
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