Mendy «verpisst» sich
Der FCZ löst die zweifelhafte Anstellung Benjamin Mendys frühzeitig auf. Das sportliche Risiko ging schief, der Vertrauensbruch gegenüber der eigenen Fanbasis bleibt. Ein Kommentar.
Die Entrüstung war gross, als der FCZ Anfang Februar Benjamin Mendy unter Vertrag nahm. Der Franzose wurde in der Vergangenheit mehrfach der Vergewaltigung angeklagt. Insgesamt erhoben 13 verschiedene Frauen zwischen Oktober 2018 und August 2021 Misshandlungsvorwürfe gegen den Profifussballer. Während sich die Leitung des FCZ, allen voran Präsident Ancillo Canepa, immer wieder auf den Freispruch für Mendy berief, sahen viele Fans in ihm nur eines: ein Gesicht für sexualisierte Gewalt im Profifussball. Flyer und Kleber mit dem Spruch «Verpiss dich Mendy» tauchten bald in der ganzen Stadt auf.
Ancillo Canepa und Sportchef Milos Malenovic verteidigten Mendy immer wieder. Im Tages-Anzeiger sagte der FCZ-Präsident, dass es keinen Anlass gegeben habe, an der Korrektheit der juristischen Aufarbeitung zu zweifeln. «Bekannte Fussballer sind oft begehrte Objekte, um sie auch ohne ein Fehlverhalten einzuklagen.» Damit blendet er aus, dass es im Profifussball zu so vielen sexuellen Übergriffen wie in kaum einer anderen Sportart kommt.
Verurteilungen bei sogenannten Vier-Augen-Delikten sind höchst selten. Sich auf den Freispruch Mendys zu stützen, mag juristisch korrekt gewesen sein. Die gesellschaftliche Verantwortung, die der Verein einnehmen sollte, haben sie damit aber missachtet.
Auf dem Fussballplatz enttäuschte Mendy auf ganzer Linie – keine Überraschung eigentlich. Mendy war nicht fit, immer wieder verletzt und hatte kaum Einsätze in der Vergangenheit. Der Verdacht kommt auf: Es schien dem Verein hauptsächlich darum gegangen zu sein, einen ehemaligen Weltmeister engagiert zu haben.
Statt Einsicht gibt Canepa dem inzwischen ebenfalls geschassten Trainer Ricardo Moniz im Tages-Anzeiger-Podcast «Dritte Halbzeit» die Schuld. Moniz habe Mendy zu früh eingesetzt, als dieser psychisch und physisch noch nicht bereit gewesen sei.
Benjamin Mendy wurde in nur acht Spielen aufgeboten und stand gerade mal 333 Minuten lang auf dem Spielfeld.
Fehlende gesellschaftliche Verantwortung
So findet die Misere immerhin ein baldiges Ende. Der FCZ beendet Mendys Vertrag nach knapp sechs Monaten «in gegenseitigem Einvernehmen», wie der Verein in einer knappen Mitteilung verlauten lässt. Wie es scheint nicht wegen der Vorwürfe, sondern wegen der schlechten Leistung.
Fehlentscheidungen passieren dort, wo viel auf dem Spiel steht. Und viele Entscheidungen fühlen sich im Moment beim FCZ kurzsichtig und erratisch an. Doch der eigentliche Skandal ist die fehlende Einsicht – und dass der eigenen Fanbasis kein Gehör geschenkt wurde. Canepa hob immer wieder den Persönlichkeitsschutz Mendys hervor und stellte sich schützend in die Schusslinie vor Benjamin Mendy. Wieso eigentlich? Wieso engagierte der Verein unbedingt einen mittelmässigen Spieler, der der eigenen Fanbasis so dermassen vor den Kopf stiess? Stattdessen wäre eine ehrliche Aufarbeitung angebracht. Besonders in einer Zeit, in der die Frauen-EM beweist, dass Profifussball auch ohne übergriffige Sexisten funktioniert.
Es würde dem Stadtverein guttun, die eigenen Werte zu überdenken – und seine gesellschaftliche Verantwortung und Vorbildfunktion, gerade für junge Männer, ernst zu nehmen.
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!
Yann hat an der Universität Zürich einen Master in Germanistik, Sozialwissenschaften und Philosophie abgeschlossen. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er bei 20Minuten, Tsüri.ch und der SRF Rundschau. Beim Think & Do Tank Dezentrum war Yann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und in der Kommunikationsleitung tätig. Seit 2025 ist er Teil der Tsüri-Redaktion. Nebenher ist er als Freelancer im Dynamo Zürich und bei Dachsbau Sounds unterwegs.