6 Beispiele, wie die Stadt den öffentlichen Raum gemütlich macht
Der öffentliche Raum gehört uns allen – und im Frühling können wir das endlich wieder voll auskosten! Vielerorts sorgt die Stadt dafür, dass der öffentliche Raum nicht nur praktisch sondern auch gemütlich, erlebbar und liebenswert ist.
Dieses Listicle ist bereits im April 2017 erschienen.
Tsüri hat sich mit der Expertin Sabeth Tödtli* in der Stadt umgeschaut und diese 6 Beispiele gesammelt:
1. Gemütliches Abhängen
Es wird wärmer, die Tage werden heller und die Nächte kürzer. Was gibt es da schöneres als ein Plätzchen im Halbschatten? Am liebsten liegen wir ganze Tage und Nächte auf frisch gemähten Wiesen mit Blick auf ganz viel Himmel. Zum Beispiel auf der Josefwiese, auf der Werdinsel, am See oder im Rieterpark. Das war nicht immer erlaubt: Parks waren zum Flanieren gedacht und vielerorts wurden die «Rasen betreten verboten»-Schilder erst in den 70er und 80er Jahren aufgehoben. Im 13. Jahrhundert war der Lindenhof gar die einzige öffentliche Grünanlage der Stadt.
Heute haben wir die Qual der Wahl. So auch bei der Möblierung: Nebst massenhaft Bänklis gibt es auch frei verschiebbare Stühle auf dem Sechseläutenplatz, Hängematten bei der Josefwiese, lustige orange Möbel beim Escherwyssplatz, Holzroste am Fluss...
Übrigens: Glaubst du, vor deinem eigenen Haus könnte man Tempo 20 einführen, Zebrastreifen aufheben und dem Fussvolk, den Velos und den spielenden Kindern mehr Freiheiten einräumen? Dann melde das doch dem Tiefbauamt mit der Bitte, die Umsetzung einer Begegnungszone zu überprüfen.
2. Essen & Trinken mit der Stadt
Die Stadt ist auch ein Garten, auch eine Küche, auch ein Restaurant... Während dem Zweiten Weltkrieg wurde zwecks Selbstversorgung des Landes sogar die Sechseläutenwiese mit Raps und Kartoffeln bepflanzt. Heute ist Urban Gardening keine Notwendigkeit mehr sondern Lifestyle. Mitmachen ist nicht Pflicht sondern Spass – und imfall sehr erwünscht. Grün Stadt Zürich hat 2014 Blumenrabatten mit Gemüse bepflanzt und ermutigt weiterhin zum Bepflanzen von städtischen Brachflächen. Das Tiefbauamt hat sogar ein Merkblatt herausgegeben für Zürcher*innen ohne eigenen Balkon, die vor ihrem Haus auf dem Trottoir eine private Pflanzkiste aufstellen wollen: hier.
Wir können also unser eigenes Essen anbauen, ernten und dann sofort auf den Grill werfen – grillieren ist in der Stadt nämlich grundsätzlich erlaubt (wenn man dabei keinen Schaden verursacht oder die Anwohner mit Rauch belästigt).
Wer grad nicht mit dem eigenen Kugelgrill unterwegs ist, ergattert sich eine der zahlreichen Feuerstellen: z.B. im Hardaupark, auf der Josefwiese oder Fritschiwiese, am Schindlergut oder Werdinseli, bei vielen Gemeinschaftszentren und Badis oder an den beiden städtischen Elektrogrills am See, wo man wirklich nur noch auf den Knopf drücken muss.
Und gegen den Durst? In Zürich plätschert feinstes Züriwasser aus rund 1200 Brunnen. Die Stadt hat zwei Wassersysteme: Ein normales, aus dem auch die Haushalte gespiesen werden, und eins für den Notfall, falls das andere ausfällt oder verschmutzt wird. Ein Drittel aller Brunnen sind an dieses Notsystem angeschlossen und werden direkt aus Quellen gespiesen. Nichts gegen ein wohlverdientes Feierabendbier oder das feierliche Plop beim Öffnen der Proseccoflasche – aber mal ehrlich: Welche andere Grossstadt hat öffentliches Mineralwasser?
3. Baden im Glück
Apropos Brunnen: Das Baden in Zürichs Brunnen ist erlaubt. Falls Fluss und See mal zu weit weg sind, oder schon voll, oder bereits zu warm, dann empfiehlt sich eine Erfrischung auf dem Bullingerplatz, dem Hallwylplatz oder in einem der wunderschönen Altstadtbecken. Wer sich trotzdem lieber in der Kabine umzieht, unter Aufsicht schwimmt und danach warm duscht, hat 18 städtische Freibäder zur Wahl. Manche davon sind sogar gratis: z.B. der Obere und Untere Letten, die Werdinsel oder der Katzensee.
4. Spiel & Sport
Auch gratis sind diverse Spiel- und Sportplätze in Zürich: Da spielen wir Beachvolleyball am oberen Letten oder auf der Josefwiese, üben uns mit dem Skateboard unter der Kornhausbrücke oder neben der Bäcki, spielen auf dem Hardhof Tennis (Achtung: kostet ein wenig & reservieren lohnt sich!) oder Fussball auf einer der vielen Wiesen bei Schulhäusern (z. B. Aemtler, Neubühl uvm.). Und für alle, denen ein Parkour quer durch die Stadt zu gefährlich oder zu möchtegern ist, gibt es immer noch die retrostyle Vitaparcours und anderen Waldlaufstrecken auf dem Höngger-, Käfer-, Zürich- und Uetliberg. Richtig fit ist, wer vorher mit dem Velo den Hügel hochtrampt. Für den richtigen Schwung bergab füllt man den Schlauch noch rasch an einer der öffentlichen Pumpstationen von Züri rollt.
Zurück in der Stadt steht an jeder zweiten Ecke (gefühlt!) ein öffentlicher Pingpongtisch (Juhuu, noch eine Karte). Andere erwachsene Kinder rutschen gerne auch mal auf die Kanzleiwiese, schwingen sich vom Hügel im Bullingerhof oder schaukeln an der Limmat beim Wipkingerpark oder am Ypsilon hinter dem Albisriederplatz verliebt in die Nacht.
Und dann in der Nacht?
5. Feiern im Freien
Mit einer heftigen Demonstration forderten junge Zürcher*innen im Herbst 2011 mehr Freiraum in der Stadt. Darauf reagierte die Stadt mit einer europäischen Neuheit: eine Jugendbewilligung für unkommerzielle Outdoor-Partys, mit der 18- bis 25-Jährige draussen feiern dürfen.
Der zuständige Stadtrat Wolff zeigte sich an der Diskussion von Tsüri offen, dieses vereinfachte Bewilligungsverfahren für Freiluftpartys auch älteren Zürcher*innen zu ermöglichen. Bis dahin feiert Alt halt mit Jung oder beschränkt sich auf offizielle Strassen- und Quartierfeste.
6. Öffentliche Kunst & Stadt selber machen
Kunst im öffentlichen Raum ist meist Sache der kiör und berührt uns eher selten, wenn sie uns überhaupt auffällt. Es kommt aber vor, dass die Stadt Kunstwerke genehmigt, kuratiert oder zumindest vorschlägt (Beispiel Hafenkran oder Nagelhaus), welche tatsächlich für Aufsehen sorgen und eine öffentliche Debatte auslösen. Zum Beispiel darüber, was Kunst leisten soll, oder was wir als Stadt mit unserem Mut zur Kunst ausstrahlen wollen.
Daneben gibt es aber auch niederschwellige Möglichkeiten, selbst künstlerisch im Stadtraum aktiv zu werden: Strassenmusik machst du legal am Seeufer oder beispielsweise auf dem Tessiner-, Helvetia-, Turbinen- oder Escherwyssplatz, für Sprayer*innen gibt es offiziell erlaubte Flächen zum ausprobieren und austoben. Kleben, säen, performen, oder vorhandene Dinge neu ordnen oder umdeuten sind alles Grauzonen, die es auszutesten gilt. Die Initiativen Res Publik & Stadtstattstrand laden Ende August zum Bänklibaufestival Hansbank in allen Gassen.
Eins dürft ihr nicht vergessen: Die Stadtverwaltung verwaltet EURE Stadt! Sie ist aber nicht allwissend und deshalb auf eure Inputs angewiesen. Passt euch was nicht? Dann meldet das. Oder habt ihr eine Idee, was euer Quartier noch lässiger machen könnte? Kleine, leicht umsetzbare Vorschläge haben gute Chancen. Am besten schickt ihr diese als Team oder lose Interessensgruppe (und vielleicht sogar mit ein paar unterstützenden Unterschriften aus eurer Strasse) an die Verwaltung. Bei grösseren Visionen verbündet ihr euch besser mit dem Quartierverein oder mit einer politischen Partei.
Dass sich trotz alledem nicht alle im öffentlichen Raum willkommen fühlen, und wie die Stadt und private Eigentümer teilweise dazu beitragen, haben wir im letzten Artikel beschrieben. Auch dass die Verschönerung und Aufwertung des öffentlichen Raumes oft zur Verteuerung der umliegenden Mieten und somit zu Verdrängung führt, ist ein noch ungelöstes Problem. Die Stadtentwicklung wird durch unterschiedlichste Akteure, Argumente und Kräfte aufgehalten oder vorangetrieben. Das macht die Stadt so vielschichtig und komplex, dass man rasch den Überblick verliert und das Thema den Expert*innen überlässt – aber die Entwicklung unserer Stadt geht uns alle an! Deshalb bieten der Pavilleon und die Stadtentwicklungsplattform Nextzürich regelmässige Inputs und Workshops zum Thema und laden euch dazu ein, die Stadt in Frage zu stellen, neu zu denken und euch einzumischen.
* Sabeth Tödtli ist Expertin für städtische Spiel- und Freiräume. Sie träumt, forscht, lernt und vermittelt an der Schnittstelle von Stadtentwicklung, Alltagsraum und DIY. Sie ist Mitbegründerin vom Kollektiv zURBS, der partizipativen Stadtentwicklungs-Plattform Nextzürich und dem Forschungsnetzwerk Hidden Institute. Sabeth studierte Architektur an der ETH Zürich und in Glasgow, sowie Urbanistik in Brüssel, Wien, Kopenhagen und Madrid. Heute lebt sie in Zürich und Berlin und organisiert seit letztem Sommer die Zwischennutzung Pavilleon am Zürcher Werdmühleplatz.
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