12 Kreise, 12 Beizen: Wiesn-Fieber im Sternen in Albisrieden

In der Gastroreihe «12 Kreise, 12 Beizen» besucht Tsüri.ch jeden Monat eine Quartierbeiz in einem anderen Kreis. Im Kreis 9 fällt die Wahl auf den Sternen in Albisrieden, der bei unserem Besuch komplett in blau-weiss dekoriert ist.

Sternen Albisrieden
Dieser «Stern» befindet sich am Albisrieder Firmament... (Bild: Seraina Manser)

Ein Donnerstagmittag Ende September: Es regnet in Strömen auf die zig Baustellen, die rund um das «Albisrieden Dörfli» aus dem Boden wuchern. Um zur Türe des Gasthof «Sternen» zu gelangen, müssen sich die Gäste einen Weg durch die parkierten Autos auf dem Vorplatz bahnen. Beim Betreten des Gasthofs stechen zwei Dinge sofort ins Auge. Erstens: An jedem Tisch gilt ein anderer Dresscode. Da sitzen vier Männer mit grauen «Schöb Holzbau»-Pullovern, daneben zwei ältere Herren in schwarzen Jacken mit der grünen Aufschrift «Heizsysteme» und einen Tisch weiter tragen alle dieselbe knallorange Weste. Praktisch jeder Tisch ist besetzt. Die Frauenquote beträgt weniger als zehn Prozent. Es scheint, als ob heute sämtliche Bauarbeiter der umliegenden Baustellen den Sternen für «Rippli und Speck» und ein bisschen Trockenheit und Wärme aufgesucht haben. 

Sternen Albisrieden
Wann wird denn hier «o'zapft?» (Bild: Seraina Manser)

Zweitens: Die Gaststube ist komplett im Wiesn-Fieber. Blau-weisse Plastikgirlanden schlängeln sich durch den ganzen Raum. In der Mitte der Decke hängen Ballone. Die Tische sind mit Tüchern in denselben zwei Farben bedeckt. Der Fernseher und das Buffet sind ebenfalls mit blau-weissen Fähnchen geschmückt. Kein Zweifel, auch hier am Stadtrand von Zürich wird «o’zapft». Der Flyer auf dem Tisch verspricht für das kommende Wochenende musikalische Unterhaltung von «Voll Bluat – dem Duo mit Herz und Leidenschaft», Gitarre und Akkordeon. Und Schnäuzern.

Noch ist noch nicht «o’zapft», Bier wird trotzdem schon getrunken und für Unterhaltung sorgen die Wortfetzen, die durch den Raum getragen werden: «Läck, du mir am Tschöppli», klingt's vom runden Stammtisch her. Am Nebentisch reden drei junge Schreiner über die Arbeit: «Wennd dem zueleugsch bim Schaffe, schloft der s’Gsicht i.» Und weiter von einem Bierfest in Deutschland, an dem es eine Stunde Freibier gebe.

«Die Speisekarte scheint sich seit dem 19. Jahrhundert nicht gross verändert zu haben»

Der «Sternen» ist ein Traditionslokal. Seit circa 1880 gibt es die Gaststätte, ganz sicher bezüglich des Eröffnungsjahrs sind sich die Gastgeber:innen nicht. Fakt ist: Damals gehörte Albisrieden noch nicht zu Zürich, erst 1935 wurde das Dorf eingemeindet. Die Butzenfenster und der Kachelofen beweisen, dass das Lokal nicht vor kurzem eröffnet wurde. Auch die Speisekarte scheint sich seit dem 19. Jahrhundert nicht gross verändert zu haben: Frische Kalbsleberli, Rippli und Speck und Entrecôte stehen auf dem Menü. Als Beilagen werden Salzkartoffeln, Sauerkraut und Rösti gereicht. Dazu bestellen die meisten einen «Chübel», also Halbliter, Süssgetränk. Ich entscheide mich für eines der zwei vegetarischen Gerichte auf der Karte, für eine Gemüse Spätzli Pfanne.

Sternen Albisrieden
Eine stimmige Komposition aus Metzgete, Butzenfenster und Aschenbecher. (Bild: Seraina Manser)

Obwohl Teller im Akkord über das Buffet geschoben werden, dauert es erstaunlich lange, bis das Essen kommt. Kein Problem, ich schaue mir einfach die Deko an: Da steht zum Beispiel die Glocke eines Jassclubs, die bei einem «Match» geklingelt werden darf. 15 verschiedene Sorten Grappa thronen auf einem Regal und eine leere Kuchenvitrine staubt vor sich hin. 

Sternen Albisrieden
Krauses Peterli gehört auf jedes Beizengericht. (Bild: Seraina Manser)

Die Handwerker haben ebenfalls keine Eile, bestellen noch ein «Kaficrème» und Vermicelles, bevor sie sich wieder nach draussen in den Regen wagen. Die Gemüse Spätzli sind, wie es sich für Beizen-Büezer-Küche gehört, mit krausem Peterli dekoriert, mit Käse überbacken und in Rahm geschwenkt. Die ganze Portion ist zu deftig, für all jene, die nicht auf dem Bau arbeiten. Langsam leert sich die Gaststube. Die Kellnerin verabschiedet viele Gäste mit Namen: «Ciao Hugo. Gueti Besserig, gell!» Nur am Stammtisch bleiben zwei Herren vor ihren Stangen zurück. Ob die auch noch dort sitzen, wenn in gut 24 Stunden die Live-Musik durch die Stube schallt? 

12 Kreise, 12 Beizen

Im Jahr 2022 reist Tsüri.ch Monat für Monat in einen anderen Kreis und setzt sich einen Abend lang in die dortige Quartierbeiz. Die kulinarische Reise beginnt im Januar im Kreis 1 und endet im Dezember in Schwamendingen im Kreis 12. Hinweise für die Beiz, die wir in deinem Quartier besuchen sollen, kannst du hierhin schicken.

1. Tsüri.ch versucht die Balkenprobe in der Oepfelchammer


2. Kalbszüngli und Kegeln im Muggenbühl


3. Radio 24 und Röschti im Bahnhöfli Wiedikon


4. Hüttenzauber am Hallwylplatz


5. Seitan Cordon bleu im Eisenhof

6. XXL Cordon bleu im Restaurant Haldenbach


7. Pastel de Nata mit Diner-Feeling

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