12 Kreise, 12 Beizen: Pinsa neben der Baustelle
Wir haben die Gastroreihe «12 Kreise, 12 Beizen» im Rahmen unserer Schwamendingen Woche nochmals aufleben lassen. Im Kreis 12 führt die Serie das Team in die Restaurant Dreispitz in Sichtweite zur Baustelle der Einhausung Schwamendingen.
Näher an einer Autobahn kann ein Restaurant, das keine Autobahnraststätte ist, kaum liegen: Das Dreispitz befindet sich einen Steinwurf von der A1 entfernt. Von den vorbeirauschenden Autos und Lastwagen ist nichts zu hören. Der Abschnitt zwischen der Verzweigung Zürich Ost und dem Schöneichtunnel wird gerade eingehaust. Bereits seit fünf Jahren wird hier gebaut, im Sommer 2024 soll die Einhausung fertiggestellt sein. Dann wird auf dem Autobahndeckel der Überlandpark gepflanzt. Noch dominiert das Grau der Betonlandschaft. Durch die grossen Fenster des Restaurants sehen die Gäste direkt auf eine hohe Betonwand und einen gigantischen gelben Kran. Es ist der Primespot für passionierte Baustellenbeobachter:innen und Pinsa-Liebhaber:innen.
Seit 2001 führt Jasmin Caiazzo-Brenner zusammen mit ihrem Mann das Dreispitz im Schwamendinger Quartier Saatlen. Im Erdgeschoss befindet sich das Restaurant, in den oberen Geschosse sind Wohnungen. Über der Türe prangt in roten Leuchtlettern der Name des Restaurants. Das hellblaue Gebäude gehört der Wohngenossenschaft Asig. 2027 oder 2028 soll es saniert oder gar abgerissen werden. «Wir haben noch keine konkreten Angaben, was dann genau passiert», sagt Jasmin Caiazzo-Brenner.
Polizist:innen und Senior:innen
Man könnte meinen oder gar hoffen, dass die Baustelle neben Dreck und Lärm dem Dreispitz auch viele zusätzliche Mittagsgäst:innen beschert. Doch die Gastgeberin verneint. Die meisten Bauarbeiter:innen würden sich direkt in der Baracke verpflegen, regelmässig kämen «höhergestellte» Arbeiter:innen vorbei. Die negativen Aspekte der spektakulären Baustelle würden überwiegen: Wer von Schwamendingen mit dem Auto ins Dreispitz kommen will, muss einen grossen Umweg durchs Quartier fahren. Während zweieinhalb Jahren verkehrte der Bus zudem auf einer anderen Strecke und die Unterführung für Velos und Fussgänger:innen wurde erst kürzlich wieder geöffnet. «Wenn du hier nicht vorbeifährst, vergisst du das Restaurant», erklärt die Gastronomin. Groll gegenüber der Baustelle ist ihrer Stimme dennoch nicht anzuhören. Das Paar scheint sich mit der Situation abgefunden zu haben. Die Schliessung der Unterführung wurde diesen Frühling um ein Jahr verlängert: «Hätten wir das gewusst, hätten wir gekündigt», erzählt die Inhaberin in diesem Beitrag über die Gewinner:innen und die Verlierer:innen der Autobahn-Einhausung.
An diesem Montagmittag ist das Restaurant mittelmässig besucht. Eine Gruppe Polizist:innen sitzt in der Nähe des Eingangs, drei Senior:innen am Tisch neben dem Zeitungsständer mit Blick und Tagblatt der Stadt Zürich.
Die Tische sind mit pastellgelben Tüchern und Sets mit Rivella-Werbung gedeckt. Auf dem Menü steht Pinsa, eine Art Brot, das nach dem Backen belegt wird. Die Pinsa Leggera zum Beispiel mit Auberginen, Zucchetti, Artischocken und Pesto. Franco Caiazzo kommt ursprünglich aus Italien, deshalb auch der italienische Touch der Karte. Für die Schweizer Seite sorgt Jasmin Caiazzo-Brenner. «Besonders beliebt ist unser Cordon bleu», sagt sie.
Wir sind in Zürich und nicht in Basel
Die Mutter der Gastronomin ist in Schwamendingen aufgewachsen, Jasmin selbst in Dübendorf. Nach einer Station im Zürcher Oberland hat sie wegen der Einschulung der Kinder entschieden, in die Stadt zu ziehen. Über eine Freundin hat sie vom frei werdenden Lokal im Dreispitz erfahren und so kommt es, dass das Paar seit 22 Jahren hier in Schwamendingen wirtet. Über die zwei Dekaden hinweg hat sich eine Stammkundschaft gebildet. «Abends hopsen die Gäste von Tisch zu Tisch – man kennt sich», sagt sie. Regelmässig werden im Dreispitz auch Fussballspiele übertragen. Bald steht ein Spiel von AC Milan auf dem Programm: «Das wird heiss», so Caiazzo-Brenner.
Eine Frage muss noch geklärt werden: Warum steht auf der Webseite gross «ACHTUNG: WIR SIND IN ZÜRICH NICHT IN BASEL»? In Basel gibt es einen Namensvetter und es sei öfters vorgekommen, dass Leute aus Basel im Zürcher Dreispitz Pizza bestellt hätten und diese dann nie abgeholt wurde.
Die Mittagspause ist vorbei. Männer in oranger Leuchtkleidung greifen geschäftig zu ihren Werkzeugen: «Wenn etwas erneuert werden muss, dann ist es einfach so» , sagt die Restaurantleiterin nüchtern und wirft einen Blick auf die Baustelle. Bis dem Dreispitz die Abrissbirne droht, serviert es weiterhin leckere Pinsa inklusive Aussicht auf die grösste Baustelle der Stadt.
12 Kreise, 12 Beizen |
Im Jahr 2022 reist Tsüri.ch Monat für Monat in einen anderen Kreis und setzt sich einen Abend lang in die dortige Quartierbeiz. Die kulinarische Reise beginnt im Januar im Kreis 1 und endet im Dezember in Schwamendingen im Kreis 12. Hinweise für die Beiz, die wir in deinem Quartier besuchen sollen, kannst du hierhin schicken. 1. Tsüri.ch versucht die Balkenprobe in der Oepfelchammer 2. Kalbszüngli und Kegeln im Muggenbühl 4. Hüttenzauber am Hallwylplatz 5. Seitan Cordon bleu im Eisenhof 6. XXL Cordon bleu im Restaurant Haldenbach 7. Grillierte Mango im Wilden Mann 8. Pastel de Nata mit Diner-Feeling |