«Zürich soll nicht grauer, sondern grüner werden»

Die kommunalen Richtpläne wurden angenommen, die städtischen Behörden können nun auf ihrer Grundlage die weitere Entwicklung in Zürich planen. Kommt jetzt die grosse Verdichtung der Stadt, die Öffnung der Privatbalkone und die Lahmlegung des Stadtzentrums, wie die Gegner:innen befürchteten? Drei Fragen zum Siedlungsrichtplan an Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung.

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Foto: Claudio Schwarz / Unsplash

Steffen Kolberg: Eine zentrale Befürchtung der Gegner:innen des Siedlungsrichtplans ist, dass die Zürcher:innen im Rahmen des darin enthaltenen Freiraumkonzepts zukünftig ihre Dachterrassen und Balkone öffentlich zugänglich machen müssen. Werden künftig also wirklich Fremde auf der Dachterrasse ihr Feierabendbier trinken, wenn ich nach Hause komme?

Anna Schindler: Nein. Der Richtplan will die öffentliche Nutzbarkeit und die Qualität des privaten Freiraums sichern, aber keine Eigentumsrechte angreifen. Im Richtplantext ist dies so beschrieben: «Private Freiräume im Wohnumfeld wie etwa grössere Innenhöfe, Vorgärten oder auch begehbare Dachlandschaften sollen der Erholung dienen und zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität auch im öffentlichen Raum beitragen.»

Insbesondere in den Gebieten mit baulicher Verdichtung sollen qualitativ hochwertig gestaltete Erholungs- und Alltagsräume auf privaten Flächen das Angebot öffentlich nutzbarer Freiräume ergänzen. Der kommunale Richtplan seinicht parzellenscharf und entfalte keine direkte Rechtswirkung für private Eigentümer:innen. Der Konkretisierungsgrad der Festlegungen kann, abhängig von der Bedeutung für die gesamträumliche Entwicklung, unterschiedlich ausfallen, und die Umsetzung der Festlegungen ist den nachgelagerten Planungen und Verfahren vorbehalten. Sie erfolgt je nach Sachthema mit den geeigneten Instrumenten, zum Beispiel Nutzungsplanung, vertiefende Konzepte, konkrete Massnahmenpläne etc., auf der nachfolgenden Planungsstufe.

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Anna Schindler auf der Smart City Pitch Night von Tsüri.ch 2018. Foto: Laura Kaufmann

Die EVP hatte Bedenken, die geplante Verdichtung werde zu mehr Beton und weniger Grün in der Stadt führen. Wird Zürich nun grauer statt grüner?

Der Kommunale Richtplan zeigt erstmals überhaupt konkret auf, wie die Stadt Zürich das prognostizierte Bevölkerungswachstum bewältigen will, das vom Kanton primär in urbanen Räumen gefordert wird – was raumplanerisch als Mittel gegen die Zersiedlung sinnvoll ist.

Die Stadt Zürich konkretisiert, welche Gebiete für die bauliche Verdichtung geeignet sind, und bezeichnet Flächen für die Versorgung mit öffentlichen Freiräumen sowie für kommunale öffentliche Bauten und Anlagen. Mit der baulichen Verdichtung steigt die Anforderung an eine gute Versorgung mit Freiräumen für unterschiedliche Funktionen wie Aufenthalt, Begegnung, Erholung, Ruhe, Bewegung, Spiel und Sport.

Mit der Sicherung bestehender und der Planung neuer Freiräume soll trotz baulicher Verdichtung der Versorgungsgrad an Freiräumen gehalten und wenn möglich verbessert werden. Freiraum soll nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ entwickelt werden. Indem ein zusammenhängendes Freiraumnetz über die ganze Stadt geschaffen wird, soll Zürich mit wachsender Dichte nicht grauer, sondern grüner werden.

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Die FDP dagegen glaubt, die Planung von Quartierzentren mit einem «15-Minuten-Lebensradius» des Wohnens, Arbeitens und Einkaufens würde Shopping in der Innenstadt oder ein Feierabendgetränk am See für die Durchschnittszürcher:in nicht mehr vorsehen. Ausserdem verliere die Stadt durch eine Schwächung des innerstädtischen Zentrums an Innovationskraft. Sollen wir uns bald in unsere Quartiere zurückziehen? Und wer geht dann in die Läden in der Innenstadt?

Im kantonalen Richtplan sind mit Zürich-City, Oerlikon, Zürich-Hard/Altstetten, Zürich-Nord / Oerlikon und Wallisellen / Zürich / Dübendorf-Stettbach die kantonalen Zentrumsgebiete festgelegt. Mit dem Eintrag im kommunalen Richtplan werden dazu weitere Quartierzentren auf kommunaler Stufe konkretisiert und präzisiert, die die kantonalen und regionalen Zentren ergänzen. Damit legt der kommunale Richtplan ein Gesamtsystem der Quartierzentren fest, die für lebendige, funktionsfähige Stadtteile relevant sind.

Quartierzentren sind Orte, die im Sinne einer «Stadt der kurzen Wege» auf die vielfältigen Funktionen – Versorgung, Zusammenleben, Arbeit, Begegnung, Aufenthalt, identitätsstiftende Orte, Erholung und gute Erreichbarkeit – ausgerichtet sind. An geeigneten Lagen sollen deshalb in Quartierzentren gemischte Nutzungen – zum Beispiel auch Hybrid-Konzepte für die Nahversorgung des Quartiers – in den Erdgeschossbereichen konzentriert werden. Dazu gehören Detailhandel, Dienstleistungen sowie publikumsorientierte soziale und kulturelle Angebote, die sich an die Gesamtbevölkerung richten. Die Innenstadt behält dabei ihre Bedeutung als übergeordnetes regionales Zentrum mit allen dazugehörigen Versorgungsfunktionen, die von Bewohner/innen genauso wie von den Arbeitenden in der Stadt weiterhin genutzt werden.

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