Zürcher Zunft läutet Zeitenwende ein – Frauen dürfen Mitglied werden
Schluss mit der Männerbastion: Die Zunft zur Meisen ändert ihre Statuten und nimmt Frauen als vollwertige Mitglieder auf. Wird die grösste Zunft Zürichs zum Vorbild?
Nach Jahrhunderten der Männerherrschaft öffnen sich die ersten Zünfte für Frauen. Die Zunft zur Meisen, die grösste unter den 26 Zürcher Zünften, hat entschieden: Frauen dürfen vollwertige Mitglieder werden. Wie die NZZ schreibt, stimmten am Dienstagabend 88 Prozent der Zünfter einer Statutenrevision zu, die Männer und Frauen gleichstellt.
Der Weg dahin glich einem zähen Ringen. Vor zwei Jahren wagten die Meisen-Zünfter einen ersten Schritt und liessen Zünfterstöchter als Gästinnen zu. Die Probezeit verlief offenbar zur Zufriedenheit aller.
Der Weg zur Gleichberechtigung begann im November 2022, als die Zunft zur Meisen, in einer brieflichen Abstimmung beschloss, Zünfterstöchtern die Teilnahme an allen Anlässen, einschliesslich des Sechseläutens, zu ermöglichen. Zunächst erhielten die Frauen nur Gaststatus, um ihre Beteiligung am Zunftleben zu «erproben».
Andere Zünfte ziehen nach
Andere Zünfte folgen diesem Beispiel, wenn auch zögerlich. Die Zunft zu den Drei Königen liess 2024 erstmals Frauen am Sechseläuten mitlaufen, zunächst als Test. Die Zunft Höngg zog vergangenes Jahr nach, lässt allerdings Vorsicht walten: Fünf Jahre Übergangszeit sollen den Wandel abfedern.
Erst im März 2023 sprach sich die Zunft Höngg noch gegen die Aufnahme von Frauen aus, obwohl eine Mehrheit dafür war. Wie Walter Zweifel, Zunftmeister der Zunft Höngg, auf Anfrage schreibt, seien bei der Höngger Zunft die «Frauen mit zünftiger DNA» seit Jahren vom Zunftwesen begeistert und würden sich engagieren wollen.
Inzwischen befänden sich mehrere Frauen im Aufnahmeprozess, eine von ihnen sei seit November letzten Jahres Zunftgesellin und somit Mitglied der Zunft. Ab 2029 dürfen sich alle Frauen, auch jene ausserhalb der «zoiftigen Familie», bewerben – vorausgesetzt, sie wohnen seit zehn Jahren in Höngg, haben einen Schweizer Pass und finden zwei Zunftgöttis, die sie beim Zunftbeitritt unterstützen.
«Wir bleiben den Traditionen verbunden, sind aber offen für Neues», schreibt Zweifel weiter. Um den Bedürfnissen der eher traditionell eingestellten Mitglieder entgegenzukommen, wird es laut ihm unter anderem Anpassungen bei der Sitzordnung an Anlässen geben.
Zünfte entscheiden selbstständig
Vom Zentralkomitees der Zünfte Zürichs (ZZZ) will man sich nicht dazu äussern. Das ZZZ organisiere das Sechseläuten, sei aber nicht für die Frauenfrage zuständig, sagt Victor Rosser, Kommunikationschef des ZZZ. «Jede Zunft als eigenständiger Verein entscheidet selber, wer aufgenommen wird.»
Bis vor kurzem durften Frauen beim Sechseläuten nur als Blumenmädchen oder Ehrengäste dabei sein. Die Zürcher Zünfte, gegründet im 14. Jahrhundert, waren stets Männerbünde. Erst 1989 entstand mit der Gesellschaft zu Fraumünster eine Art «Frauenzunft». Seit 2014 darf sie beim Sechseläuten mitlaufen, allerdings nur als Gast.
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