Zürcher Politik ist empört über rechtsextreme Symbole bei Polizei

Die Verbreitung von rechtsextremen Symbolen bei der Stadtpolizei Zürich schockiert die Zürcher Politik. Offenbar würden die Anweisungen der Polizeiführung nicht umgesetzt.

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Die Verbreitung des Punishers und The Thin Blue Line in der Stadtpolizei Zürich sei «sehr problematisch».

«Es gibt keine Entschuldigung für die Corps-Mitglieder oder die Polizeiführung, dass man sich dem Abgrenzungsproblem zur rechten Szene nicht bewusst sei», sagt AL-Gemeinderat Michael Schmid. Denn die aktuellen Enthüllungen von Tsüri.ch reihten sich ein in mehrere Beobachtungen von rechtsextremistischen Symbolen in Büroräumlichkeiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft. 

Im Hauptgebäude der Zürcher Kriminalpolizei hing während Monaten der Totenschädel des Punishers. Wie unsere Recherche zeigt, verbreiten fast zehn Prozent der dortigen Mitarbeitenden auf Social Media zudem The Thin Blue Line. Beides sind Symbole, die international von rechtsextremen Polizist:innen genutzt werden. Nun reagiert die Zürcher Politik auf die Enthüllungen.

Jene Polizist:innen, die den Symbolen kritisch gegenüberstehen, falle es schwer, ihre Kritik anzubringen, vermutet Schmid. Die vorherrschende Kultur in der Polizei sei problematisch. «Mitarbeitende, die in so einem Fall etwas sagen würden, werden als unkameradschaftlich angesehen und müssen auf subtile Weise soziale Isolation und Ausgrenzung befürchten.»

Die Kritik- und Diskussionskultur in der Polizei müsse sich verbessern. Und das nicht nur bezüglich der Abgrenzung zur rechten Szene, sondern für die Qualität der polizeilichen Arbeit insgesamt, so der AL-Gemeinderat.



«Höchste Zeit, dass Symbole verschwinden» 

Nicht nur innerhalb der eigenen Reihen ist die Polizei nicht kritikfähig. Auf die Recherche von Tsüri.ch wollte das zuständige Departement unter Karin Rykart nicht reagieren und verwies auf die Medienstelle der Stadtpolizei. Diese wiederum äusserte sich nicht dazu, dass der Punisher und The Thin Blue Line auch von Rechtsextremen genutzt wird und verweist auf Antworten des Stadtrates auf Anfragen aus dem Parlament. 

«Ich bin über den Umgang mit dieser Thematik irritiert», sagt Luca Maggi. Der Grüne Gemeinderat hat sich bereits im Jahr 2022 der Thematik von Motorradclubs für Sicherheitskräfte, sogenannte «Law Enforcement Motorcycle Clubs», angenommen. Dabei wollte Maggi in zwei schriftlichen Anfragen vom Stadtrat unter anderem wissen, wie dieser zum Punisher und der gleichnamigen Motorradgang steht. 

Der Stadtrat hat auf die Anfrage von Maggi den Polizist:innen eine Mitgliedschaft im Punisher verboten, dennoch hingen während Monaten zwei entsprechende Totenköpfe in einem Gebäude der Kriminalpolizei.«Antworten und Realität stehen in einem Widerspruch. Ich habe das Gefühl, dass man sich der Problematik nur vordergründig bewusst ist», so der Politiker. 

Für Maggi zeugt dies davon, «dass dieses Thema polizeiintern zumindest in einigen Kreisen auf Gleichgültigkeit stösst» und die Führungsebene die Basis mit ihrer Anweisung offensichtlich nicht erreiche. «Wenn es der Polizeiführung mit ihren Anweisungen betreffend solche Symbole ernst ist, ist es nun höchste Zeit, dass diese aus den städtischen Polizeigebäuden verschwinden», so Maggi.

Wirkungsloser Druck aus Parlament

Für die SP-Gemeinderätin Anna Graff sei es «sehr problematisch», dass Mitglieder der Stadtpolizei Symbole propagieren, die bekanntermassen von rechtsextremen Kreisen verwendet werden, und diese sogar offen in diversen Einsatzzentralen anbringen, schreibt sie auf Anfrage. Trotz des Drucks aus dem Parlament und den verschiedenen Medienberichten werde das Propagieren solcher Symbole besorgniserregender Weise offensichtlich intern geduldet und von oben kommende Anweisungen würden nicht durchgesetzt, so die SP-Politikerin Graff.  

Përparim Avdili, Präsident der Zürcher FDP und Gemeinderat, beurteilt die Situation anders. Es sei klar, dass The Thin Blue Line «ausschliesslich als Solidaritätszeichen verwendet wird und keineswegs extremistische Motive dahinter stehen». Man könne dennoch nicht ausschliessen, dass Mitarbeitende der Stadtpolizei ein Abgrenzungsproblem zur rechtsextremen Szene haben. Doch gäbe es «bestimmt kein systematisches oder strukturelles Problem», so Avdili gegenüber Tsüri.ch.

Trotzdem sollte die Polizei grundsätzlich zurückhaltend sein bei der Verwendung von jeglichen Symbolen, um das Vertrauen der Bevölkerung nicht zu verlieren.

Innerhalb der Polizei werde genug für die Extremismusprävention gemacht, denn der Stadtrat habe überzeugend dargelegt, dass diesbezüglich viel geleistet wird. Eine Untersuchung erachtet Avdili als verfrüht, «zumal die Verwendung offensichtlich nicht aus extremistischen Gründen besteht».

Die SVP der Stadt Zürich wollte die Fragen von Tsüri.ch nicht beantworten.

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