Zu Besuch in Zürichs erstem Knödel-Bistro

Eine Lebenskrise brachte alles ins Rollen: David Csögl gab seinen Job in der Lichtbranche auf, um seinen Traum zu verwirklichen. Mit seinem Freund, dem Fotografen und Filmemacher, Tolis Fragoudis, eröffnete er das erste Knödelbistro in Zürich.

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Das Restaurant Knödl an der Brauerstrasse. (Foto: Elio Donauer)

Es gibt die, die sich mitziehen lassen und dabei hinnehmen, von der Masse überspült zu werden. Und es gibt die, die sich in die entgegengesetzte Richtung bewegen: «Fische, die gegen den Strom schwimmen, bleiben in ihrem eigenen Flow», lautet das Credo von David Csögl und Tolis Fragoudis.

Unweit der Bäckeranlage hängt an einer Fassade ein rundes Schild: «Knödl» steht in weisser Schrift auf schwarzem Grund. Die Tür steht offen: Drinnen riecht es nach Butter. Ein alter Eichenparkett im Fischgrätmuster schmückt den überschaubaren Raum, hinter dem Holztresen, wo Tolis die Bestellungen der Gäste aufnimmt, zischt’s und brodelt’s: In der Küche hat David alle Hände voll zu tun. David und Tolis führen ein eigenes Knödelbistro in Zürich im Kreis 4.

Als es ruhiger wird, setzen sich David und Tolis an einen der Tische. Im Teller dampfen zwei Semmelknödel, gebettet auf einer Linsensauce, und warten darauf, gekostet zu werden. «In jedem Knödel steckt viel Liebe und ein bisschen Geist meiner Mama drin», sagt David. Der 45-Jährige erzählt von der gebürtigen Wienerin, die 2009 verstorben ist. Wie sie für die ganze Familie diese köstlichen Speisen zubereitete. War die Grossmutter in Chur zu Besuch, tischte sie extra viele Knödel auf – vor allem süsse; Zwetschgen-, Marillen- oder Germknödel. Manchmal war in einem eine 5-Schilling-Münze versteckt, die ein Familienmitglied vom Abwasch befreite. David sagt, er habe zuhause in seiner Küche ein Bild seiner Mutter hängen – «so wacht sie über mich». Seine «Mamä» habe sogar noch Zita, die letzte Kaiserin von Österreich, gekannt. «Die Kaiserin verbrachte ihre letzten Lebensjahre im St.-Johannes-Stift in Zizers, wo meine Mutter sie pflegte.»

Griess zum Verfeinern

David hat alle Rezepte und Kochbücher von seiner Mutter geerbt. Das Rezept für die Semmelknödel hat er leicht abgeändert – wie, das bleibt geheim. Drei Kilogramm Semmeln ergäben rund 120 Knödel, sagt David. Fürs Formen würden sie zu dritt – Tolis, ein Kollege und er – eine Dreiviertelstunde benötigen. Für den Teig braucht es zunächst Semmelwürfel, die David in Milch erweicht. Dann gibt er die Eier, etwas Petersilie sowie das Salz bei und vermengt alles mit den Händen. Die Zwiebeln dünstet er in der Butter an und gibt sie ebenfalls unter die Masse. Tolis zeigt auf Davids Hände: «Er hat überall kleine Schnitte vom schnellen Zwiebelschneiden.» David lacht, Tolis lacht mit. «Damit der Teig schön aufgeht, muss er für eine gewisse Zeit ruhen», weiss David. Zwischendurch gelte es, die Konsistenz zu prüfen; ist die Masse zu feucht, streut David noch ein wenig Griess hinein.

Das Bistro kam nicht von ungefähr zu seinem Namen: «Knödl» reimt sich auf Davids Nachnamen «Csögl», in beiden Fällen kommt ein «ö» vor, welches an die Form der Teigklösse erinnert. David betont: «Ich bin aber nicht der ‹Csögl-Knödl› – wir meinen es durchaus ernst!»

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Die Idee mit den Knödeln und dem eigenen «Beizli» hat jahrelang in Davids Schrank der unterdrückten Wünsche und der vergessenen Träume geschlummert. «Ich habe mich nicht getraut», sagt er. Doch gerade dann, als in seinem Leben vieles drunter und drüber ging, keimte die Idee wieder in ihm auf. Es war an einem sonnigen Sommertag – David steckte in einer Lebenskrise –, als er sich mit Tolis traf. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft: «Wir sind in Chur aufgewachsen und haben zusammen Fussball gespielt, da waren wir gerade mal acht Jahre alt», erinnert sich Tolis. An besagtem Sommertag wanderte er mit David auf den Uetliberg. Während des Aufstiegs verkündete David seinem 45-jährigen Freund: «In meinem Leben muss sich etwas ändern» – und es habe Klick bei ihm gemacht. Laufen sei eben eine Reinigung der Seele, sagt Tolis.

Weitere Knödel-Ideen sind am Entstehen

Als sich die beiden wieder auf den Abstieg machten, beschlossen sie, im Kreis 4 im libanesischen Bistro einzukehren. David imitiert den Besitzer, er erinnert sich noch gut an seinen bestimmenden Tonfall: «Du bist mein Mann! Du kaufst dieses Lokal und machst etwas daraus», habe der Libanese zu ihm gesagt. Und wirklich: Ein halbes Jahr später, Anfang Dezember 2019, übernahmen die beiden Freunde das Bistro. Dann ging alles Schlag auf Schlag: David hängte seinen Job als Innendienstmitarbeiter einer LED-Firma an den Nagel und begann mit Tolis, der hauptberuflich als Filmemacher und Fotograf arbeitet und Sony-Ambassador ist, das Bistro umzubauen. Es habe schon Momente gegeben, in denen sie sich fragten: «Spinnen wir?» Aber sie hätten immer weitergemacht. «Und hey, jetzt sind wir hier!», sagt Tolis.

Seit vergangenem März gibt es im Bistro von David und Tolis eine kleine, aber feine Auswahl an vegetarischen Knödeln zu geniessen. Vorerst stehen Semmelknödel mit verschiedenen Beilagen und süsse Marillen-, also Aprikosenknödel auf der Karte. Die Schmankerln können auch mitgenommen oder nach Hause geliefert werden. Die Getränke kommen alle aus Österreich und aus der Schweiz: Für Erfrischung sorgt etwa ein Almdudler, ein Gösser Bier oder eine Gazosa. «Ideen für weitere Knödel warten darauf, umgesetzt zu werden, aber zuerst gilt es, diese auszuprobieren», sagt David. Er habe wohl schon das gewisse «Gspüri» für Gaumenfreuden. Die Marillenknödel beziehen David und Tolis zunächst von einem externen Produzenten. Konkurrenzdenken liegt ihnen fern: So haben sie den Inhaber der Knödel Factory in Meilen in ihr Bistro eingeladen – ohne ihm vorher zu verraten, dass sie ebenfalls Knödel machen. Die Kooperation, die daraus resultierte, beschreiben David und Tolis als «Win-Win-Situation für beide Seiten». Sie fragen: «Warum gegeneinander arbeiten, wenn es auch miteinander geht?»

Knödel im Scheinwerferlicht

«Wir machen das, worin wir richtig gut sind», sagt Tolis. Während sein Freund für den Gaumenschmaus sorgt, kümmert er sich um unternehmerische Angelegenheiten und um den Augenschmaus. Als Fotograf und Filmemacher gilt seine Aufmerksamkeit dem Raumszenario, der Lichtführung und der Ästhetik. «Der Knödel steht im Mittelpunkt», sagt Tolis. Es liege daher nahe, diesen im besten Licht zu präsentieren. Dafür sorgen die Leuchten an der schwarzen Decke, die den Holztresen – «die Bühne des Knödels» – beleuchten.

Es sind diese durchdachten Überlegungen, die Liebe zum Detail – die echten Blumen auf den Tischen –, der Blick fürs stimmige Ganze und die Unverfälschtheit von David und Tolis, die dieses Lokals ausmachen. «Wir bringen unsere Energien, unsere kreativen Vibes in unser Bistro – hier drin können wir blühen», sagen sie und ergänzen: «Das Geld ist Nebensache, uns interessieren die Reaktionen unserer Kund*innen – mit welchem Gesicht gehen sie aus dem Bistro?»

David und Tolis ticken nicht im Takt der Mehrheit. Sie denken nicht darüber nach, was sie alles tun müssen, um anderen zu gefallen. Von Dogmen lassen sie sich nicht beeinflussen. David und Tolis bleiben in ihrem eigenen Flow.

Knödl Brauerstrasse 78 8004 Zürich

Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag: 12 – 13.30 Uhr / 18 bis 22 Uhr Samstag: 16 – 22 Uhr

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Die beiden Macher in ihrem Lokal (zvg).

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