Zögerlicher Rückhalt: Zürcher GLP stellt sich hinter Ameti

Sanija Ameti schiesst auf ein Jesusbild und postete es auf Instagram. Sie verliert ihren Job, bekommt Morddrohungen und die nationale Partei fordert ihren Ausschluss. Doch die Zürcher Grünliberalen stehen hinter ihr, wenn auch zögerlich.

Sanija-Ameti-Crowdfunding-Gemeinderat
Sanija Ametis Fall scheint die GLP zu spalten. (Bild: Tsüri.ch)

«Die mediale Hetzjagd, die sexistischen und rassistischen Diffamierungen gleichen einer Hexenjagd. Sie zielen auf die Zerstörung ihrer Person ab und sind total unverhältnismässig – ohne ihren Fehler versuchen, zu verharmlosen», sagt Serap Kahriman. Kahriman sitzt zusammen mit Sanija Ameti für die GLP im Gemeinderat. Als Fraktionskollegin und Parteifreundin stehe sie hinter Ameti. Auch ist sich die Gemeinderätin sicher, «wäre sie Hans Muster, wäre es niemals so weit gekommen».

Von ihrem Fehler – die Schüsse auf Maria mit Jesuskind – distanziert sich Kahriman, wie auch diverse weitere Zürcher GLP-Politiker:innen. Aber: «Auch Menschen in der Öffentlichkeit machen grosse und unüberlegte Fehler, dafür Morddrohungen zu erhalten, überschreitet alle Grenzen», sagt Carla Reinhard, ebenfalls GLP-Gemeinderätin.

Ein einziger Instagrampost hat ihre Karriere innert weniger als 24 Stunden abrupt beendet: Die grünliberale Politikerin scheidet aus der Parteileitung der Zürcher GLP aus, verliert ihren Job bei einer PR-Agentur und steht unter Polizeischutz wegen Morddrohungen. Zudem hat die GLP Schweiz ein Ausschlussverfahren gestartet. «Die Zürcher Gemeinderätin hat das Ansehen der Grünliberalen beschädigt», heisst es in der Medienmitteilung. Damit sei aus Sicht der GLP Schweiz die Voraussetzung erfüllt, um ein Ausschlussverfahren zu starten. Würde Ameti in der Partei bleiben, würde sie dieser nur noch grösseren Schaden zufügen und die GLP Schweiz lege ihr darum nahe, die Partei zu verlassen.

Auch in Zürich zeigen sich die Grünliberalen zögerlich. Zum Ausschlussverfahren äussern sich ihre Zürcher Parteikolleg:innen Reinhard und Kahriman erstmal nicht. Gegenüber dem Tages-Anzeiger lässt Co-Präsidentin der Fraktion Martina Novak durchblicken, dass für die Zürcher GLP ein Ausschluss aus dem Gemeinderat nicht zur Diskussion steht. 

Nicola Forster, der im Vorstand der kantonalen GLP sitzt und bis vor kurzem selbst Präsident der Partei war, unterstütze, dass Ameti die Parteileitung abgegeben hat und so politische Verantwortung tragen muss. Sie habe einen grossen Fehler gemacht, den sie bereue. Ein so grosser, dass sie gar aus der Partei ausgeschlossen werden müsse? Zum Ausschlussverfahren will Forster nichts sagen. 

Was Ameti aber darüber hinaus gerade erlebe, sei erschreckend. «Solche Shitstorms machen Menschen kaputt, die sich engagieren», sagt Forster. Dies sei fürs schweizerische Milizsystem verheerend. «Wir brauchen mutige, unangepasste Frauen und Männer in der Politik. Sanija Ametis Fall macht aber Angst, dass man bei einem Fehler gleich politisch, beruflich und persönlich alles verliert.»

Nebst viel Hass im Netz gibt es auch vereinzelt Solidaritätsbekundungen von Parteikolleg:innen und anderen Politiker:innen – vereinzelte Tweets und Posts. Die GLP Kanton Zürich schreibt auf Instagram: «Die Grünliberalen stellen sich entschieden gegen jegliche Form von physischer und verbaler Gewalt.» Zum geforderten Parteiausschuss schweigt die Zürcher GLP aber erstmal. Rückhalt in der eigenen Partei sieht anders aus. Ihre Stimme für Ameti erheben vor allem junge Politiker:innen aus Zürich. Es zeichnet sich ein Graben innerhalb der GLP auf: die lokalen, jungen Politiker:innen gegen die nationale Partei, die Ameti fallen lassen will – oder bereits hat.

Bis es zu einem allfälligen Parteiausschluss kommt, wird es noch dauern. Zuerst berät Ametis Kreispartei darüber, erst in einem zweiten Schritt gelangt das Verfahren dann zur Kantonalpartei. Ein erstes Treffen soll am Dienstagabend stattgefunden haben. 

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