Früher Schmuddelecke, heute teuer: Zahlen zum Seefeld

Das Seefeld hat einen atemberaubenden Wandel hinter sich. War das Quartier eher eine Schmuddelecke Zürichs, gilt es heute als sehr schick. Wir wollen wissen, wie es um den Immobilienmarkt im aufgewerteten Quartier bestellt ist. Dafür haben wir uns vier Fragen gestellt – und Antworten in den Statistiken gefunden.

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Foto: Vincent Dörig / Unsplash

Das Seefeld ist der Inbegriff der Gentrifizierung in Zürich, und das wortwörtlich. Schliesslich wird das Phänomen der Aufwertung in dieser Stadt sogar «Seefeldisierung» genannt. Das Quartier mit Seeanstoss war in den 80er Jahren bekannt für eine lebendige Beizenkultur, das Rotlichtmilieu und eine offene Drogenszene.

Heute ist es vor allem von Edelboutiquen und schicken Restaurants mit davor geparkten Luxuskarossen geprägt. Doch wem gehört das ganze Betongold im Seefeld? Wer kauft, verkauft, reisst ab, saniert? Und wie erleben die Mieter:innen die Entwicklungen? Das wollen wir mit einem grossen Rechercheprojekt herausfinden. Hier erfährst du mehr dazu:

Wem gehört das Seefeld?

Zusammen mit Correctiv und dem Quartierverein Riesbach wollen wir herausfinden, wem die Immobilien im Seefeld gehören. Dafür starten wir demnächst eine umfangreiche Crowdrecherche. Mit einem Klick auf diesen Link bleibst du über alle weiteren Entwicklungen von «Wem gehört das Seefeld?» informiert.

Zur Einstimmung haben wir vorab einige Daten zum Immobilienmarkt im Seefeld zusammengetragen und versucht, ein wenig Ordnung in den Zahlensalat zu bringen.

1. Wem gehören die Wohnungen im Seefeld?

Wem gehören die Wohnungen im Seefeld? Im Kreis 8 gibt es, Stand 2020, 1332 Mehrfamilienhäuser und 219 Einfamilienhäuser, insgesamt zählt Statistik Stadt Zürich 10’441 Wohnungen. Davon sind 773 gemeinnützige Mietwohnungen: 586 befinden sich in öffentlicher Hand, 187 gehören Wohnbaugenossenschaften.

4290 werden von kommerziellen Firmen vermietet, ungefähr gleich viele gehören einer oder mehreren Privatpersonen. 1139 sind im Stockwerkeigentum. Von den insgesamt 10’441 Wohnungen sind 878 selbstbewohntes Eigentum.

Hinweis 1

Je nach Datenquelle und Fokus der statistischen Erhebungen stehen unterschiedliche städtische Ebenen im Mittelpunkt. Deshalb betrachten wir hier manchmal nur das Quartier Seefeld, manchmal den gesamten Kreis 8, zu dem auch noch die Quartiere Mühlebach und Weinegg gehören. Der Kreis heisst eigentlich Riesbach, wie die ehemals selbständige Gemeinde, die diese drei Quartiere umfasst.

Im Seefeld sind im Jahr 2020 137 der 3639 Wohnungen in öffentlicher Hand, 1602 gehören Privatfirmen, 1645 einer oder mehreren Privatpersonen. Lediglich neun Wohnungen im Quartier sind in der Hand einer Wohnbaugenossenschaft, alle davon in der Nachbarschaft Bellerive. Das Drittelsziel, das 2011 in der Gemeindeordnung verankert wurde, ist hier also in sehr weiter Ferne. Dieses sieht vor, dass bis 2050 die Anzahl der gemeinnützigen Wohnungen in Zürich auf ein Drittel erhöht wird. Während in der gesamten Stadt momentan etwas mehr als ein Viertel der Wohnungen gemeinnützig vermietet wird, sind es im Kreis 8 lediglich sieben Prozent, im Quartier Seefeld sogar nur vier Prozent. Knapp 90 Prozent der Wohnungen im Seefeld gehören Privaten, die Hälfte davon privaten Gesellschaften wie Immobilienfirmen, Versicherungsunternehmen oder Pensionskassen.

Doch wer sind diese privaten Gesellschaften? Aus gemeinsamen Recherchen mit dem Rechercheteam Reflekt und dem Onlinemedium Republik im Jahr 2020 wissen wir, dass besonders zwei Firmen viele Wohnungen im Seefeld besitzen.

Zum einen der Versicherungskonzern Swiss Life, dem grössten kommerziellen Immobilienbesitzer der gesamten Stadt Zürich, wie wir damals herausgefunden haben.

Er besitzt 40 Grundstücke im Notariatskreis Riesbach, also dem Kreis 8. Die zweite grosse Grundbesitzerin im Seefeld ist die Ledermann Immobilien AG des Immobilienentwicklers Urs Ledermann. Er kommt aus dem Seefeld und hat dort auch weiterhin seinen unternehmerischen Schwerpunkt.

Spezialisiert hat er sich auf die hochwertige Sanierung von Altbauten, hat inzwischen aber auch einige Abriss- und Neubauprojekte im Seefeld realisiert. Auf ihrer Website hat die Ledermann Immobilien AG 22 Liegenschaften im Kreis 8 ausgewiesen, in denen sich mindestens 195 Wohnungen befinden. Bei sechs der Liegenschaften werden keine Angaben dazu gemacht, ob und wenn ja wie viele Wohnungen sich in ihnen befinden.

Hinweis 2

Während in manchen Statistiken von Wohnungen die Rede ist, sind in anderen Statistiken lediglich Grundstücke aufgeführt. Das macht das Auswerten der Daten etwas komplizierter, zumal ein Grundstück in den städtischen Statistiken nicht immer einer Liegenschaft entspricht. Es kann sich dabei um ein Ein- oder Mehrfamilienhaus handeln, aber auch um Stockwerkeigentum. In diesem Fall wird jedes Stockwerk als eigenes Grundstück gezählt. Eine genaue Definition findet sich hier.

2. Wem gehört der Boden im Seefeld?

Eine Aufschlüsselung, wie viele Wohnungen nun Pensionskassen oder Versicherungsgesellschaften gehören, gibt es von offizieller Seite nicht. Doch hier kann die Statistik zur Gebäudegrundfläche zumindest ein bisschen weiterhelfen, auch wenn hier nicht nur Wohn- sondern beispielsweise auch Geschäftsflächen mit einfliessen.

Von 57,82 Hektaren Gebäudegrundfläche im Kreis 8 gehören 16,25 einer oder mehreren Privatpersonen oder Erbengemeinschaften, ungefähr gleich viel, nämlich 16,19 Hektar, gehört Aktiengesellschaften oder GmbHs. 4,79 Hektar sind im Stockwerkeigentum, 0,51 gehören Baugenossenschaften, 8,26 Vereinen oder privaten Stiftungen, 1,02 Pensionskassen, 5,40 der Stadt, 0,14 städtischen Stiftungen, 3,99 dem Bund.

Im Seefeld gehört mehr als ein Drittel der Gebäudegrundfläche von 15,48 Hektaren Privatpersonen oder Erbengemeinschaften und mit 6,32 Hektar sogar über 40 Prozent AGs oder GmbHs. Die Stadt besitzt 1,35 Hektar, Pensionskassen lediglich 0,16 Hektar.

3. Wie viele Grundstücke haben in den letzten Jahren die Besitzer:in gewechselt und zu welchem Preis?

Anlässlich unserer Recherche zu den Eigentümer:innen der West- und der Langstrasse haben wir Ende 2020 schon einmal Daten zum Zürcher Immobilienmarkt zusammengetragen. Wie schon damals gilt auch heute noch: Die genauen Verkaufszahlen zu einzelnen Immobilien herauszufinden ist unmöglich.

Doch Statistik Stadt Zürich stellt Daten zu Medianpreisen bei Grundstücksverkäufen zur Verfügung. Diese sind allerdings auf verschiedene Bauzonen verteilt, wovon für ein aussagekräftiges Bild dann nochmals ein Medianpreis gebildet werden muss. Das haben wir hiermit erledigt:

Es zeigt sich, dass über die letzten zehn Jahre die gezahlten Grundstückspreise im Kreis 8 deutlich über den Medianpreisen der gesamten Stadt lagen, meist ungefähr doppelt so hoch. Das Quartier Seefeld hat nochmals deutlich höhere Medianpreise: Sie erreichten 2019 einen Spitzenwert von über 42’000 Franken pro Quadratmeter und lagen damit mehr als doppelt so hoch wie im Kreis 8 und viermal so hoch wie in der Gesamtstadt.

An die Preise im teuren Kreis 1, die teilweise über 80’000 Franken pro Quadratmeter gehen, reichen sie aber nicht heran. Noch schwieriger zu ermitteln als die gezahlten Grundstückspreise ist nur die Anzahl der Grundstücksverkäufe. Diese werden in der Statistik «Handänderungen» genannt (eine Definition dieses Begriffs findet sich hier).

Fielen in einer Bauzone eines Quartiers oder Kreises weniger als vier Handänderungen im Jahr an, wird aus Datenschutzgründen der Wert «1–3» angezeigt. So kommt es, dass in der Summe teilweise recht grosse Unklarheiten über die Anzahl getätigter Immobiliengeschäften bestehen bleiben.

Im Kreis 8 wechseln im Jahr ungefähr 15 bis 30 Immobilien die Besitzer:in. Während in der ganzen Stadt in den Jahren 2011 und 2012 besonders viele bebaute Grundstücke verkauft, getauscht oder vererbt wurden, blieb dieser Wert im Kreis 8 in diesen Jahren eher niedrig. Hier wurden die meisten Geschäfte in den Jahren 2015 und 2018 gemacht, nämlich etwa 30. Schaut man sich die verkaufte Grundstücksfläche an, fällt auf, dass im Seefeld 2020 so wenig verkauft wurde wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Auch im Kreis 8 und in der gesamten Stadt ging die verkaufte Fläche in der Pandemiezeit zurück, allerdings nicht so dramatisch wie im Seefeld. Wurden hier 2015 noch fast 12’000 Quadratmeter umgesetzt, waren es 2020 nicht mal mehr 2000.

4. Wie schätzen die Menschen im Seefeld ihre Wohnsituation ein?

Die Stadt hat 2021 eine Befragung in der Bevölkerung durchgeführt, die unter anderem die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation abfragte. Während die Menschen über die ganze Stadt gerechnet zu 73 Prozent ihre Wohnung als gut oder sehr gut einschätzen, sind es im Kreis 8 mit 77 Prozent sogar etwas mehr.

Im Quartier Seefeld selbst sind es wieder 73 Prozent, wobei deutlich weniger Menschen ihre Wohnung als sehr gut einschätzen. Das Quartier Weinegg ist insgesamt etwas über dem städtischen Durchschnitt. Im Quartier Mühlebach schätzen über 80 Prozent ihre Wohnung mindestens gut ein, mit 43 Prozent liegt der sehr-gut-Anteil mehr als zehn Prozentpunkte über dem städtischen Durchschnitt.

Auch bei der Bewertung der Wohnumgebung schneidet der Kreis 8 besser ab als die Gesamtstadt. Fast die Hälfte aller Befragten schätzt diese als sehr gut ein, in Mühlebach sind es sogar 56 Prozent.

Interessant ist das Bild bei der Frage, wie sich die unmittelbare Wohnumgebung in den letzten fünf Jahren verändert hat: Hier geben im Kreis 8 mit 28 Prozent deutlich mehr Menschen eine negative Veränderung an als in der Gesamtstadt (21 Prozent), und mit 18 Prozent deutlich weniger eine positive Veränderung (Gesamtstadt: 30 Prozent).

Im Quartier Seefeld finden sogar 36 Prozent, dass es sich in den letzten fünf Jahren zum Schlechteren verändert habe.

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