Was hat der Women’s March mit Lästern zu tun?
Unsere Autorin erklärt, was Komplimente im Alltag ausmachen können.
Zu dritt haben wir uns am Samstagnachmittag ins Getümmel des Women’s March gestürzt und liessen uns fotografierend und filmend von der Masse treiben:
Vorbei an kleinen Mädchen, Teenagern, älteren Frauen mit grauen Haaren, Frauen mit Turnschuhen, Frauen mit Absatzschuhen, geschminkten Frauen, ungeschminkten Frauen, Frauen mit kurzem Haar, Frauen mit langem Haar, weissen Frauen, schwarzen Frauen, dicken Frauen, dünnen Frauen, bunt gekleideten Frauen, schwarz gekleideten Frauen – und fast alle strahlten. Dieses wunderschöne, ehrliche Lachen war ansteckend.
Würden Frauenmagazine aus solchen Bildern bestehen, ich würde sie alle abonnieren. Eine junge Frau bestätigte mir meinen Eindruck, als sie zu ihrer Kollegin sagte: «Hey, ich habe heute so viele Frauen mit einem mega coolen Style gesehen, ich bin fast ein bisschen eifersüchtig!» Feminismus und die Freude an Mode und Make-up schliessen sich für mich nicht gegenseitig aus. Doch sie soll nicht Mittel zum Zweck in einem zerstörerischen Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit der Männer sein.
Als ich gefragt wurde, was denn für mich am Women’s March am eindrücklichsten gewesen sei, war mir die spontane Antwort ein bisschen peinlich: «Es gibt so viele schöne Frauen!» Mein Gegenüber lachte und erwiderte, dass sie und ihre Kollegin während dem Umzug genau das gleiche bemerkt hätten. Ich sagte darauf, ich sei der Meinung, dass wir Frauen uns gegenseitig viel öfter sagen sollten, wie schön wir (heute) aussehen und sie stimmte mir zu.
In diesem Moment klinkte sich ein junger Mann in unser Gespräch ein (er hatte mit dem Koch-Team für alle Teilnehmer*innen gekocht). «Ich würde euch das auch oft gerne sagen, doch ich getraue mich meistens nicht», sagte er etwas verlegen.
Liebe Männer, wir freuen uns, wenn ihr uns sagt, dass wir schön sind! Doch sagt nicht «du bist schön und auch noch intelligent dazu!» oder «Mit langem Haaren wärst du noch schöner» oder starrt uns während ihr es sagt auf die Brüste oder fasst uns ungefragt an den Hintern.
Allerdings glaube ich sowieso, dass diejenigen Männer, die solidarisch zusammen mit ihren Kolleginnen, Partnerinnen, Schwestern oder Müttern am Women’s March teilgenommen haben, nicht das Problem, sondern ein wichtiger Teil der gesellschaftlichen Veränderung sind. Wir brauchen mehr Hetero-Männer, die es auch mal wagen zu sagen, dass ein anderer Mann gut aussieht, ohne Angst für schwul gehalten zu werden.
Dieses Problem haben wir Frauen nicht. Voller Freude überhäufen wir unsere besten Freundinnen mit Komplimenten zu ihrem Können und ihrem Aussehen. Doch gegenüber uns unbekannten Frauen, Arbeitskolleginnen oder Bekannten sind viele von uns kritisch und sehen einander als Konkurrenz. Und das zieht sich durch alle Berufsgruppen und sozialen Schichten hindurch.
Kennst du dieses Gefühl, wenn du einen Raum betrittst und dir alle anderen Frauen diese Blicke zuwerfen? Auch ich ertappe mich leider immer mal wieder, wie ich eine andere Frau von oben bis unten mustere und einen abschätzigen Kommentar zu ihrem Aussehen mache oder die Kompetenz einer anderen Frau ungerechtfertigter Weise infrage stelle. Und dann schäme ich mich dafür. Feminismus beginnt für mich nämlich genau dort. Es geht darum, dass wir Frauen uns gegenseitig unterstützen und miteinander statt gegeneinander arbeiten sollten.
Es gibt nichts, was motivierender ist, als andere Frauen, die bedingungslos hinter dir stehen, die dich motivieren dich für diese verantwortungsvolle Stelle zu bewerben und dir vor der Lohnverhandlung auf What’s App schreiben «You go girl!». So kannst du selbst versuchen, die Lohnungleichheit wenigstens ein kleines bisschen zu minimieren – denn die Politik ist wichtig, aber langsam.
Schon oft bin ich mit sympathischen Frauen ins Gespräch gekommen, die mir sagten, sie seien lieber mit Männern befreundet oder sogar explizit sagten, dass sie andere Frauen nicht mögen. Die genannten Gründe waren immer, dass Frauen nicht direkt seien, sondern hinter deinem Rücken über dich lästern würden. Aber warum solltest du aufgrund von schlechten Erfahrungen mit einigen Frauen alle in einen Topf werfen und Frauenfreundschaften komplett aufgeben? Wenn du also das nächste Mal eine andere Frau lästern hörst, mach sie doch einfach freundlich darauf aufmerksam, dass du das nicht unterstützt.
Es ist zwar etwas Wunderschönes mit einer Person des anderen Geschlechts befreundet zu sein und trägt bestimmt auch zu mehr Gleichheit und Verständnis zwischen Männern und Frauen bei. Doch solange Männer und Frauen unterschiedlich sozialisiert werden, tut es zwischendurch einfach gut unter seinesgleichen zu sein. Deshalb freue ich mich über die neuen Frauenfreundschaften, die ich am Women’s March geschlossen habe.
Von mehreren Frauen habe ich deshalb folgende Aussage gehört: «Können wir das bitte jeden Monat machen?» – Ich wäre dabei.
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