Velofahrverbot an der Neugasse: Selbstjustiz ist auch keine Lösung
Weil sich kaum jemand an das Velofahrverbot an der Neugasse hält, soll nun eine Eigenkonstruktion für Ruhe sorgen. Doch die neue Massnahme verwehrt Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen das Durchgangsrecht. Höchste Zeit, dass Stadt und SBB gemeinsam nach Lösungen suchen. Ein Kommentar.
Auf der Neugasse im Kreis 5 herrscht oft reger Betrieb. Auf dem 3,4 Meter breiten Weg kreuzen sich Fussgänger:innen, Jogger, E-Trottis und Velos. Ein Problem, findet die Eisenbahner-Baugenossenschaft Dreispitz, allen voran der Hauswart der angrenzenden Wohnhäuser, Markus Bräm.
Seit drei Jahren führt er einen Kleinkrieg mit all jenen, die auf ihrem Zweirad die Neugasse entlang fahren. Immer wieder komme es zu Unfällen mit Velofahrenden und Passant:innen, erklärte Bräm im Herbst 2022 gegenüber Watson.
Eigentlich gilt auf der Strecke neben der Josefwiese seit 1996 ein Fahrverbot – auch für Velos. Weil sich aber trotz mehrerer Interventionen auch heute kaum jemand daran hält, greift man jetzt zu härteren Mitteln: Eiserne Absperrgitter und eine Holzplatte sollen Velofahrende vom Fahren auf der Neugasse abhalten. «Seit 2020 wurden mehr als 15 Anwohner:innen gestreift, angefahren oder umgeworfen. Auch Besucher:innen auf der Josefwiese haben Angst um ihre Kinder, die auf die Strasse rennen könnten», so das Argument der Genossenschaft.
Was die Verantwortlichen vergessen: Die baulichen Massnahmen beeinträchtigen auch Menschen, die auf Gehhilfe oder Rollstuhl angewiesen sind oder mit Kinderwagen passieren wollen. Dabei hätten auch sie per Gesetz ein Recht darauf, den Weg barrierefrei nutzen zu können.
Wie konnte es so weit kommen? Eine mögliche Antwort: Weder die Grundstückseigentümerin, die SBB, noch die Stadt Zürich fühlen sich dafür verantwortlich, eine geeignete Lösung für das Problem zu finden. Zudem passierten Fehler in der Kommunikation, die den Konflikt zusätzlich befeuerten. So waren Velos auf der Neugasse viele Jahre lang geduldet, die Stadt schrieb die Strasse sogar offiziell als Velovorzugsroute aus und musste schliesslich umdisponieren. Heute macht die Route einen Umweg über die Josefstrasse.
Damit war das Problem für die Stadt offenbar gelöst. Dass es dies nicht ist, zeigt der Versuch der Genossenschaft, mit ihrer Eigenkonstruktion unliebsame Gäst:innen fernzuhalten. Das ist angesichts ihrer grossen Verzweiflung zwar verständlich, doch auf einem Weg, der per Gesetz für die Öffentlichkeit zugänglich sein muss, keine valide Lösung. Erst recht nicht, wenn Unbeteiligte unter den Folgen dieser Selbstjustiz leiden müssen. Das sollten die SBB und die Stadt erkennen.
Auch wenn sich beide Akteur:innen in der jüngsten Vergangenheit schwer damit getan haben, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Was es beim Kleinkrieg auf der Neugasse braucht, ist ein nachhaltiger Austausch aller Beteiligten. Damit man Massnahmen findet, die zwar ihren Zweck erfüllen, aber niemanden diskriminieren. Denn das Faustrecht hat noch nie nachhaltig zu Verbesserungen geführt.
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