Universität Zürich verbietet das Zeigen eines Vulva-Films
Das weibliche Geschlecht ist in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Das Kollektiv «Blue Vulvettes» aus La Chaux-de-Fonds will dies ändern. Sie geben der Vulva eine Stimme und präsentieren sie in ihrer natürlichen und nackten Art und Weise. Der Universität Zürich ist das zu viel. Sie verbieten die Installation im Rahmen der feministischen Aktionswoche des Hochschulkollektivs.
Der zehnminütige Film «Le sexe féminin existe» ist in drei Akte aufgebaut. Eine Vulva redet frontal zum Publikum und spricht über ihre Erfahrungen als weibliches Geschlechtsorgan, spricht über ihre Periode und über die Marginalisierung in der Gesellschaft, welche sie erfährt. Das sechsköpfige Kollektiv «Blue Vulvettes» liess sich vom Comic «Der Ursprung der Welt» von Liv Strömquist inspirieren, aber auch eigene Erfahrungen der Initiantinnen gaben den Ausschlag für den Film.
Le sexe féminin existe – nicht an der Uni Zürich
Betrat man am 25. Februar den Lichthof der Universität Zürich sprach nicht wie angekündigt eine Vulva zu einem. Die Universität verbot am Abend zuvor den Film zu zeigen und die Bewilligung für die Veranstaltung im Lichthof zogen sie zurück. Anstelle des Filmes hängen jetzt Plakate an den Wänden. Sätze wie «Vulva Zensur an der UZH» und «Wir sind hier unerwünscht – Vulva» zieren diese. Zusammen mit Sophie Schmid von den Blue Vulvettes hat das feministische Hochschulkollektiv kurzer Hand umdisponiert. Sie malten Plakate und sind trotzdem im Lichthof. Sie nehmen sich den Raum, welcher ihnen für das Zeigen des Filmes verwehrt wurde.
Für Lena* vom feministischen Hochschulkollektiv ist diese Situation absurd: «Ich finde es krass, dass genau solch eine Installation, in welcher es um eine Enttabuisierung geht, von einer Hochschule zensiert wird.» Die Universität solle den Anspruch haben, kritisches Denken zu vermitteln und dieses Denken zu fördern, sagt Lena weiter und liest die E-Mail der Universität vor:
«Sehr geehrte Frau ... Der Film wurde von einem Experten*innen-Team begutachtet und kann an der UZH leider nicht gezeigt werden. Die Reservation des Lichthofs geben wir wieder frei.»
Diese Nachricht bekam das feministische Hochschulkollektiv am Abend vor der Veranstaltung. Sie baten die Universität um eine Begründung für die Absage.
Das weibliche Geschlechtsteil wird immer und ausschliesslich in einem sexuellen Kontext verstanden und tabuisiert.
feministisches Hochschulkollektiv
Zensur wegen pornografischem Inhalt
Gegenüber dem feministischen Hochschulkollektiv argumentiert die Universität, das genaue Konzept des Filmes sei nicht angegeben worden. Nur durch einen Facebook-Post sei der Universität klar geworden, was im Film gezeigt würde und forderte, dass der Film eingereicht werden müssen. Laut dem Kollektiv werfe die Universität ihnen schlechte Kommunikation und das zu späte Einreichen des Filmes vor. Das Kollektiv versichert aber, dass alles den Vorgaben entsprach. Grundargumentation für die Zensur bilde pornografischer Inhalt des Films. «Das zeigt uns leider einmal mehr ganz genau, dass das weibliche Geschlechtsteil immer und ausschliesslich in einem sexuellen Kontext verstanden und sonst absolut tabuisiert wird», so das feministische Hochschulkollektiv.
Die Universität Zürich nimmt ebenfalls Stellung gegenüber der Tsüri Redaktion. Die Kommission «Schutz vor sexueller Belästigung der UZH» hatte sich das Video angesehen und sich daraufhin gegen die Aufführung im Lichthof entschieden. Im Lichthof seien unterschiedlichste Personen unterwegs, darunter auch Besucher*innen, Jugendliche und Kinder. Der Ort sei dementsprechend nicht geeignet für die Aufführung des Videos. «Leider konnte kurzfristig keine andere Lösung gefunden werden beispielsweise mit Stellwänden als Abschirmung, damit die Leute selber entscheiden können, ob sie das Video sehen wollen oder nicht», schreibt die Universität Zürich.
Sophie Schmid erstaunt die Reaktion der Universität nicht: «Ich habe es irgendwie erwartet. Für eine grosse Institution ist es ein schwieriges Thema.» Enttäuschend sei, dass der negative Bescheid erst einen Abend vor der Ausstellung kam, zumal sie den Film bereits am Freitag eingereicht hatten. Wäre das Vebot früher gekommen, hätten die Aktivitst*innen umdisponieren und etwas weniger Provokatives organisieren können.
Penisse aber keine Vulvas im Lichthof
Eine Vulva evoziere immer gleich einen sexuellen Kontext und genau dies wollen «Blue Vulvettes» ändern: «Die Verbindung im Kopf vieler Leute macht gleich die Verbindung Vulva gleich sexuell gleich pornografisch.» Die Vulva sei ein Körperteil wie jedes andere auch. «Es könnte auch eine Hand sein. Aber im Unterschied zur Vulva würde eine Hand nie zensiert werden», so Sophie Schmid weiter.
«Im Lichthof gibt es 28 Penisse. Wie viele Vulvas findest du?» ist mit blauen Lettern auf ein Plakat geschrieben. Sophie Schmid meint dazu: «Es hat hier extrem viele Statuen, welche einen Penis haben. Aber Vulvas, zeigt man nie. Wieso sind Penisse in der Öffentlichkeit kein Problem, Vulvas aber schon?»
Für Lena vom feministischen Hochschulkollektiv ist die Reaktion der Universität sehr bestätigend, dass sie am richtigen Ort sind: «Wir sind dort, wo es schwierig wird und genau dort müssen wir weitermachen, wenn wir etwas ändern wollen.» Für das Kollektiv «Blues Vulvettes» ist die Situation neu. Ihr Kurzfilm wurde im Januar an den Solothurner Filmtage gezeigt und auch RTS berichtete bereits über das Kollektiv. Der Film sei künstlerisch und sie merken, wie ihre Kunst zensiert werde. Das werfe im Kollektiv Fragen auf, Fragen über was ist in der Kunst akzeptiert sei und was nicht.
Den Film konnte man sich auf dem Laptop von Sophie Schmid ansehen. Eine Niederlage ist der Tag für beide Kollektive nicht, er sei einfach anders als geplant. «Es sind Leute hier und es kommen ständig welche vorbei, wir erzählen was passiert ist und die Leute sind schockiert», so Lena.
*Name der Redaktion bekannt
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Bevor Lara zum Journalismus kam, hat sie eine Lehre als Innendekorateurin nicht abgeschlossen, die Handelsmittelschule gemacht, in der Gastro gearbeitet und in der Immobilienbranche Luft geschnuppert. Durch ein Praktikum beim Radio Rasa in Schaffhausen fand sie zum Journalismus. Daraufhin folgte ein Kommunikations-Studium an der ZHAW, gefolgt von einem Praktikum bei Tsüri.ch und eines beim Tages-Anzeiger. Seit 2020 schreibt Lara für Tsüri.ch, seit 2023 ist sie in der Geschäftsleitung.