Hohe Standmieten und keine Nachfolge: Bullingerhof-Flohmi bangt um Existenz
Der Flohmarkt Bullingerhof ist seit bald 50 Jahren ein familiärer Treffpunkt für die Nachbarschaft und Trödelfans. Doch hohe Standmieten und fehlende neue Mitglieder im Verein «Lebendiger Bullingerhof», könnten bald das Aus für den kleinen Flohmarkt bedeuten.
«An Flohmi gah» ist im Sommer Teil vom Standardprogramm eines Wochenendes in Zürich. Und während der Flohmarkt am Bürkliplatz und jener auf dem Kanzleiareal im Internet schnell gefunden sind, kennen den Flohmarkt Bullingerhof im Kreis 4 nur die wenigsten.
Jeweils am letzten Samstag im Monat von März bis Oktober kommen bei schön Wetter zwischen 30 und 50 Stände in der Nähe vom Albisriederplatz zusammen. Doch wie lange der Flohmarkt noch stattfindet, ist ungewiss. Auf der Webseite vom Bullingerhof-Flohmi steht: «Ohne neue Mitglieder wird es den Flohmi in näherer Zukunft nicht mehr geben, da dieser sich nicht von allein organisiert.»
Flohmi zum zweiten Mal vor dem Aus
Der Verein «Lebendiger Bullingerhof» führt den Flohmarkt seit 2005 durch. Damals stand dieser schon mal kurz vor dem Aus und der Verein gründete sich, um den Fortbestand des Marktes sicherzustellen. Zuvor sei der Flohmi vom Sozialzentrum Hardau organisiert worden, sagt Anke Widmer, Gründungsmitglied des Vereins «Lebendiger Bullingerhof». Weil der Aufwand zu gross gewesen sei, habe die Stadt im Jahr 2002 aber beschlossen, den Markt nicht mehr weiterzuführen.
Es ist den Anwohnenden zu verdanken, dass es ihn heute noch gibt. Im Jahr 2005 wandten sie sich an den Quartiervereinspräsidenten Max Künzig, mit der Bitte einen Verein gründen zu können, der den Flohmi weiterhin betreibt. Doch nun steht seine Zukunft erneut auf dem Spiel. Nicht nur ist der Verein auf Freiwillige angewiesen, welche die Arbeit weiterführen, auch habe es seit einigen Jahren weniger Besucher:innen, sagt die Vereinspräsidentin Isabelle Rebierre. Ausserdem sind die Standmieten, die der Verein der Stadt zahlen muss, seit 2020 gleich hoch wie jene anderer Flohmärkte.
«Man kann uns doch nicht mit dem Bürkliplatz vergleichen.»
Isabelle Rebierre, Präsidentin des Vereins «Lebendiger Bullingerhof»
Im Quartierpark gleich viel Standmiete bezahlen wie am Bürkliplatz? Für Händler:innen unverständlich und auch Rebierre sieht es kritisch, dass gleiche Konditionen für alle gelten: «Man kann uns doch nicht mit dem Bürkliplatz vergleichen. Die Stadt sollte betreffend der Standpreise nochmals über die Bücher.»
Standort ist für die Stadt irrelevant
Auf Anfrage sagt die Kommunikationsverantwortliche vom Sicherheitsdepartement: «Die Stadt stützt sich bei der Verrechnung der Gebühren auf die geltende Marktverordnung. Dort ist festgehalten, dass bei Flohmärkten 14 Franken pro Laufmeter und Tag berechnet werden.» Anders als bei Lebensmittelmärkten werde bei der Gebühr von Flohmärkten kein Unterschied gemacht, wo in der Stadt sich der Markt befindet. Um die Standpreise beim Bullingerhof zu verringern, bräuchte eine Anpassung der entsprechenden Verordnung durch den Gemeinderat, so die Stadt.
Der Standort eines Marktes sei für die Händler:innen entscheidend, sagt Rebierre. Je zentraler der Flohmi, desto mehr Kund:innen. Dies zeigte sich auch, als im Zuge der Umbauarbeiten auf dem Bürkliplatz bekannt wurde, dass der Markt temporär auf der Fraumünsterstrasse stattfinden soll.
Der Aufschrei unter den Marktfahrenden war gross. Sie befürchteten weniger Einnahmen, aufgrund des weniger zentralen Standorts.
Bei Rebierre hätten sich auch schon Händler:innen beschwert, weil ihnen die Standmiete bei der Anzahl Besucher:innen zu hoch war. Einige würden darum nicht mehr im Bullingerhof verkaufen wollen.
«Viele Jahre lang ist das anders gewesen», sagt Rebierre. 2019 sei jemand von der Marktpolizei vorbeigekommen und habe den Flohmarkt überprüft. «Da ist er draufgekommen, dass wir falsche Konditionen haben. Und ab da ging es los», sagt Rebierre.
Nachdem der Marktpolizist höhere Standmieten angeordnet hatte, sei auch noch jemand von der Immobilienverwaltung vorbeigekommen und habe die vom Verein genutzten Garderobenräume untersucht. Aber nicht, wie Rebierre erst dachte, um am Gebäude etwas zu verändern: «Nach seinem Besuch mussten wir neu auch 100 Franken Miete für einen alten Garderobenraum bezahlen», erzählt sie.
Eigentlich komme sie gut zurecht mit den Menschen, die bei der Stadt arbeiten, aber «den Raum hätten sie uns weiterhin im Sinne der Quartierarbeit nicht verrechnen müssen», findet Rebierre. Zumal der Verein dieses Geld sonst an gemeinnützige Organisationen wie zum Beispiel die Wunderlampe gespendet hätte.
Nachfolgerin von Rebierre ist noch unklar
Doch als Präsidentin beschäftigt Rebierre die Frage noch mehr, wer im Verein nachkommen wird. Viele seien schon lange im Verein dabei und werden altershalber bald austreten. Auch sie werde im nächsten Jahr pensioniert. Nachwuchs ist also gefragt. Allgemein sei es schwierig, junge Menschen für Vereinsarbeit zu begeistern, dabei «ist der Bullingerhof ein Treffpunkt im Quartier, auf den man auch heute nicht verzichten möchte», sagt Rebierre.
Doch vorerst geht der Flohmarkt Bullingerhof nur in Winterpause. Denn am 26. Oktober ist Saisonschluss und damit die letzte Gelegenheit, in diesem Jahr noch einen Marktschatz am Bullingerhof zu finden. Rebierre versichert aber, dass der Flohmarkt auch nächstes Jahr noch stattfinden wird, doch wie es danach weitergeht, kann noch niemand sagen.
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