Die emotionale Debatte um das Essen an Zürcher Tagesschulen

Stadtzürcher Schulen sollen ab 2023 zu Tagesschulen umfunktioniert werden. Das würde auch bedeuten, dass mehr Kinder künftig in der Schule verpflegt werden. Wie gut das Mittagessen schmeckt, darüber sind sich nicht alle einig: Die Stimmen schwanken zwischen «grusig» bis «super». Der Stadt scheinen andere Kriterien wichtiger.

Tagesschul Essen
Curry, Linsen oder auch Lupinen stehen auf dem Menüplan von Menu and More. (Bild: Elio Donauer)

Wie gut findet ihr das Essen an eurer Schule? «Verkackt!» «Ich finde ein paar Sachen fein, zum Beispiel die Kartoffeln. Die Pasta ist ein bisschen zu hart und die Pommes labberig.» «Das Meiste ist gar nicht so grusig, wie alle sagen.» «Das Fleisch ist wirklich nicht so gut, aber die Beilagen sind ganz normal.» So ganz einig wollen sich die 6- bis 11-jährigen Kindergärtner und Primarschülerinnen nicht werden. Während ein Mädchen das Mittagessen an ihrer Tagesschule «ganz okay» findet, sei das Essen in seinem Hort «sehr schlecht», wendet ihr Freund ein. Und das, obwohl die Verpflegungen beider Betreuungseinrichtungen vom selben Cateringdienst stammen. Bereits das Gespräch mit den Kindern zeigt deutlich, dass nicht alle alles mögen, was bei ihnen auf den Tisch kommt. In der Vergangenheit und auch anderen Schweizer Städten hat das bereits zu Debatten geführt.

Essen «grottenschlecht»

Die jüngste Kritik kommt aus Kriens, einer Gemeinde nahe Luzern, die seit August 2021 das Mittagessen von Menu and More AG bezieht. Zuvor sei das Essen direkt vor Ort frisch gekocht worden, schreibt die Luzerner Zeitung. Doch aufgrund der wachsenden Schüler:innenzahl und fehlender Infrastruktur habe man sich für einen Wechsel auf die Mahlzeitenversorgung durch eine Cateringfirma entschieden – zum Missfallen einiger Eltern und deren Kindern. In einem Brief an die entsprechenden Schulleitung beklagen sie sich über «grottenschlechtes» Essen.

«Die Diskussion um das Essen für Kinder ist emotional sehr aufgeladen – das liegt in der Natur der Sache.»

Moritz Stauffer, Leiter der Geschäftsentwicklung und Kund:innenbetreuung Menu and More AG

«Ein Gemüsecurry mit Reis war laut meinen Kindern und den Kindern einer Kollegin nicht essbar – das Beste sei nicht zum ersten Mal noch das Brot gewesen», so eine Mutter gegenüber der Zeitung. Für Moritz Stauffer von Menu and More AG ist aber klar, dass im Fall von Kriens nicht in erster Linie das Essen das Problem war: «Die Kritik kam im Zuge einer Tariferhöhung des schulischen Betreuungsangebots. Plötzlich wurden die Mahlzeiten in der Schule bei einem kleinen Teil der Eltern zu einem Thema.» Zudem seien kritische Stimmen in der Regel auch die lautesten.

Aus Erfahrung weiss er: «Die Diskussion um das Essen für Kinder ist emotional sehr aufgeladen – das liegt in der Natur der Sache.» Stauffer ist Leiter der Geschäftsentwicklung und Kund:innenbetreuung von Menu and More AG. Das Cateringunternehmen aus Zürich beliefert insgesamt 306 Tages- und Regelschulen in der Stadt Zürich. Die Gerichte werden in den Produktionshallen der Firma zubereitet, auf 5 Grad Celsius gekühlt, abgepackt und dann an die Tagesschulen geliefert. Dort wird das Essen schliesslich wieder aufgewärmt. 14’000 Kinder und Jugendliche und rund 2500 Erwachsene werden durch die Gerichte nach dem sogenannten «Cook-and chill»-Verfahren jeden Tag verköstigt.

Wer trägt die Verantwortung?

«Wir unterstützen die Institutionen immer dabei, die Gerichte so aufzubereiten, wie es vorgesehen ist.» Dass es trotzdem manchmal zu verkochten Teigwaren oder zähem Fleisch kommt, kann laut Stauffer mit einem Fehler beim Regenerieren zu tun haben. Wenn beispielsweise ein Essen in der Schule zu lange warmgehalten wird, bevor es auf den Teller kommt. Er ist sich aber sicher, dass «sich die Verantwortlichen viel Mühe geben und es die meisten richtig ausführen.»

Doch weshalb setzt die Stadt Zürich bei den Tagesschulen überhaupt auf ein Verpflegungsdienst? «Mit dem in der Kinderverpflegung spezialisierten Caterer können die Versorgungssicherheit, die Qualität oder Nachhaltigkeitskriterien optimal gewährleistet werden», schreibt die Medienstelle des Schul- und Sportdepartements Zürich auf Anfrage. Moritz Stauffer ergänzt: «Für eine städtische Institution ist es wichtig, dass die Produkte von sehr guter und konstanter Qualität sind.» Zu hoch sei das Risiko, dass ein verdorbenes oder falsch zubereitetes Lebensmittel auf den Tisch kommt.

Die Stadt nennt aber noch einen weiteren Grund: Die fehlende Infrastruktur. Denn nicht jedes Schulhaus hat eine eigene Küche, die sich für die Verpflegung mehrerer Hundert Schüler:innen eignen würde. Zwar gebe es einzelne Schulen, die bereits jetzt durch eine Produktionsküche vor Ort bekocht werden, das scheint jedoch eher die Ausnahme zu sein. Aber: «Beim Bau von neuen, grossen Schulen wird künftig mehr auf Produktionsküchen gesetzt», so die Stadt.

Nachhaltiger in Spreitenbach 

Bis das jedoch soweit ist, zählt Zürich auch weiterhin auf Menu and More AG. Im vergangenen Dezember gab die Stadt bekannt, dass der Vertrag mit dem Caterer um weitere fünf Jahre verlängert worden ist. Dass die Firma ohne Konkurrenz blieb, daraus wird keinen Hehl gemacht: «Menu and More AG hat einzige Anbieterin eine Offerte eingereicht», steht in der Mitteilung. Eine wirkliche Wahl scheint die Stadt also nicht gehabt zu haben. Trotzdem gibt man sich froh über den Entscheid. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit sei das Verpflegungsunternehmen schon sehr weit – im Hinblick auf die Netto-Null-Strategie der Stadt kein unwichtiges Kriterium. Zumal Tagesschulen in der nächsten Dekade in Zürich zur Norm werden sollen. Und damit auch die Nachfrage an täglich gelieferten Mahlzeiten wächst. 

Klar ist: Die Stadt will ab nächstem Jahr alle Stadtzürcher Schulen in Tagesschulen überführen. Das hat der Gemeinderat letzte Woche entschieden. Das letzte Wort hat aber die Stadtzürcher Stimmbevölkerung. Der Schulvorsteher Filippo Leutenegger (FDP) geht davon aus, dass die Vorlage eine Mehrheit finden wird. Unklar hingegen ist, wann die Abstimmung stattfinden wird. Für Menu and More AG wird diese Veränderung gemäss Moritz Stauffer vor kein Problem stellen: «Wenn unsere Kund:innen wachsen, wachsen wir mit», sagt er.

Auch deshalb zieht das Unternehmen per 2024 vom Sihlquai in Zürich ins aargauische Spreitenbach. Der Ecopark Tivoli gilt als die Adresse, wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht. Es sei sicher «von Vorteil», dass das Unternehmen im Jahr 2024 seinen Standort wechselt und sie mehr Platz zur Verfügung hätten, erklärt Stauffer. Hinzu komme, dass man in Spreitenbach noch mehr Möglichkeiten habe, nachhaltig zu produzieren: «Wir werden unseren CO2-Fussabdruck in der Herstellung noch stärker reduzieren können.» 

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