Stimmen zum Ueberlandpark: «Hier flaniert man wie am Meer»

Der Ueberlandpark in Schwamendingen ist seit vier Monaten geöffnet. Er wertet das Quartier stark auf, auch dank des neuen Bistros. Wie kommt der Park an, und inwiefern verstärkt er die Verdrängung im Quartier? Ein Besuch.

Wenig Schatten: Der neue Ueberlandpark bei 30 Grad
Der neue Ueberlandpark: Bei heissem Wetter ist hier wenig los – der Schatten fehlt. (Bild: Kai Vogt)

Die Pflanzen alle perfekt gestutzt, die Sonne klatscht bei 30 Grad auf den Kiesboden. Kein einziges Papierchen und nur ein paar wenige Menschenseelen sind an diesem Augustnachmittag im neuen Ueberlandpark in Schwamendingen anzutreffen.

Noch bei der Eröffnung im Mai war er rappelvoll – und wurde in höchsten Tönen gelobt: Ein «Erfolg von unten» sei der Park, sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch; ein Projekt, das grosse Anerkennung verdiene, nannte Bundesrat Albert Rösti die Einhausung.

Auf 950 Metern Länge zieht sich der Ueberlandpark über das Dach der Autobahn A1. Wie kommt er im Quartier an?

Die Blumen sind «wunderbar»

Walter Oertle ist Geschäftsführer der Interessensgemeinschaft (IG) pro Zürich 12, die sich im Laufe des Bauprojekts regelmässig in die Planung eingebracht hat. Der gebürtige Schwamendinger ist hier bestens vernetzt – und sagt: «Ich habe bisher vor allem positive Stimmen zum Park vernommen.» Zwei Kritikpunkte gäbe es jedoch.

Einerseits seien zu wenig WCs vorhanden. Die Stadt hat nur ein selbstreinigendes Unisex-Klo in der Mitte des Parks eingerichtet. Für die Länge des Parks sei das zu wenig, meint Oertle. Andererseits fehle es an Schattenplätzen. Bei grosser Hitze blieben die Menschen dem Park fern. «Diese ungenügende Planung der Stadt ist für mich unverständlich», sagt Oertle kopfschüttelnd.

Das bestätigen auch die wenigen Besucher:innen an diesem Nachmittag. Milly zum Beispiel, eine ältere Dame aus Witikon, die mit Stöcken geht. Sie ist extra aus dem anderen Ende der Stadt angereist und bereits zum vierten Mal hier. Der flache Park eigne sich für sie gut zum Spazieren, die Blumen seien «wunderbar». «Doch heute ist es deutlich zu heiss in der Sonne», sagt sie.

Zwar gibt es zwei überdachte Bänke, und Grün Stadt Zürich hat einige Bäume gepflanzt, die Schatten spenden sollen. Doch sie sind noch jung und klein. Ihr Wachstum ist zudem begrenzt, da die Humusschicht über dem Beton nur 40 bis 70 Zentimeter dick ist. Grosse Baumkronen werden hier nicht entstehen.

Kein Konsumzwang im Bistro

Wer Abkühlung sucht, steuert den «Pavillon S» an, ein Bistro, das zugleich als Gemeinschaftszentrum dient. Menschen aus dem Quartier können hier mittags kochen und am Umsatz mitverdienen, Sirup erhält man gratis. «Es gibt hier keinen Konsumzwang», sagt Tobias Berndt, Co-Leiter des Bistros. 

Möglich ist das auch dank städtischer Unterstützung: Die Stadt finanziert vier Jahre lang 120 Stellenprozent und übernimmt die Mietkosten für den Pavillon. Weitere Einnahmequellen sind Mitgliederbeiträge oder Spenden von Stiftungen und Genossenschaften.

Der Pavillon S dient als neues Gemeinschaftszentrum
Der Pavillon S; davor Co-Geschäftsführer Tobias Berndt (links) sowie Walter Oertle, Geschäftsführer IG pro Zürich 12. (Bild: Kai Vogt)

An diesem heissen Wochentag wurden am Mittag zehn Menüs verkauft. Mehr Kundschaft gebe es bei Regen oder am Abend, sagt Berndt. Sobald die Sonne tief stehe, sei der Park sehr belebt. Ausserdem auffällig sei das langsame Tempo hier oben. «Die Menschen flanieren hier wie am Meer.» 

Und sie beteiligen sich laut Berndt rege am Pavillon S. Viele kämen und wollten mithelfen, etwa kochen oder Veranstaltungen organisieren. Auch die Durchmischung beeindruckt ihn: «Im Kreis 4, wo ich wohne, sehe ich vor allem jüngere Leute. Hier sind alle vertreten: Fünf- bis Fünfundachtzigjährige aus allen Gesellschaftsschichten.»

Die Beteiligung des Quartiers zeigt sich an einer Wand im Bistro. Dort hängen Post-its von Gästen, auf denen sie notiert haben, was im Ueberlandpark und im Pavillon S noch fehlt. Sie wünschen sich zum Beispiel einen Ping-Pong-Tisch, Sonnensegel über den zwei Spielplätzen oder einen öffentlichen Grill. «Wir befinden uns noch im Entstehungsprozess», sagt Berndt. Schliesslich werde sich das Quartier in den umliegenden Jahren noch stark verändern.

Stadt verspricht «Brügglibonus»  

Die Stadt Zürich rechnet damit, dass die Bevölkerung im Quartierteil Saatlen, durch den sich die Einhausung zieht, bis 2035 um rund 40 Prozent wächst. Knapp 9000 Menschen leben heute hier, in zehn Jahren sollen es fast 4000 mehr sein.

Sechs Genossenschaften besitzen Häuser entlang des Parks. Viele sollen in den nächsten Jahren Neubauten weichen, die kammartig an den Ueberlandpark angeschlossen werden. Wer Brücken zwischen Wohnhäusern und Park baut, profitiert vom sogenannten «Brügglibonus»: Die Stadt erlaubt zehn Prozent höhere Ausnützung – also zehn Prozent mehr Geschossfläche. Mit diesen Verbindungen wird der Ueberlandpark noch stärker zum Gemeinschaftsgarten des Quartiers.

Bereits heute werten der neue Park und die Autobahn-Einhausung Schwamendingen auf: weniger Lärm, mehr Grünflächen, höhere Lebensqualität. Hinzu kommt der Ersatzneubau des Schulhaus Saatlen, nur wenige Gehminuten vom Überlandpark entfernt. Dort wird gerade die grösste Schulanlage Zürichs gebaut, die für 24 Primar- und 12 Sekundarklassen Platz bieten soll. 

Durch diese Massnahmen dürften auch die Mietzinse der Neubauten deutlich steigen. Das könnte die derzeitigen Anwohner:innen empfindlich treffen.

Vernetzungsprojekt soll Verdrängung verhindern

Das umliegende Quartier zählt zu den einkommensschwächsten der Stadt, Sozialhilfe- und Arbeitslosenquoten liegen über dem Stadtdurchschnitt. Das Risiko der Verdrängung ist hoch.

Dessen ist sich auch Walter Oertle von der IG pro Zürich 12 bewusst. Sein Verein hat deshalb gemeinsam mit den Genossenschaften ein Vernetzungsprojekt aufgegleist, das erreichen will, dass die sechs angrenzenden Genossenschaften ihre Ersatzneubauten aufeinander abstimmen. «So können Anwohner:innen während der Bauzeit im Quartier bleiben – notfalls in einer Wohnung einer anderen Genossenschaft – und werden nicht verdrängt.» Es solle so niemand das Gefühl bekommen, «wegorganisiert» zu werden.

Doch ganz verhindern lässt sich Verdrängung nicht. Neben den Genossenschaften bauen hier auch private Investor:innen neue Häuser, etwa die Amag. Wie hoch die Mietzinse sein werden, ist noch unklar; mehrere Anfragen dieser Redaktion blieben unbeantwortet.

Ob der Ueberlandpark mit dem Pavillon S ein durchmischter Ort für alle bleibt, hängt also nicht nur von Schattenplätzen oder Sirup ab – sondern auch davon, welche Wohnbauprojekte in seiner Umgebung realisiert werden.

Eingang "Herbstweg" zum Park, dahinter Baukräne
Ein Quartier im Wandel: Die Stadt plant mit einer Bevölkerungszunahme von 40 Prozent bis zum Jahr 2035. (Bild: Kai Vogt)
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