Stadtzürcher Bauernhöfe: Zwischen Beeren und Büffeln auf dem Riedenholzhof
Für unseren Fokusmonat «Stadt-Landwirtschaft» im September haben wir vorab vier städtische Bauernhöfe besucht. Einer davon ist der Riedenholzhof in Seebach. Weshalb dort Wasserbüffel anstelle von normalen Milchkühen grasen und wie es ist, an einem Ort Landwirtschaft zu betreiben, von wo aus man das Wachstum der Stadt beobachten kann.
Zürich-Seebach. Hier, wo im Norden des Quartiers Blechlawinen über die A2 schleichen und im Süden Familien im Wald nach Erholung vom Dichtestress suchen, liegt der Biobetrieb Riedenholzhof. Es ist einer der raren Sommertage in diesem Jahr; die Luft steht förmlich vor Hitze, Grillen zirpen. Ein Auto verlässt die Hofeinfahrt, der Kies staubt unter seinen Rädern und hüllt die Umgebung in einen Sepia-Filter. Kaum vorstellbar, dass ein Monat zuvor starker Regen für überschwemmte Felder gesorgt hatte.
Die Beeren und der Hagel
Viel verheerender als die Regenfälle sei jedoch der Hagel gewesen, sagt Sonja Küchler, die Beerensaison würde deshalb gänzlich ins Wasser fallen. Die Bäuerin duckt sich unter dem Absperrband hindurch, das mögliche Beerenpflücker:innen abschrecken soll, und bricht den vertrockneten Zweig einer Pflanze ab. Es knackt lauter als erwartet. Die Stauden sehen von Nahem aus, als stünden sie in der Prärie – der grösste Teil davon sei durch die Unwetter von Anfang Juli zerstört worden, so Küchler. Normalerweise gedeihen hier auf 7000 Quadratmetern Himbeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren und Cassis. «Dieses Jahr hatten wir einfach Pech», relativiert die Hofbetreiberin. So sei das mit der Natur – «sie ist unberechenbar.»
Aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse in den vergangenen Monaten sei auch das Gemüseangebot geschrumpft, das sie unter anderem von weiteren Biohöfen aus der Region beziehen, so Küchler. Im kleinen Hofladen vis-à-vis der Beerenfelder ist es um die zehn Grad kälter als draussen, die Kühltruhe surrt leise vor sich hin. Zu Spitzenzeiten der Pandemie sei ihnen der Laden regelrecht «eingerannt» worden, unterbricht die Bäuerin die Stille. Mittlerweile habe sich das aber wieder gelegt. Während sie das sagt, betritt ein junger Mann den Laden und studiert anschliessend die Gemüsekörbe.
Das meiste Obst und Gemüse stammt laut Küchler aus der Region – oder zumindest aus der Schweiz. Das sei ihrem Mann und ihr wichtig, betont die 53-Jährige. Seit 1998 bewirtschaften Sepp und Sonja Küchler die 50 Hektaren, die teils der Stadt und Privaten gehören. Ob die Avocado auch inländisch sei. «Nein, nein.» Ihr Lachen füllt den Raum. Da viele Laden-Besucher:innen auch gleich hier ihren Wocheneinkauf erledigen würden, hätten sie angefangen, auch exotische Früchte anzubieten; «ist aber alles nach Bio-Standard.» Die Nachfrage scheint das Angebot auch im Riedenholzer Hofladen mitzubestimmen.
Von Milchpreisen und Wasserbüffeln
Der Hofladen und die Beerenzucht sind zwei wichtige Standbeine von Küchlers, das dritte steht ein paar Meter weiter unten im Stall. Grosse dunkle Augen blinzeln einen an, wenn man den grossen Laufstall betritt. Die kräftigen Tiere mit ihren grossen Hörner würden furchteinflössender aussehen als sie tatsächlich sind, winkt Küchler ab. Die Entscheidung, von Milchkühen auf Wasserbüffel umzustellen, sei aus rein wirtschaftlichen Gründen entstanden: «Der Preis für einen Liter Kuhmilch war vor zwölf Jahren so tief, dass wir uns nach alternativen Möglichkeiten umgeschaut haben», erklärt die Bäuerin. Dass sie sich schlussendlich für Wasserbüffel entschieden hatten, war eher Zufall. Bereuen würden sie es nicht. Gelten doch die Tiere, die ursprünglich aus dem asiatischen Raum stammen, für sehr umgänglich, robust und menschenbezogen.
Die Wasserbüffel lieben den Schlamm; sie wälzen sich darin, um sich abzukühlen und zum Schutz vor Insekten.
Sonja Küchler, Bäuerin
Die ersten Wasserbüffel sind gemäss dem Rindviehzuchtverband im Jahr 1996 aus Rumänien in die Schweiz importiert worden. Seither wird der Bestand auf ungefähr 2000 Tiere geschätzt. 100 davon leben auf dem Riedenholzhof. Zwar würden die Büffel weniger Milch geben als eine durchschnittliche Schweizer Kuh, doch weil die Milch als Nischenprodukt verkauft werden könne, würde sich die Wasserbüffel-Haltung lohnen, so Küchler. «Die Milch der Büffel ist fetthaltiger als Kuhmilch und für viele Menschen besser verträglich.» Sie hebt den Zeigefinger: «Und anders als bei Ziegen oder Schafen, hat die Milch keinen starken Eigengeschmack.» Beim Fleisch sei das ebenfalls der Fall.
«Die Stadt kommt immer näher»
Momentan sind 20 Kälber in der Aufzucht – gerade werden sie von der Weide geholt. Ein Stallarbeiter in Gummistiefeln begleitet die Herde in den Stall. Ein Kalb kommt an den Zaun und lässt sich hinter dem Ohr kraulen. Sein Körper besteht aus einer einzigen braunen Kruste. Das sei aber nicht so, weil sie ihre Tiere nicht gut pflegen würden, pflichtet Küchler bei: «Die Wasserbüffel lieben den Schlamm; sie wälzen sich darin, um sich abzukühlen und zum Schutz vor Insekten.» Zurück im Stall steht eine Familie vor den Baby-Büffeln, die Hand des kleinen Mädchens steckt im Maul des Kalbs. Sonja Küchler grüsst sie freundlich. Dass fremde Stadtbewohner:innen auf dem Hof unterwegs sind, sei ganz normal. «Wir sind hier mitten im Naherholungsgebiet und die Stadt kommt immer näher», sagt die Bäuerin. Solange sie sich anständig benehmen und respektvoll mit den Tieren umgehen würden, sei das kein Problem.
Angst, dass sie den Betrieb aufgrund des Wachstums der Stadt aufgeben müssen, hätten sie nicht. Auch wenn in der nahen Ferne schon wieder Krane aus dem Boden schiessen. Im Vordergrund fährt Küchlers Mann Sepp mit dem Traktor über die frisch gemähte Wiese. Er habe viel zu tun, so die Bäuerin, aber darüber seien sie froh, «jetzt wo das Wetter endlich wieder besser ist.» Vielleicht werde sie sogar einige Beeren für Konfitüre ablesen können. Wie jedes Jahr. Für ein bisschen Normalität in diesem Sommer.
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