Stadtrat Hauri im Interview: «Mein Ziel ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen»
Er ist der erste GLP-Politiker, der in der Zürcher Regierung sitzt. Stadtrat Andreas Hauri spricht im Interview mit Tsüri.ch über die Corona-Pandemie, Arbeitsbedingungen der Pfleger*innen und das Ziel, die Stadt bis 2030 von Emissionen zu befreien.
Weil Claudia Nielsen (SP) ihre Wiederwahl-Kandidatur kurz vor dem Wahltermin zurückgezogen hat, wurde Andreas Hauri etwas überraschend in die Regierung gewählt; als erster GLP-Politiker überhaupt. Vor der Wahl in den Stadtrat politisierte er im Kantonsrat und arbeitete als Geschäftsleiter der KV-Bildungsgruppe. Während des Wahlkampfs hat Hauri fast vollständig auf das Thema Digitalisierung gesetzt, er wollte gar ein neues Departement einrrichten und empfahl sich selber als Digitalisierunsminister. Nach der Wahl wurde ihm jedoch das Problem-Departement Gesundheit und Umwelt von Claudia Nielsen zugeteilt, welche unter anderem über ihre Spitalstrategie gestolpert war.
Ohne grosse Regierungserfahrung musste Hauri zwei Jahre nach Antritt als städtischer Gesundheitsminister die Corona-Pandemie meistern. Im Gespräch mit Tsüri.ch geht es nicht nur darum, sondern auch um Spitalstrategie, um die ehrgeizigen Klimaziele und wie er im Stadtrat seine grünliberalen Ideen einbringen kann.
Sie waren erst zwei Jahre im Amt, ohne Erfahrungen als Exekutivpolitiker und die Gesundheit war bei Ihnen früher kein grosses Thema. Dann kam die Corona-Pandemie. Wie kommt es, dass Sie relativ ruhig durch diese Zeit gesteuert sind?
Nach aussen mag es ruhig ausgesehen haben, aber innerhalb des Departements war es überhaupt nicht ruhig, es war eine intensive und herausfordernde Zeit. Im Gesundheitsdepartement standen wir vor einer doppelten Herausforderung. Nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch jene der städtischen Mitarbeitenden lag in unserer Verantwortung. Bis jetzt haben wir diese Krise gut gemeistert, nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern in der ganzen Stadt Zürich.
Im Vergleich zu Bund und Kanton hatten Sie einen vergleichsweise einfachen Job.
Das kommt darauf an, was Sie als einfach bewerten. Ist es das Entscheiden? Oder das Umsetzen? Wir mussten alle Entscheide von Bund und Kanton jeweils sofort umsetzen. Teilweise hatten wir nicht viel Zeit und die Informationen kamen kurzfristig bei uns an. Das Besuchsverbot in den Altersheimen musste beispielsweise innert eines Tages umgesetzt sein. Am Ende hat alles sehr gut funktioniert.
Auch ich wünsche mir klare und einfache Regeln.
Natalie Rickli hatte und hat noch immer deutlich mehr Verantwortung, sie ist auch eher neu in der Regierung und schlingerte lange Zeit mehr schlecht als recht durch diese Krise. Würde es Ihnen in einem schwierigeren Amt auch so ergehen?
Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann; ich weiss es nicht. Bund und Kanton haben es gut gemacht. Natürlich ist die Kommunikation schwierig, die Bevölkerung muss die Entscheide und Massnahmen verstehen. Das muss alles stringent sein. Zudem müssen wir lernen, mit einer Unsicherheit zu leben, weil es ständig neue Erkenntnisse gibt. Kürzlich dachten wir alle noch, die Clubs seien das Problem und heute wissen wir, dass sich die meisten in der Familie mit dem Virus anstecken. Aber ja, auch ich wünsche mir klare und einfache Regeln.
Wie läuft ein solches Krisenmanagement ab? Haben Sie täglich mit Rickli und Berset telefoniert? Oder geht das eher über die Fachpersonen aus dem BAG, der Kantonsärztin und dem Direktor der städtischen Gesundheitsdienste?
Eine solche Situation war für uns alle Neuland. In der Stadt Zürich hat uns der städtische Pandemie-Fachplan bei der Umsetzung geholfen. Auf Stadtratsebene haben wir schnell einen Fachstab Corona gebildet, bestehend aus Mitgliedern der Regierung. Diese haben zusammen mit Expert*innen die dringendsten Fragen diskutiert und auch rasch entschieden. Innerhalb meines Departements schufen wir den Fachstab Pandemie, welcher den gesamten Stadtrat unterstützt hat. Ein sauberes Krisenmanagement ist enorm wichtig.
Wenn der Bundesrat etwas entschieden hat, wurde Ihnen dies persönlich per Mail mitgeteilt?
Nein, der Bund kommuniziert mit den Kantonen, nicht mit der Stadt. Einiges haben wir direkt aus den Medien erfahren. Natürlich haben unsere Leute in der Verwaltung auch die Pressekonferenzen des Bundesrats geschaut und wussten so, was zu tun ist. Gegenüber der Bevölkerung hatten wir keinen grossen Informationsvorsprung. Es ging Schlag auf Schlag, mit mehreren Änderungen pro Tag.
In den städtischen Gesundheitseinrichtungen war die Lage während der ganzen Zeit überschaubar, es gab keine Schreckensbilder von überfüllten Spitälern. Hat die Fusion der Spitäler Triemli und Waid bereits gegriffen?
Es hat geholfen, dass wir das Triemli zu einem Covid-Spital und das Waid zu einem Non-Covid-Spital machen konnten. Durch den Zusammenschluss war dies einfacher umzusetzen. Es hat einmal mehr gezeigt, dass die Fusion der richtige Entscheid war. Im Triemli hat alles ausgezeichnet funktioniert, die Arbeit der Menschen in den Covid- und Notfallstationen hat mich beeindruckt.
Es ist mein persönlicher Frust, dass Corona uns wieder zurückwirft.
Die Lage ist für Triemli und Waid trotzdem ungemütlich. Bereits vor Corona klaffte ein Loch in den Kassen, dieses ist wie bei anderen Spitälern wegen der Pandemie nun wieder grösser geworden. Wie sieht Ihr Plan aus?
Ich gebe zu, es ist mein persönlicher Frust, dass Corona uns wieder zurückwirft und ein neues Millionenloch auftut. Abgesehen von den Covid-Monaten sind wir im Businessplan auf Kurs und im Vergleich zu vor zwei Jahren stehen wir um Welten an einem anderen Punkt. Wir konnten die Fallkosten deutlich senken und beide Standorte besser positionieren.
In den kommenden Jahren wird die Stadt Zürich vermutlich sparen müssen. Ist es für Sie denkbar, dass das Stadtspital Triemli & Waid privatisiert werden, um Kosten zu sparen?
Ein Verkauf steht nicht zur Debatte. Der Stadtrat plant aber, den Spital in eine öffentlichrechtliche Anstalt umzuwandeln: Raus aus der Verwaltung, geführt durch einen professionellen Spitalrat, aber weiterhin im Besitz der Stadt. Ein Spital braucht mehr unternehmerische Freiheiten und entsprechende Komptenzen. Ich begrüsse das sehr, es ist mittelfristig das einzig Richtige.
Heiss diskutiert wurden während der Hochphase der Pandemie die Arbeitsbedingungen der Pflegenden. Wie stehen Sie dazu?
Die Arbeitsbedingungen in der Stadt Zürich sind nicht schlecht. Ich habe mit vielen Pflegenden gesprochen und festgestellt, dass der Lohn nicht das Problem ist; dieser ist Ok. Das Thema sind die Rahmenbedingungen, also beispielsweise die Vereinbarkeit von unregelmässigen Arbeitszeiten mit den Familien- und Betreuungspflichten. Aber wir brauchen Leute, die am Wochenende und auch in der Nacht arbeiten. Das sind die grossen Herausforderungen, die wir optimieren müssen. Mein Ziel ist es, den Pflegeberuf attraktiver zu machen.
Es gibt auch jene, die sagen es habe zu viele Pflegende im Vergleich zu Patient*innen. In Deutschland beispielsweise sind es knapp die Hälfte von unserem Schlüssel. Könnte das bei uns auch helfen?
Bei uns geht die Debatte eher in die Richtung, dass es auf den Stationen mehr Personal braucht. Aber der Schlüssel ist nicht das entscheidende. Es geht darum, dass der Beruf in ein normales Lebenskonzept passt und die Partnerschaft und Familie nicht darunter leidet. Wir müssen herausfinden, wie wir zu einer grösseren Flexibilität kommen. Aber es gibt Grenzen.
Wie wollen Sie denn konkret mehr Flexibilität erlangen?
Bereits heute bieten wir viele Möglichkeiten. Wenn jemand 20 Prozent arbeiten will, dann geht das. Und wenn jemand nur zu bestimmten Zeiten arbeiten will, dann geht das auch meistens. Teilweise ist es auch eine Frage der Fristigkeit: Wann werden die Arbeitspläne gemacht? Wie kurzfristig kann ich noch Änderungen wünschen? In Sachen Weiterbildung können wir auch noch besser werden. Während der heissen Corona-Phase hatten wir beispielsweise zu wenig spezialisiertes Personal auf den Intensivstationen.
Aber wir haben nicht überall Zeit, auf die technologische Entwicklung zu warten.
Nun zu einem anderen Thema, weil es wichtig ist. Auf Druck des Klimastreiks haben Sie vor gut einem Jahr die Klimaziele der Stadt verschärft und zielen nun auf netto null Emissionen bis im Jahr 2030. Wo stehen wir heute?
Mir ist klar, dass wir das Tempo erhöhen müssen. Bald werden wir verschiedene Szenarien vorlegen und aufzeigen, per wann wir mit welchen Massnahmen und Kosten auf netto null kommen werden. Dann können wir diskutieren, ob wir 2030, 2040 oder 2050 anpeilen wollen. Wollen wir das Ziel bereits 2030 erreichen, dann müssen wir viel Geld für Kompensationen in die Hand nehmen, anders wird es nicht gehen. Neben dem Kompensieren haben wir folgende vier Hebel: Heizungsersatz, Mobilität, Ernährung und Konsum. Wir sind überall massiv dran.
Die Grünliberalen hoffen auch auf neue Technologien. Denken Sie, die Forschung wird das Problem mit den Emissionen bis in zehn Jahren gelöst haben?
Ja, es wird ein ziemlicher Teil des Klimaproblems mit noch nicht entdeckten Möglichkeiten zu beheben sein. Ich bin überzeugt, dass wir vor einem Technik-Schub stehen. Aber wir haben nicht überall Zeit, auf die technologische Entwicklung zu warten. Wichtig ist, dass wir die heutigen Instrumente nutzen. Als Beispiel: Von den Heizungen, die heutzutage ersetzt werden, setzen immer noch mehr als die Hälfte auf eine fossile Lösung. Diese Quote muss runter und die nötige Technik ist bereits vorhanden.
Es wird nicht ohne Verbote und Einschränkungen gehen. Steht dies nicht im Widerspruch mit Ihrer liberalen Ideologie?
Wir müssen überall attraktive Alternativen bieten. Also müssen wir Velowege bauen, damit die Leute vom Auto weg kommen. Wir müssen gute vegetarische Menüs und lokale Produkte anbieten, dann werden die Leute umsteigen. Zudem müssen wir mit der Bevölkerung herausfinden, was wir uns die Klimawende kosten lassen und welche Einschränkungen wir haben wollen. Ich persönlich bin für möglichst wenig Verbote, starke Anreize und eine verursachergerechte Finanzierung.
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