Smart City: Wie kann politische Partizipation gefördert werden?

Politische Teilhabe der Bürger*innen ist ein allgegenwärtiger Diskurs. Mit dem Einzug des digitalen Zeitalters sind Möglichkeiten und Grenzen von Partizipation nochmals vielschichtiger geworden. Welche Chancen dies birgt, hat Tsüri.ch mittels Barcamp versucht zu erörtern.

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Bei bestem Wetter trafen sich gestern Abend die Teilnehmer*innen des fünften Smart City Events im Zürcher Architekturzentrum im Bellerive. Die Frage, «Smarte Politik durch smarte Beteiligung?», wurde dieses Mal in Form eines Barcamps erläutert. Die Mitorganisatoren vom «Staatslabor», «Nextzürich», «Crossiety» und «Thinkpact Zukunft» baten die Gäste nach einem kurzen Pitch an ihre jeweiligen Tische, um der Ausgangsfrage nachzugehen, ob und wie Digitalisierung zu einer höheren politischen Beteiligung führen kann. Wir haben für Euch den Rundgang gemacht und an allen Tischen aufmerksam zugehört.

Staatslabor: Bürger*innen als Ressource für einen besseren Verwaltungsapparat

Das Staatslabor versucht innovative Ansätze zu konzipieren, mit denen die künftigen Herausforderungen einer Verwaltung bewältigt werden sollen. Dabei geht es um weitaus mehr als bloss interne Kommunikation, sondern letztendlich auch um das Anliegen, Bürger*innen die Möglichkeit zu geben, selbst an der Verbesserung einer Verwaltung beteiligt zu sein. Alenka Bonnard, Geschäftsleiterin des Staatslabors, ging an ihrem Tisch der Anwendbarkeit und Notwendigkeit von E-Partizipation als Werkzeug nach. Der Austausch war durchaus kritisch: E-Partizipation solle sinnvoll und differenziert implementiert werden; in letzter Konsequenz gehe es schliesslich darum, durch digitale Neuerungen die politische Beteiligung einfacher, greifbarer und interaktiver zu machen. Auch die Frage, welches Ziel Verwaltungen mit der Nutzung solcher technologischen Neuerungen verfolgen, sei für das Staatslabor nicht immer klar: Geht es um die blosse Nutzung oder werden damit konkrete Probleme bewältigt?

Die inkohärente Umsetzungsstrategie der jeweiligen Verwaltungsapparate sei noch immer ein grosses Hindernis; erstaunlich, hat doch die Digitalisierung nicht erst seit 2018 eingesetzt. Auch die Definition von Demokratie wurde rege diskutiert: Einerseits ist eine politische Debatte mit hoher Volksbeteiligung wünschenswert, andererseits wurden Entscheidungsträger gewählt, um sich ebensolchen Fragen zu stellen. Auch das Staatslabor muss abwägen: Macht es mehr Sinn, den Diskurs für alle Interessierten zu öffnen, oder soll vorab ein Expertenteam an Lösungsansätzen arbeiten? Auch einfache Feedbacksysteme à la Google Maps wurden diskutiert, die – wichtig – nicht nur ein Auffangbecken für Schlechtes, sondern durchaus positive Anmerkungen beinhalten sollen. Die Gretchenfrage, die sich alle Beteiligten stellten, lautete aber: Verkommen technologische Tools zu virtuellen Beschwerdeboxen, um die Gemüter zumindest eine Zeit lang zu beruhigen, oder findet eine ehrliche Konversation statt?

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Wann und wofür sollte E-Partizipation eingesetzt werden? (Im Bild: Alenka Bonnard)

Thinkpact Zukunft – Opensource-Kultur als Katalysator

Manuel Lehmann erforscht mit seinem Team bei «Thinkpact Zukunft» die Potenziale kollaborativer Wirtschaft. Im Konkreten befassen sie sich mit den Strukturen von Wohngenossenschaften oder Foodwaste-Organisationen und denken über umfassende Ansätze nach, um diese ganzheitlich in der Stadtentwicklung einzusetzen. Anhand dieser spezifischen Beispiele wurde die Ausgangslage für die Diskussionsrunde geschaffen: Sind diese (z.B. Foodwaste) soziokulturell bedingt oder Aufgabe der Stadt? Ebensolche Projekte sind lobenswert, benötigen aber Ressourcen und Kapazitäten, die nicht bloss auf Basis von Social Engagement zu stemmen sind. Genauso ist es (noch) nicht Staatsauftrag, die Basis für solche Projekte zu schaffen.

Sicher sei aber, dass die Idee einer kollaborativen Wirtschaft dosiert und mit Bedacht eingesetzt werden müsse, Potenziale zur Steigerung nachhaltiger Produktivität müssen erst noch benannt und evaluiert werden. Die Lösung, so waren sich alle Beteiligten einig: Open Source! Selbstinitiative ist zweifellos gefragt, erfolgreiche Prozesse und Strategien sollten aber für Engagierte zugänglich gemacht werden. Man müsse sich von der «Eigenbrötler-Kultur» in Unternehmen, Institutionen und Organisationen verabschieden, um ein nachhaltiges Zusammenleben für alle zu gewährleisten. Ein weiterer Denkanstoss war die Zugänglichkeit solcher Projekte: Bei Genossenschaftswohnungen ist das ohnehin schon der Fall. Was aber, wenn sich Kleiderbörsen, Foodwaste und weitere kulturelle Anlässe nur noch in Gesellschaftsblasen abspielen? Thinkpact Zukunft beschäftige sich ebenfalls mit dieser Frage, agiere jedoch auf der Metaebene: Eine ganzheitliche Lösung um den Zugang zu gewährleisten, sei noch nicht gefunden – auch hier könnte die Verwaltung ein wünschenswertes Vehikel sein. Der Einzug von Organisationen auf Mikroebenen wie Quartieren hat noch nicht lange Bestand in der Schweiz; dies braucht Zeit und Bemühungen von Gesellschafts- und Staatseite.

Nextzürich: Die Frage der Legitimation

Nextzürich hat sich auf die Fahne geschrieben, sich den Ideen und Themen der Bürger*innen anzunehmen, diese im Sinne der Initiant*innen zu verarbeiten und letztendlich zu kuratieren. Als Anwendungsbeispiel nannte Markus Nollert den Kornspeicher am Sihlquai: Was, wenn da eine Kletterwand installiert werden könnte? Es geht also, um nur einige Beispiele zu nennen, um die Bespielung öffentlicher Plätze, Konzepte gegen Littering oder Stadtpläne für neue Velowege. Der Clou: Jeder darf Ideen einbringen – die ultimative politische Teilhabe zur Stadtentwicklung also. Diese Inputs aber auf die politische Agenda zu bringen, ist weitaus schwieriger. Bei Nextzürich können solche Denkstrukturen weiterverfolgt und zu Projektentwürfen ausgearbeitet werden. Grundsätzlich möchte Nextzürich mit der Stadt in einen Dialog treten, um im Idealfall ein Budget zu schaffen, welches für Anliegen der Bewohner*innen genutzt werden soll, die im politischen Alltag sonst keinen Platz finden.

Die übergreifende Debatte ging hier um die Legitimation solcher demokratischen Prozesse. Wie gross müssen Projekte sein, um für möglichst viele Bürger*innen einen Mehrwert zu generieren und so die Dringlichkeit für die Stadtverwaltung sichtbar zu machen? Man müsse auch aufpassen, dass man den Bürger*innen nicht alles verspreche, so ein Partizipant. Vielmehr ginge es doch auch darum, Varianten zu präsentieren und Kompromisse einzugehen; schliesslich ginge es immer noch um Politik und in einem weiteren Schritt darum, dass Politiker für solche Projekte einstehen müssten. Hier wurde auch die zögerliche Herangehensweise der Stadt bemängelt – warum nicht einfach mehr Testphasen für Projekte einführen, analog dem Beispiel der Gummifüllung in den Tramschienen? Die Stadt rede stets Endzustand; auf dieser Basis würden sich Projektideen grundsätzlich immer schwerer realisieren. Verwaltungen müssen den Mut haben, etwas auszuprobieren! Die Quintessenz: Warum nicht ein Quartier als Testlabor nutzen?

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Am Tisch von Nextzürich wurde über Umsetzbarkeit von Projekten nachgedacht und diskutiert.

Crossiety – Lokales Engagement mittels digitalem Dorfplatz

Joel Singh von Crossiety beschreibt sein Projekt als ein soziales Netzwerk, welches den Austausch zwischen Gemeinden, Vereinen, Schulen und privaten Gruppierungen oder Haushalten fördert. Damit gewährleistet Crossiety eine kollaborative Society; eine Community, die ihr Potenzial nutzt, um ihr Zusammenleben ganzheitlich lebenswerter zu gestalten. An diesem Tisch wurde vor allem die allgegenwärtige Informationsflut diskutiert, die mit der Digitalisierung Einzug erhielt. Mittels Internet schaue man so weit über den eigenen Tellerrand, dass man diesen fast gänzlich aus den Augen verliere. Daher müssen lokal verankerte Ressourcen besser zugänglich gemacht und gebündelt werden können. Verschiedene Interessengemeinschaften sollen so zusammengebracht werden, um ihre unmittelbare Umgebung aktiv mitzugestalten, was in letzter Konsequenz auch zu einer nachhaltigen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene führen soll. Nur: Auf einem realen Dorfplatz könne man selbst entscheiden, an welcher Diskussion man sich beteilige. Dies sollte auch auf dem virtuellen möglich sein: Nutzer*innen sollen die Gelegenheit haben, sich aktiv an Gesprächen zu beteiligen, oder sich diesen zu verweigern, wenn sie denn möchten – so können konstruktive Gespräche mit Parteien gewährleistet werden, die ein aufrichtiges Interesse an der Problemlösung haben.

Die Gespräche liefen auch beim Zusammenkommen in der Endrunde munter weiter, was ganz im Sinne des Abends war: Meinungen wurden ausgetauscht, Anliegen platziert und Denkanstösse vermittelt. Der Wille zur aktiven Beteiligung an solchen Prozessen war der grundlegende Antrieb für alle Konversationen in den jeweiligen Gruppen. Die Begriffsklärung von Smart City wurde lediglich latent behandelt, was aber einer weitaus wichtigeren Erkenntnis zugrunde lag: Der Wille zur Partizipation ist da, der Dialog mit den Verwaltungsinstanzen muss nun noch beharrlich weitergeführt werden.

(Alle Bilder: Laura Kaufmann)

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