Rote Fabrik lanciert «Labor» für Produzent:innen und DJs
Das Clubbüro der IG Rote Fabrik will kreatives Schaffen fördern, indem es Laien und professionellen Musiker:innen aus der elektronischen Szene sowie DJs ein Aufnahmestudio zur Verfügung stellt – selbstverwaltet und kostenlos. Was bereits vor der Coronakrise ein Traum war, wird nun zur Realität.
Es regt sich wieder was in der Roten Fabrik. Fast scheint es, als hätte es die Pandemie nie gegeben und auch die Negativschlagzeilen über einen «Putsch» in der Geschäftsleitung sind längst verblasst. Nun wird am linken Seeufer wieder getrunken, getanzt und getüftelt. Vielleicht ist Isi von Walterskirchen deshalb so gut drauf, als sie am Telefon vom neuesten Projekt aus der Ideenfabrik erzählt – dem «CB-Lab», einem Community-Aufnahmestudio: «Wir wollen einen Raum schaffen, in dem jede interessierte Person Musik kreieren kann. Ganz egal, ob laienhaft oder professionell.» Von Walterskirchen ist Leiterin des Clubbüros, das seit drei Jahren partizipative Clubkultur in den Räumen der IG Rote Fabrik fördert.
Corona sei «Dank»
Externen die Möglichkeit zu bieten, in den Hallen des Kulturzentrums Veranstaltungen durchzuführen, sei nur ein Pfeiler des Clubbüros, so von Walterskirchen. Auch die Organisation von Weiterbildungen und runden Tischen werde vom Kollektiv aufgegleist. Beides habe sich mittlerweile in der Zürcher Clubkultur etabliert. Der Wunsch eines Musikstudios, in dem herumexperimentiert werden kann, sei ihnen bisher jedoch verwehrt geblieben: «Nach der Gründung des Clubbüros kam die Pandemie; da hatten wir mit anderen Problemen zu kämpfen.» Zumal ein solches Projekt nur physisch funktioniere, sagt die 43-Jährige
«Das Labor soll in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv entstehen. Jede:r ist willkommen, mitzuwirken – auch Neulinge.»
Isi von Walterskirchen
Doch der Traum eines solchen Ortes geht nun sogar «dank» Corona in Erfüllung: Das Geld für die Umsetzung stammt aus dem Unterstützungsfonds des Kantons, das Kulturunternehmen mit einer einmaligen Finanzhilfe für sogenannte Transformationsprojekte unter die Arme greift. Beschlossen wurde diese Massnahme im Herbst 2020 im Zuge des überarbeiteten Covid-19-Gesetzes. Gemäss den kantonalen Vorgaben müssen «förderfähige» Projekte entweder eine strukturelle Neuausrichtung, die Wiedergewinnung oder Erschliessung von neuem Publikum bezwecken.
Beim CB-Lab würden also gleich mehrere Voraussetzungen erfüllt, führt von Walterskirchen aus: «Während Corona haben wir gemerkt, dass der Bedarf nach niederschwelligen Angeboten für junge Musikschaffende aus der elektronischen Szene extrem gross ist.» Nachdem der Lockdown das Nachtleben praktisch zum Stillstand gebracht hatte, sei der Dancefloor zu einem «Kreationsraum» umfunktioniert worden: Die «QU-Fabrik» – das QU steht für Quarantäne – bot die Möglichkeit, an einem Ort in der Stadt Zürich elektronische Musik zu produzieren und bei Bedarf technischen Support zu erhalten. Dies sei rege genutzt worden, so die Mitinitiantin des Pilotprojekts: «Eine Gruppe von 16-Jährigen hat ihre ersten eigenen Tracks produziert, andere haben in Eigenregie DJ-Workshops angeboten oder neue Kollaborationen ausprobiert.» Diese Erfahrungen haben laut von Walterskirchen gezeigt, dass ein einfach zugängliches und kostenlos nutzbares Musikstudio, wie die QU-Fabrik es war, dringend gebraucht wird; denn normalerweis würden solche nur von Profis oder für viel Geld gemietet werden können.
Nicht nur kreieren, sondern auch kollaborieren
Doch seit den letzten Recordings in der QU-Fabrik sind einige Monate vergangen. Die Massnahmen gegen die Pandemie sind im März diesen Jahres vollständig aufgehoben worden, weshalb die Räumlichkeiten in den Hallen der Roten Fabrik wieder für Veranstaltungen genutzt werden. Das temporäre Studio musste weichen. Aber nicht für lange, denn dank dem finanziellen Zustupf des Kantons im sechsstelligen Bereich wird das Clubbüro seinen Traum vom Ort des kreativen Schaffens weiter träumen können. In wenigen Tagen würden sie die zukünftigen Nutzenden befragen, was sie sich vom neuen Studio, dem CB-Lab, wünschen. Es sei den Inititant:innen wichtig, dass sich alle Interessierten dazu äussern können, so von Walterskirchen: «Das Labor soll in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv entstehen. Jede:r ist willkommen, mitzuwirken – auch Neulinge.»
Ganz der Ideologie der Roten Fabrik entsprechend, soll es auch nach der Eröffnung im Mitte Dezember 2022 selbstverwaltend weitergehen. Vieles basiere auf Freiwilligenarbeit. Lediglich das sechsköpfige Kernteam, bestehend aus Programmier:innen, Akustiker:innen und Producern sowie von Walterskirchen als Koordinatorin, ist fest angestellt. Der Austausch von Wissen und Fähigkeiten sei eine wichtige Facette des CB-Labs, sagt von Walterskirchen: «Die Expert:innen werden Musikschaffende bei ihren Projekten unterstützen, Workshops organisieren und die akustischen Bedingungen für neue Kreationen schaffen.» Wie bereits in früheren Initiativen des Clubbüros gehöre die Förderung von sozialem Engagement zu einem der Ziele des CB-Labs.
Zelebrierte «DIY»-Philosophie
Das Aufnahmestudio ist nicht das einzige Projekt, das die Kulturinstitution in petto hat. Anfang Juni wird das neue Soundsystem eingeweiht, das von verschiedenen Personen aus dem Netzwerk des Rhizom Festivals und der Roten Fabrik zusammengebaut wird. Dieses wird künftig über das CB-Lab koordiniert und auf dem Areal genutzt wie auch für externe Veranstaltungen ausgeliehen. Von Walterskirchen hofft, dass auch hier eine offene Community entstehen wird. Sie jedenfalls schwärmt von der neuen Musikanlage: Schliesslich sei diese das «Herz» einer jeden Party.
Federführend bei der Umsetzung war jedoch nicht sie selber, sondern Sebastian Nagelmüller. Er ist, wie von Walterskirchen auch, Mitorganisator des Rhizom Festivals. Vorbild und Soundkonzept für die Anlage würden vom befreundeten Berliner Soundsystem «Risikoanlage» stammen, so die Partyveranstalterin: «Das Soundsystem in Zürich wird die kleine Schwester davon.» Ob sich das Rumtüfteln gelohnt hat, zeigt sich am Pfingstwochenende, dann werden Live-Acts und Djs des Rhizom Festivals das Soundystem zum ersten Mal bespielen. In Zukunft soll sie einen Mittelpunkt der gerade entstehen Community bilden.
Bis im CB-Lab das erste Mal etwas Neues entstehen kann, wird es noch etwas dauern. Jetzt werde zuerst das Nutzungskonzept ausgearbeitet, danach das Studio gebaut. Mithelfen könne jede:r, betont von Walterskirchen erneut: «In der Community entstehen die stärksten Ideen.»