«Wir können nicht überall günstigen Wohnraum zerstören»

Der SVP-Politiker Reto Brüesch fordert, dass die Stadt bei Leerkündigungen künftig Informationen zur Eigentümerschaft und zum Gebäudealter sammelt. Dadurch sollen Fälle wie jener bei den Sugus-Häusern verhindert werden.

Reto Brüesch SVP
Er sei ein liberaler SVPler, meinte Reto Brüesch vor zwei Jahren im Gespräch mit Tsüri.ch. (Bild: Steffen Kolberg)

Isabel Brun: Zusammen mit Jean-Marc Jung von der SVP haben Sie im Zürcher Gemeinderat ein Postulat eingereicht, das von der Stadt verlangt, dass sie bei Leerkündigungen künftig Daten zur Eigentümerschaft und dem Alter der Liegenschaft sammelt. In der Regel kommen solche Forderungen eher von linken Parteien. 

Reto Brüesch: Ja, das stimmt wohl. Auch wenn es natürlich im Sinne aller Parteien sein sollte, dass es in Zürich genügend Wohnraum gibt. Aber es liegt wohl auch an meinem Beruf, dass ich mich für wohnpolitische Themen interessiere: Als Geschäftsleiter einer Baugenossenschaft bin ich zwangsläufig mit den Auswirkungen davon konfrontiert. 

Es ist also nicht bloss ein strategischer Entscheid Ihrer Partei, auch auf den «Wohnpolitik-Zug» aufzuspringen? Nach dem Aufschrei über die Kündigungen bei den Sugus-Häusern wäre das sicher kein schlechter Schachzug.

Nein. Tatsächlich formulierte ich den Vorstoss bereits, bevor der Fall der Sugus-Häuser publik wurde. Ende November veröffentlichte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) einen Bericht, in dem es auch um Leerkündigungen ging. Darin hiess es, dass nirgends so viele Häuser leer gekündigt werden wie in der Stadt Zürich.

Allerdings fand ich keine Informationen darüber, wer die Eigentümer:innen waren oder in welcher Bauperiode die Liegenschaften erstellt wurden. Das machte mich hellhörig. 

«Sowas, wie es bei den Sugus-Häusern passiert ist, ist ein absolutes No-Go.»

Reto Brüesch, SVP-Gemeinderat

Warum ist es Ihnen so wichtig, das zu wissen?

Je mehr man weiss, desto bessere Entscheidungen kann man treffen. Gerade in Bezug auf eine nachhaltige und sozialverträgliche Stadtplanung finde ich es wichtig, alle Faktoren zu kennen, die zu einer Veränderung der Bevölkerung führen können.

So sieht die Stadt beispielsweise vor, die Quartiere Altstetten, Albisrieden und Zürich Nord weiter zu verdichten. Dort leben aktuell viele Menschen mit kleinen Einkommen. Diese werden sich eine Wohnung in einem Ersatzneubau kaum leisten können und verlieren somit ihr Zuhause. Dieser Entwicklung muss man entgegenwirken: Wir können nicht überall günstigen Wohnraum zerstören.

Sie erhoffen sich also einen Paradigmenwechsel?

Oder zumindest einen sensibleren Umgang mit der Thematik. In einigen Fällen ist eine Leerkündigung vielleicht wirklich die einzige Lösung, in anderen wäre vermutlich auch ein Umbau im bewohnten Zustand möglich.

Ich möchte nicht mit dem Finger auf die Eigentümer:innen zeigen – 98 Prozent von ihnen handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Aber sie sollten auch Verständnis für die Anliegen und Sorgen ihrer Mieter:innen aufbringen können. Sowas, wie es bei den Sugus-Häusern passiert ist, ist ein absolutes No-Go. 

Ecken Sie mit diesen Ansichten innerhalb der Partei an?

Selten. Meine Kollegen vertrauen meinen Erfahrungen in diesem Bereich. Bisher haben meine Vorlagen die Fraktion jedes Mal überzeugt. Es wäre schön, wenn andere Gemeinderät:innen ebenfalls etwas vom Rechts-Links-Denken abkommen könnte und man mehr gemeinsame Lösungen sucht. Denn, dass sich die SVP nicht um knappen Wohnraum und den hohen Mieten in Zürich schert, stimmt nicht. 

Vergangenen Mittwoch hat es geklappt: Ihr Postulat wurde vom Rat mit grosser Mehrheit überwiesen. Jetzt hat der Stadtrat zwei Jahre Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Wie soll es danach weitergehen?

Wir von der SVP sind kein Fan von Bürokratie, aber ich bin mir sicher, dass das Sammeln von Daten hier sinnvoll ist. Im besten Fall führt es zu einer Sensibilisierung von Eigentümer:innen, Bauunternehmen und Akteur:innen in der Stadtplanung. Ansonsten braucht es weitere Massnahmen – einige Ideen liegen bereits bei mir auf einem Stapel.

Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Natürlich jederzeit kündbar.

Jetzt unterstützen!

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare