M4Music sagt Auftritt von Sängerin ab

Die Schweizer Musikerin Bernarda Brunović wird vom M4Music-Festival ausgeschlossen. Auslöser war die Kritik eines feministischen Kollektivs an Brunovićs Engagement am «Marsch fürs Läbe».

Bernarda Brunovic
Bernarda Brunović kam 1993 blind in Kroatien auf die Welt. (Bild: Bernarda Music)

Dieses Wochenende findet das jährliche M4Music Festival in den Zürcher Clubs Schiffbau, Moods und Exil statt. Von den insgesamt 40 geplanten Konzerten fällt ein Auftritt weg. Die Schweizer Singer-Songwriterin Bernarda Brunović wurde am Donnerstagmorgen aus dem Line-up gestrichen.

Auslöser war eine Instagram-Story des feministischen Streikkollektivs Zürich. In einer Story wurde Brunovićs Teilnahme und Performance beim «Marsch fürs Läbe», einer jährlichen Demonstration gegen das Recht auf Abtreibung, kritisiert. Eine Reaktion liess nicht lange auf sich warten: Noch am Donnerstagmorgen verschwand das Gesicht der Musikerin von der Festival-Website. Kurz darauf bestätigte ein Instagram-Post von M4Music die Konzertabsage.

Grund dafür sei die Befürchtung, es könnte beim Auftritt zu Störaktionen kommen, heisst es seitens der Medienstelle der Migros Genossenschaft, die das M4Music veranstaltet. «Die Sicherheit des Publikums und aller Beteiligten hat oberste Priorität.»

Ganz aus dem Nichts kam die Kritik allerdings nicht: Das feministische Streikkollektiv Zürich schreibt auf Anfrage, dass Mitglieder über eine andere Organisation bereits vorab auf Brunovićs Hintergrund hingewiesen hätten. 2022 und 2023 sang die Sängerin am «Marsch fürs Läbe» in Zürich-Oerlikon.

Die Veranstalterin behauptet eine andere Geschichte: Man sei erst nach dem Booking auf frühere Auftritte der Sängerin gestossen. Zwar mache das M4Music Background-Checks, aber in Anbetracht von diversen gesellschaftlichen und politischen Themen, verschiedenen Kanälen und zeitlicher Tiefe «kann auch mal etwas übersehen werden».

Wer ist Bernarda Brunović? 

Die Sängerin selbst bedauert die Absage und schreibt auf Anfrage: «Meine Band und ich haben uns riesig auf unseren Auftritt gefreut, um einfach nur unsere 45 Minuten auf der grossen Bühne zu feiern.» Sie hasse keinen Menschen: «Wir mögen verschiedene Meinungen haben, und daraus folgen auch Uneinigkeiten, trotzdem hat jeder einzelne Mensch seine Einzigartigkeit, Liebenswürdigkeit, seine unantastbare Würde.» Was Abtreibungen anbelange, sage sie lediglich, dass sie ihren Eltern, unendlich dankbar sei, dass sie von Anfang an «Ja» zu ihr gesagt und ihr das Leben ermöglicht hätten.

Brunović wurde 1993 blind in Kroatien geboren und kam als Kleinkind in die Schweiz. Ihre Musikkarriere begann 2010, als sie die Schweizer Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest gewann. Wirkliche Bekanntheit erlangte sie 2018 als sie es ins Halbfinale von «The Voice of Germany» schaffte. 

Politische Verantwortung von Kulturveranstaltungen

Obwohl Bernarda Brunović bereits viel Medienpräsenz bekam, darunter in TV-Sendern wie TeleZüri, SRF und ZDF, sorgte ihr Engagement beim «Marsch fürs Läbe» bislang kaum für Empörung. Dass nun ausgerechnet ein Musikfestival auf die Kritik reagiert, öffnet die Frage nach der politischen Verantwortung von Kulturveranstaltungen.

Das feministische Streikkollektiv Zürich betont: «Das Einladen von Abtreibungsgegner:innen oder das Desinteresse an solchen Auseinandersetzungen stellt eine klare politische Haltung dar – denn Events haben immer eine politische Dimension, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht.» Die Kultur- und Musikbranche trage die Verantwortung, «sich reaktionärem Gedankengut zu widersetzen, das soziale Errungenschaften wie das Recht auf Abtreibung rückgängig machen will, und dieses nicht weiter zu verbreiten». 

Demgegenüber kritisiert die Zürcher SVP die Absage in ihrer Medienmitteilung und argumentiert, dass bei einer linken Künstlerin in einer vergleichbaren Situation wohl anders reagiert worden wäre, da «die Sicherheitsorgane mit einem Grossaufgebot für die reibungslose Durchführung des Auftritts sorgen würden.» 

M4Music bedauere die Gesamtsituation und werde die Geschehnisse nach dem Festival sorgfältig aufarbeiten, schreibt die Medienstelle.

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Sophie Wagner

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

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Kommentare

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