Menschen Leben Tanzen Welt. Zürich stimmt ab.
Günstiger Wohnraum, grüne Freiräume und grosse Tänzer*innen – Am 21. Mai stimmt Zürich ab. Wir erklären, um was es in den drei Vorlagen geht. Jeweils in einer ziemlich kurzen und einer noch kürzeren Fassung.
Während das Zürcher Stimmvolk zur «Energiegesetz»-Vorlage bereits Post von «besorgten Bürgern» und «Vogelliebhabern» erhalten hat und das Thema medienwirksam breit diskutiert wird, wollen wir von Tsüri uns auch bei Abstimmungen auf unsere Kernkompetenz beschränken: die Stadt Zürich. In den drei städtischen Vorlagen geht es um gemeinnützigen Wohnungsbau, Grünräume und das Zürcher Tanzhaus. Es folgt ein Überblick, jeweils mit Kurzfassung für die Lesemüden.
Wohnbauaktion 2017, Rahmenkredit von 90 Millionen Franken
Kurz: Zum 22. Mal seit 1943 stimmt das Zürcher Stimmvolk über eine Wohnbauaktion ab: Der Stadt soll ein Rahmenkredit von 90 Millionen Franken gewährt werden, um den gemeinnützigen Wohnbau zu fördern. Die letzten beiden Runden 2006 und 2011 wurden mit jeweils um die 80 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Der Stadt- und Gemeinderat sowie die meisten Parteien sind dafür, weil ein Grossteil der Stimmbürger*innen (über 75%) schon 2011 für einen Drittel gemeinnützige Wohnungen bis 2050 gestimmt haben und dieses Ziel ohne Geld schwer zu realisieren ist (jetziger Stand: 26.8%, Stand 2015). Auf der Gegner-Seite findet die FDP 90 Millionen zu viel, ihr hätten 30 gereicht. Die SVP redet von «Ökospiessern» und «unkontrolliertem Bevölkerungszuzug» und disqualifiziert sich in dieser Diskussion ein weiteres Mal.
Lang: Die Politik der öffentlichen Förderung von gemeinnützigem und günstigem Wohnraum hat in der Stadt Zürich eine lange Tradition und wird schon seit 1907 aktiv verfolgt. Mittlerweile werden 26.8 Prozent aller Mietwohnungen in Zürich dem gemeinnützigen Wohnungsbau angerechnet (Stand 2015). Gemeinnützig bedeutet in diesem Falle, dass Mietwohnungen zur Kostenmiete vergeben werden. Dass heisst: Die Besitzenden der Wohnungen (meistens Genossenschaften) dürfen keine Renditen erwirtschaften, die Wohnung wird somit den Marktpreissteigerungen entzogen. Das sorgt dafür, dass die soziale Vielfalt in der Stadt Zürich trotz hohen Mietzinspreisen gewährleistet bleibt.
Seit 1943 gibt es nun die «Wohnbauaktion»: Das Stimmvolk spricht sich alle paar Jahre für oder gegen einen weiteren Rahmenkredit zur öffentlichen Förderung des gemeinnützigen Wohnens aus. Bisher gab es 22 dieser Runden und 22 Mal stimmte das Volk zu – die letzten Male 2006 (79.2% Ja-Stimmen) und 2011 (81.1% Ja-Stimmen). In den letzten beiden Runden wurde jeweils ein Kredit von 30 Millionen Franken gesprochen – Nun soll ein Kredit von 90 Millionen gesprochen werden.
Der Rahmenkredit aus diesen Runden wird in Form von Beiträgen an städtische Stiftungen und zinslose Darlehen an private Trägerschaften vergeben. Die Beiträge werden nicht zurückgezahlt, die zinslosen Darlehen hingegen schon. Seit 1943 wurden 213 der 402 der als Darlehen ausbezahlten Millionen wieder zurückgezahlt, also über die Hälfte (Stand 2016). Das meiste Geld ist also nicht verloren, es wird nur ausgeliehen.
Stadt- und Gemeinderat empfehlen die Annahme der Vorlage sowie alle Parteien ausser SVP und FDP. Die SVP wettert dabei gegen die nicht ausgewogene soziale Durchmischung und zeichnet ein Bild von Wohnsiedlungen, bestehend aus «rot-grünen Kommunen von sozialistischen Gleichgesinnten und Ökospiessern». Aber Schuld ist auch der «unkontrollierbare Bevölkerungszuzug aus dem Ausland» – also alles wie immer. Die FDP findet die Idee zwar okay, aber 90 Millionen schlicht zu viel – 30 hätten ihr gereicht. Darüber kann man sicher diskutieren, aber grundsätzlich bleibt anzumerken: Drei Viertel des Zürcher Stimmvolks hat 2011 schon einer Aufstockung des gemeinnützigen Wohnens auf ein Drittel aller Mietwohnungen bis 2050 zugestimmt. Ohne die entsprechenden Mittel dürfte es schwer sein, dieses Ziel zu erreichen.
Die Tsüri-Redaktion empfiehlt diese Vorlage mit 10:1 Stimmen zur Annahme.
Wer sich fragt, wo der gemeinnützige Wohnungsbau überhaupt zu finden ist: Hier eine Karte.
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Gegenvorschlag des Gemeinderats zur «Volksinitiative für den Schutz und die Förderung von Grün- und Freiräumen» (Grünstadt-Inititative)
Kurz: Das Initiativkommitee der «Grünstadt-Initiative» will, dass die Stadt bestehende Grün- und Freiräume schützt und weitere fördert. Anfangs 2017 haben sie ihre Volksinitiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückgezogen, über den wir jetzt abstimmen. Alles was in dieser Vorlage zudem gefordert wird, ist durch den revisionierten Richtplan 2016 bereits gegeben. Nur ist es noch nicht in der Gemeindeordnung verankert. Eine Zustimmung zur Vorlage durch das Volk würde nochmals die Wichtigkeit des Anliegens unterstreichen. Stadt- und Gemeinderat sowie die meisten Parteien empfehlen eine Annahme der Vorlage, die FDP und SVP die Ablehnung. Sie fürchten eine Überfrachtung des Zweckartikels der Gemeindeordnung sowie eine uneträgliche Zunahme von «unzugänglichen Biotopen» in der Stadt.
Lang: Vor drei Jahren wurde die «Grünstadt-Initiative» eingereicht, mit dem Ziel die bisherigen Grün- und Freiräume der Stadt Zürich zu schützen und den weiteren Ausbau zu fördern. Der Stadtrat fand das grundsätzlich keine schlechte Idee, stiess sich jedoch am Übergangsartikel 125. Dieser sprach davon, dass bis zur allfälligen Umsetzung der Initiative keine Erholungs-, Freihalte- und Landwirtschaftszonen in Bauzonen umgewandelt werden dürften. Dem Gemeinderat wurde daher vom Stadtrat ein Gegenvorschlag unterbreitet. Konkret: Artikel 125 wurde gestrichen, der Rest eins zu eins übernommen.
Im April 2016 wurde nun ein revisionierter Richtplan vom Gemeinderat angenommen, welcher die angesprochenen Punkte der Initiative bereits beinhaltet. Der Siedlungsraum wird zugunsten von Erholungsraum verkleinert und folgende Planungsrichtwerte wurden festgelegt: Pro Einwohner*in sollen acht Quadratmeter Freiraum zur Verfügung stehen und pro Arbeitsplatz fünf Quadratmeter.
Anfang 2017 hat das Initiativkommitee seine Volksinitiative nun zugunsten des Gegenvorschlags zurückgezogen, sodass wir nun nur über den Gegenvorschlag abstimmen. Und dieser ist praktisch in Form des Richtplans bereits umgesetzt. Mit einer Aufnahme des Artikels in die Gemeindeordnung würde jedoch nochmals die Wichtigkeit des Anliegens unterstrichen sowie der Auftrag an Stadt- und Gemeinderat verstärkt, die Planungsziele konsequent zu verfolgen.
Stadt- und Gemeinderat sowie die meisten Parteien empfehlen eine Annahme der Vorlage. SVP und FDP sind gegen die Vorlage und fürchten eine Überfrachtung des Zweckartikels der Gemeindeordnung. Zudem solle die Stadt nicht aus «unzugänglichen Biotopen» bestehen. Davon sind wir aber, mit Verlaub, noch meilenweit entfernt.
Die Tsüri-Redaktion empfiehlt diese Vorlage mit 11:1 Stimmen zur Annahme.
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Verein Tanzhaus Zürich, jährliche Beiträge von maximal 1'827'166 Franken ab 2019
Kurz: Das Tanzhaus Zürich ist das Zürcher «Kompetenzzentrum des zeitgenössischen Tanzes». Die Stadt subventioniert das Haus bereits mit drei Viertel der bisherigen 1.6 Millionen Franken im Budget. Weil 2012 jedoch ein Teil des Tanzhauses abgebrannt ist und der Ersatzneubau, welcher im Oktober 2018 eingeweiht wird, höhere Koste verursacht, stimmen wir über höhere Subventionen ab. Konkret wird der Beitrag auf 1.8 Millionen Franken erhöht. Stadt- und Gemeinderat sowie alle Parteien ausser der SVP empfehlen eine Annahme der Vorlage.
Lang: Das Tanzhaus Zürich ist gemäss Abstimmungszeitung, welches sich stellenweise wie ein Werbeheftchen liest, «ein eigentliches Kompetenzzentrum des zeitgenössischen Tanzes». Es wurde 1996 gegründet und beherbergt die freie Zürcher Tanzszene, also all jene Tänzer*innen, welche nicht Institutionen wie der Oper angebunden sind. Zudem ist es Quartiertreff, Begegnungsort und Trainingsstätte für alle Tanzbegeisterten.
Bisher stellte die Stadt drei Viertel des Tanzhaus-Budgets von 1.6 Millionen Franken zu Verfügung. 2012 ist ein Teil des Tanzhauses abgebrannt, wobei der Gemeinderat einen Ersatzneubau genehmigte, welcher im Oktober 2018 eröffnet werden soll. Ein Neubau bedeutet jedoch höhere Unterhaltskosten, zudem sollen eine neue 80-Prozent-Stelle für die Produktionstätikeit sowie eine 50-bis-80-Prozent-Stelle für den technischen Unterhalt zusätzlich finanziert werden. Der Beitrag der Stadt an das Tanzhaus soll deshalb auf 1'827'166 Franken jährlich erhöht werden. Dieser Betrag kann jedoch gekürzt werden: 10 Prozent, wenn die städtische Jahresrechnung des vorangegangenen Jahres einen Bilanzfehlbetrag aufweist; 20 Prozent, wenn dies zwei Jahre in Folge geschieht.
Stadt- und Gemeinderat sowie die meisten Parteien empfehlen die Annahme der Vorlage. Und Kurt Aeschbacher, um ihn hier speziell zu erwähnen. Die SVP lehnt die Vorlage ab mit der Begründung, dass man am Besten nichts unterstützt, was einem nicht selbst nützt. Oder mit den Worten der SVP: «Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Und das betrifft alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, auch jene Hunderttausende, die nie einen Schritt ins Tanzhaus machen werden».
Die Tsüri-Redaktion empfiehlt diese Vorlage mit 11:1 Stimmen zur Annahme.
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