Mehr Musik, mehr Lichter: Gemeinderat lockert Regeln für Gastrobetriebe

Neu sollen Zürcher Bars und Restaurants mehr Freiheiten bei der Beleuchtung haben, auch draussen Musik spielen dürfen und Parkplätze für die Bestuhlung nutzen können.

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«Sofern es mit dem Ruhebedürfnis der Anwohnenden kompatibel ist», sollen Gastrolokale künftig auch im Aussenbereich die Gäst:innen beschallen dürfen. (Bild: Tsüri.ch)

Das Musikverbot für Aussenbereiche von Gastrobetrieben sei ein «Relikt aus zwinglianischen Zeiten», meinte SP-Gemeinderat Severin Meier. Es gehöre dringend abgeschafft. 

Eine Mehrheit im Gemeinderat folgte am Mittwochabend dieser Idee und stimmte weiteren Liberalisierungen für die Zürcher Gastronomie zu. Neben der Musikregelung waren auch Beleuchtung und Möblierung vor Cafés, Bars und Restaurants Thema.

Insgesamt wurden fünf Vorstösse dazu eingereicht. Alle zielten auf eine lebendigere Nutzung des öffentlichen Raums: «Es geht darum, diesen Raum nicht nur zu schaffen, sondern auch eine friedhofsähnliche Stimmung zu vermeiden», so Severin Meier. 

Während die Bürgerlichen die Lockerung des Musikverbots befürworteten, stiess sie bei den Grünen und der AL auf Kritik.

«Die Gastro-Lobby hat mal wieder zugeschlagen», sagte Michael Schmid (AL). Bereits während der Pandemie hätten Gastrobetriebe den öffentlichen Raum in privaten umgewandelt. Und darum gehe es auch hier. «Schon die dauernde Berieselung mit Musik an Orten wie Supermärkten ist geschmackslos und nicht selten anmassend.» 

«Es ist irritierend, dass die SP beim Kniefall vor der Gastro-Lobby mitmacht.»

Michael Schmid (AL)

Doch der zentrale Unterschied sei, dass man sich im öffentlichen Raum der Beschallung nicht entziehen könne. Gerade Anwohnende und Menschen mit geringerem Einkommen, die auf öffentliche Räume angewiesen seien, würden beeinträchtigt. «Es ist irritierend, dass die SP hier beim Kniefall vor der Gastro-Lobby mitmacht», so Schmid.

Auch die geplante Erlaubnis für mehr Beleuchtung auf den Aussenflächen stiess bei der AL und einer Mehrheit der Grünen auf Ablehnung. Neben einer Belastung für Anwohnende sei dies auch eine Störung für die Tierwelt und steigere den Energieverbrauch. Yasmine Bourgeois (FDP) hielt dagegen: Die Beleuchtung erhöhe die Attraktivität und Sicherheit des Stadtraums, zumal Gastronomie-Betriebe zur Belebung der Stadt beitragen würden.

«Bei der Europaallee kann man machen, was man will – viel schlimmer kann es nicht mehr werden.»

Urs Riklin (Grüne)

Besonders hervorgehoben wurde die Situation an der Europaallee. Gerade dort seien beleuchtete Elemente notwendig, erklärte Nicolas Cavalli (GLP). Dies wünschten sich auch die Anwohnenden. Es sei an der Zeit, die Europaallee attraktiver zu gestalten. Eine grosse Mehrheit des Rats war gleicher Meinung. «Bei der Europaallee kann man machen, was man will, viel schlimmer kann es nicht mehr werden», so Urs Riklin (Grüne). Auch die AL sieht Handlungsbedarf, setzt jedoch auf eine andere Herangehensweise: Sie schlägt mehr Grünflächen, zusätzliche Sitzmöglichkeiten und Angebote wie kostenlose Schachspiele vor. Diese Vorschläge soll der Stadtrat nun prüfen.

Ausserdem sollen künftig etwa Cafés Parkplatzflächen für zusätzliche Sitzplätze nutzen dürfen. «Wir haben uns gefragt: Was können wir gegen das Sterben der Gastrobetriebe tun?», so Reis Luzhnica (SP). Besonders kleinere Betriebe würden gerne ihren Aussenbereich erweitern. Dabei solle die jeweilige Situation vor Ort beachtet und das Trottoir nicht zusätzlich belastet werden. Auch diesem Anliegen stimmte der Gemeinderat – wie allen anderen – zu.

Stadtrat setzt sich für Alterswohnungen beim alten Kispi ein

Es ist eine seltene Allianz: Karen Hug (AL) und Reto Brüesch (SVP) setzten sich am Mittwoch gemeinsam für die Zukunft der alten Liegenschaft des Kinderspitals (Kispi) im Quartier Hottingen ein. Der Stadtrat soll verschiedene Nutzungsmöglichkeiten des Areals prüfen.

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Das alte Kispi an der Steinwiesenstrasse ist Geschichte. Ob das Gebäude nun abgerissen wird?

«Für uns ist die nachhaltige Entwicklung des Areals zentral, und eine Nutzung, die dem Quartier zugutekommt», sagte Karen Hug (AL). Sie betonte, dass ein Abriss aus ökologischer Sicht vermieden werden müsse.

Was mit dem 20‘000 Quadratmeter grossen Areal an der Steinwiesstrasse geschehen wird, war lange Zeit klar: Geplant war, die Gebäude abzureissen und ein Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich sowie das Forschungszentrum Comprehensive Cancer Center Zurich zu errichten. Doch laut der NZZ verzögert sich das Projekt nun, der Plan steht auf der Kippe. 

Von allen Fraktionen im Gemeinderat befürwortet einzig die FDP diesen Bau. «Wir brauchen dringend mehr Fläche für die klinische Forschung», sagte Deborah Wettstein (FDP). «Das sollte auch im Interesse aller im Saal sein. Denn eine Krebserkrankung kann euch alle treffen.» Der Bau des Comprehensive Cancer Center sei daher sinnvoll und notwendig.

Alle anderen Parteien sprachen sich gegen einen Abriss aus und plädierten für eine Umnutzung des Areals. «Das Quartier Hottingen benötigt dringend Wohnungen, auch Alterswohnungen. Das ist ein lang gehegter Wunsch der Bewohner:innen», erklärte etwa Nicolas Cavalli (GLP). 

Beim Stadtrat stiessen die Parteien mit diesem Anliegen auf Zustimmung. Doch dieser ist in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, da die Gebäude dem Kanton gehören. Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri (GLP) sagte, der Regierungsrat sei bereits über das Interesse der Stadt informiert und verhandlungsbereit, um dort Alterswohnungen zu realisieren. Hauri appellierte aber auch an den Gemeinderat, andere Vorstösse zurückzustellen: «Je mehr Vorstösse dazu eingehen, desto schwieriger wird es, rasch etwas zu realisieren», so der Stadtrat. 

Weitere Themen der Woche: 

  • Gemeinderat zieht Rechtsstreit zu Basishilfe für Sans-Papiers weiter: Die linke Ratsmehrheit möchte Sans-Papiers unterstützen, die keinen sicheren Zugang zur Sozialhilfe haben. Doch der Bezirksrat befand im Oktober, dass die Massnahme die «Durchsetzung der ausländerrechtlichen Bestimmungen des Bundes» behindere und daher unzulässig sei. Am Mittwoch entschied nun der Gemeinderat, den Entscheid des Bezirksrats an den Regierungsrat weiterzuziehen. «Für uns ist klar, dass niemand in unwürdigen Armutssituationen leben sollte – auch nicht Sans-Papiers», erklärte SP-Gemeinderätin Lisa Diggelmann. Sollte die Zürcher Kantonsregierung ebenfalls gegen die Basishilfe entscheiden, plant die linke Mehrheit, den Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen, wie sie dem SRF-Regionaljournal mitteilte.
  • Nur noch oberirdische Asylunterkünfte: Der Gemeinderat war sich weitgehend einig: Geflüchtete sollen in der Regel in oberirdischen Asylunterkünften untergebracht werden, während unterirdische Zivilschutzanlagen, wie an der Turnerstrasse, nur als äusserste Notlösung dienen sollen. Am Mittwoch überwies das Stadtparlament dazu ein Postulat von Patrik Maillard und Moritz Bögli (beide AL) an die Regierung, um diesen Grundsatz stärker zu verankern. Stadtrat Raphael Golta (SP) nahm das Anliegen entgegen, betonte jedoch, dass bereits intensiv daran gearbeitet werde, unterirdische Unterkünfte zu vermeiden. Und er sagte: «Ich bin mir nicht sicher, ob alle mitbekommen haben, was im Flüchtlingsbereich los war», so Golta. Seine Mitarbeiter:innen hätten sich den Ar*** aufgerissen, um Lösungen zu finden.
  • Kunstdenkmal zur offenen Drogenszene am Letten: Die SP-Gemeinderätinnen Liv Mahrer und Heidi Egger fordern die Errichtung eines Kunstwerks auf dem Gelände des Letten oder des Platzspitz, das an die offene Drogenszene der 90er-Jahre erinnert. Das Projekt soll im Rahmen von «Kunst im öffentlichen Raum» umgesetzt werden. Eine Mehrheit des Rats und der Stadtrat begrüssten den Vorschlag. «Die offene Drogenszene blieb für viele ein städtisches Trauma. Vielleicht brauchte es eine Zeit des Verdrängens. Nun ist die Zeit zum Verdrängen zu Ende», sagte Stadträtin Simone Brander (SP).
  • Weiterförderung und Ausbau der Stiftung Domicil: Die Stiftung Domicil unterstützt sozioökonomisch benachteiligte Menschen bei der Wohnungssuche. Das Stadtparlament beschloss, die Stiftung bis 2028 mit knapp 800'000 Franken weiter zu fördern. Zudem soll der Stadtrat prüfen, wie die Unterstützung für einkommensschwache Personen ausgeweitet werden kann – etwa durch eine Stärkung der Stiftung oder den Ausbau eines eigenen städtischen Angebots. Ein entsprechendes Postulat wurde mit 61 Ja- gegen 53 Nein-Stimmen überwiesen.
  • «Quartz» und «artFAQ» werden bis 2028 gefördert: Der Gemeinderat entschied, den Verein «Quartz Genève Zürich» weiterhin bis 2028 mit einem jährlichen Beitrag von 170'000 Franken zu fördern. Diese Unterstützung ermöglicht die Verleihung des Schweizer Filmpreises. Auch «ArtFAQ», eine Produktionsplattform für Tanz, Theater und Performance in der Region Zürich, wird weiterhin jährlich mit 212'300 Franken erhalten.
  • Gesundheitszentrum für das Alter Grünau wird saniert: Nach 45 Jahren steht das Hauptgebäude des Gesundheitszentrums im Kreis 9 vor einer umfassenden Sanierung. Zusätzlich soll das Personalgebäude durch einen Neubau ersetzt und der Aussenbereich neu gestaltet werden. Der Gemeinderat hat hierfür einen Kredit von zehn Millionen Franken bewilligt.
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