Ist der weisse Mann vom Aussterben bedroht? Teil 2 – José
Wie reagiert der alte, weisse Mann, wenn er mit Fragen zu Rassismus und Sexismus konfrontiert wird? Er fühlt sich angegriffen und bedroht, er verteidigt sich. Katrin Hasler hat der aussterbenden Spezies ein Buch gewidmet, gefüllt mit Interviews. Tsüri.ch publiziert drei gekürzte Gespräche; heute Teil 2 mit José.
Interview: André Moita
Fotos: Djamila Grossman
Dieses Interview ist Teil 2 der Artikelserie zum «weissen Mann». Hier gehts zum Vorwort der Herausgeberin.
Denkst du, dass der weisse Mann vom Aussterben bedroht ist?
Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, dass man in Europa bodenständig ist und die Kultur bestehen bleibt. In Nordamerika wird er sicher auch überleben. In Asien, Afrika oder Südamerika überwiegen aber andere Kulturen und der weisse Mann wird dort immer weniger zurechtkommen.
Und der weisse Mann als Gesellschaftsschicht?
Nein, in der Chefetage wird immer noch auf uns Europäer gesetzt. Aber in zwanzig bis dreissig Jahren werden Asiaten und Afrikaner stärker sein als wir Europäer.
Was glaubst du, was bedrückt die Leute aktuell?
Wie sich ihre Arbeitsstelle entwickelt und für welchen Lohn sie später arbeiten werden. Heutzutage versucht man alles mit einem Minimallohn zu korrigieren, aber der Abstand wird immer grösser.
Wenn du etwas an der Gesellschaft ändern könntest, was würdest du machen?
Ich würde das Internet abstellen. Wir verlieren uns darin und niemand weiss, was es genau ist. Ich habe weder Facebook noch Twitter. Ich habe WhatsApp, weil ich es für die Arbeit brauche – und das reicht mir.
Hast du irgendwelche Ängste oder Unsicherheiten?
Dass meine Eltern unerwartet sterben oder dass ihnen ein Unglück passiert. Unsicher macht mich, wie man mit jemandem umgeht, der eine andere Kultur hat. Jeder sieht die Welt aus einem anderen Blickwinkel.
Warum macht dich das unsicher?
Ich will keine negative Reaktion verursachen.
Merkst du, dass du in der Schweiz ein Secondo bist?
Ja, sicher. Bei der Wohnungssuche fängt es an. Es gibt einen Unterschied zwischen Eidgenossen und Schweizern.
Spürst du einen gesellschaftlichen Druck?
Ich sollte langsam heiraten.
Was erwartet die Gesellschaft sonst noch von einem Mann?
In der Schweiz ist in den letzten Jahren ein sehr «optischer» Mann entstanden. Er muss ins Fitness gehen, er muss einen Mercedes fahren. Ich kenne Männer, die mehr Schuhe besitzen als ihre Frauen. Es gibt viele Männer, die sich so in den wirtschaftlichen Ruin treiben.
Wodurch entsteht denn dieser Druck?
Sicher auch durch die Erwartungen von Frauen. Und dieses Ideal wird dann über die sozialen Medien ständig gepusht. Und da stirbt der weisse Mann dann aus, weil er schwach wird.
Was hältst du davon?
Ich muss manchmal schmunzeln. Ich sehe viele junge und alte Leute: Ich sehe den Opa, der mit den Stiefeln aus dem Garten kommt, und den Jungen, der vielleicht gerade von einer Party kommt. Und dann fragt man sich: «Wer ist jetzt männlicher?» Für mich ist der ältere Mann viel männlicher – und er kann seiner Frau vielleicht eine leckere Gemüsesuppe kochen. Das Idealbild des Manns von früher war der Cowboy von Marlboro. Für mich soll ein Mann seine Familie ernähren, seiner Frau ein gutes Leben ermöglichen und ihr gegenüber Respekt zeigen. So ein Mann passt für mich viel eher in die Gesellschaft als ein egoistischer Mann, der auf seinem Pferd herumsitzt und eine Zigarette raucht.
Was ist für dich das Männerideal?
Ein Mann muss Land und Besitz haben. Dann kannst du selber wirtschaften: Kartoffeln, Salat, Tomaten. Mit achtzehn Jahren habe ich mein erstes Stück Land gekauft und ein Jahr später meinen ersten Baum gepflanzt. Ich kann meine eigenen Früchte pflücken. Ein Mann muss sich selbst und seine Familie ernähren können. Er sollte sein Leben ohne irgendwelche Unterstützung führen und alles planen. Wenn du in der Schweiz lebst, dann solltest du dir als Mann schon in jungen Jahren überlegen, was für ein Mann du sein möchtest – ein Mieter oder ein Eigentümer. Danach richtest du dann dein Leben aus. Viele Junge sehen jetzt keine grosse Zukunft bei diesen Preisen, deshalb mieten sie eher.
Was ist mit jungen Männern, die noch keine Familie haben?
Mit zwanzig ist man doch noch kein Mann. In diesem Alter wollte ich noch nichts von einer Beziehung wissen.
Muss eine Frau auch Land haben?
Nein, ich denke nicht unbedingt. Früher musste sie kochen können, heute einen guten Beruf haben.
Verändert sich also die Rollenverteilung?
Ich würde mir wünschen, ein Hausmann zu sein. Wenn sie entsprechend viel Geld nach Hause bringt, bin ich da völlig offen. In Spanien, der Hochburg des Katholizismus, ist es immer noch so, dass der Mann das Brot nach Hause bringt. Aber in der Schweiz lacht man einen Mann nicht aus, wenn er Hausmann ist und einen Nebenjob hat. Ich könnte mir aber nicht vorstellen, mit einer Frau ein Kind zu haben, die sich nicht um den Haushalt kümmern kann. Dann müsste ich arbeiten und den Haushalt übernehmen: Das würde ich als weisser Mann nicht akzeptieren.
Ein Mann muss Land und Besitz haben.
Was ist an dir typisch Mann?
Ich rede ständig von Sex. Ich schaue gerne Frauen an. Ich arbeite sehr gern. Ich stehe hinter dem, was ich mache, immer zu 100 Prozent.
Wenn Sex typisch männlich ist, sind dann Liebe und Romantik typisch weiblich?
Ja, Romantik mögen eher Frauen. Sie schreiben auf, wann eine Beziehung begonnen hat, und schauen, welches Datum es ist – wegen des Jubiläums.
Machst du etwas, was typisch weiblich ist?
Ich putze sehr gern. Ich bin ein Putzfanatiker.
Welche Unterschiede siehst du zwischen Männern und Frauen?
Ich würde sagen Make-up, aber heutzutage schminken sich auch manche Männer. Es gibt nicht so viele Unterschiede. Das Aussehen ist bei Frauen noch wichtiger als bei Männern.
Was ist für dich eine starke Frau?
Eine Frau, die eine eigene Meinung hat, selbst ihre soziale Welt bestimmen und sich selbst entwickeln kann. Wenn beide ihre eigene Meinung haben, hält die Beziehung länger.
Wie wirkt sich das auf die Liebe aus?
Frauen haben andere Werte als früher. Meine Grossmutter hat meinen Grossvater wegen seines Lands geheiratet und nicht aus Liebe. Die heutigen Frauen sind ehrgeiziger als die Männer und kommen im Beruf viel schneller vorwärts. Aber wenn sie zu selbstständig sind, finden sie oft keinen Mann. Einen, der sich unterwirft und sich eingestehen würde, dass sie erfolgreicher ist als er. Kann eine solche Frau plötzlich einen Maurer heiraten? Eine Bankerin sucht vielleicht eher ihresgleichen. Der Banker ist aber vielleicht nicht so weit, zu akzeptieren, dass beide gleich stark sind.
Wenn Frauen zu selbstständig sind, finden sie oft keinen Mann.
Denkst du, dass Frauen in unserer Welt diskriminiert werden?
Ja, es gibt sicherlich solche Fälle, auch in der Schweiz. Mehr als Männer.
Wie sieht es in der Arbeitswelt aus?
Es gibt bestimmt Berufe, in denen sie weniger Anerkennung bekommen. Ob sie auch weniger Lohn bekommen, ist dem Geschäft überlassen.
Sind weisse Männer privilegiert?
Ja. Der weisse Mann wird immer noch als reicher Mann angesehen und hat auch in Asien oder Afrika immer noch viel mehr Möglichkeiten. Frauen können sich dort nicht so benehmen wie hier. Sie werden nicht in allen Kulturen akzeptiert.
Und Frauen, sind sie auch in gewisser Hinsicht privilegiert?
Ja, durch ihr Aussehen. Sie können ja jeden Mann schwach machen.
Vernissage des Projekts ist am 11. Juli ab 19 Uhr im cc-café!
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