Tiktok-Phänomen

Iced Matcha und Labubu: «Performative Male Contest» kommt nach Zürich

Mit dem «performative male contest» schwappt der nächste Online-Trend nach Zürich. Neben Kritik an pseudo-feministischen Männern steht jedoch vor allem der Spass im Vordergrund.

Performative male contest
Vorne links die Jury, rechts daneben einige Teilnehmer:innen des Zürcher «Performative Male Contest». (Bild: Dominik Fischer)

«Ich mag gar keinen Matcha», gesteht der Zweitplatzierte nach dem «Performative Male Contest» am Samstag auf der Chinawiese. Dabei ist das Getränk neben Vintage-Kleidung, Kabel-Kopfhörern und einem feministischen Buch unter dem Arm das wichtigste Accessoire des «performative male». Optional sind analoge Kameras, lackierte Fingernägel und Labubus.

Mit dem «performative male contest» kam am Samstag der nächste Tiktok-Trend nach Zürich. Nur zwei Wochen nach der Meme-Veranstaltung «Pudding mit Gabel essen» (Tsüri.ch berichtete) trafen sich zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene auf der Chinawiese, um herauszufinden, wer den Gen-Z-Mann am besten performen kann. Zu gewinnen gab es natürlich: einen Iced-Matcha-Latte.

Für alle, die zum ersten Mal von diesem Phänomen hören: Performative Male bezeichnet Männer, die sich so verhalten, wie sie denken, dass es Frauen gefällt. Doch sie tun dies nicht aus Überzeugung, sondern nur, um zu gefallen.

«Ich kaufe nur in Secondhand Läden»

Im Publikum haben sich vor allem Frauen versammelt, die über die Männer lachen und Spass haben wollen. Ein kleiner Laufsteg wird aus Laub vorbereitet, an dessen Ende nimmt die Jury Platz. «Ich bin trans-Person und Dragqueen, also weiss ich viel über das Performen von Gender», berichtet eines der zwei Jurymitglieder. Das zweite Jurymitglied ist eine junge Frau mit Kopftuch. Wer gewinnen will, muss die Fragen der beiden bestehen. Etwa: «Wie stehst du zu Karl Marx und wie findest du Periodenschmerzen?» Oder: «Was hältst du von Wegwerfmode?» Die richtige Antwort kommt sofort: «Ich kaufe nur in Secondhand Läden». Danach folgen Applaus und die Bewertung von 1 bis 10.

  • Performative male contest Chinawiese
    Die beiden Finalist:innen mussten sich nochmals den Fragen der Jury stellen. (Bild: Dominik Fischer)
  • Performative male contest Chinawiese
    Siegesfoto: den ersten «performative male contest» konnte eine Frau für sich entscheiden, als Preis erhielt sie einen Iced-Matcha-Latte. (Bild: Dominik Fischer)
  • Performative male contest Chinawiese
    Trotz analoger Kamera, Schlüsselanhänger, Jutebeutel und Freitag-Portemonnaie hat es für diesen Teilnehmer nicht gereicht. (Bild: Dominik Fischer)

Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen musste die Stichwahl entscheiden. Die beiden Finalist:innen, die auf die gleiche Punktzahl gekommen waren, mussten letzte Fragen der Jury beantworten. «Die Antworten des Zweitplatzierten waren zu feministisch und zu wenig performativ», erklärt die Jury danach. So hat – Plot Twist – eine Frau den Contest gewonnen. Vielleicht kennen sich die Frauen mit den leeren Gesten der Männer halt noch besser aus, als die Männer selbst. 

Der Zweitplatzierte, ausgerüstet mit Matcha-Latte, Jutebeutel und dem Roman «Die Glaskugel» von Sylvia Plath, gesteht im Nachhinein: «Das heute war mein erster Iced-Matcha-Latte und der Geschmack erinnert mich an Erde». 

«Feminismus als Schlüsselanhänger» 

Sind diese Veranstaltungen die ironische Antwort der Gen Z auf Jahre der reaktionären Panikmache vor dem «Woke-Wahnsinn»? So einfach ist es nicht: «Es geht auch um die Enttäuschung über Männer, die sich in der Öffentlichkeit als feministisch ausgeben, aber privat genauso toxisch sind», erklärt ein Jurymitglied. «Feminismus als Schlüsselanhänger oder als Aufschrift auf einem Jutebeutel», gibt eine Mitveranstalterin dazu und erklärt: «pseudo-feministische Männer sind ein Phänomen, das uns alle nervt und über das wir gemeinsam lachen wollen».  

Vor allem gehe es darum, Spass zu haben, und einen «Third Space» – also einen dritten Raum ausserhalb von zu Hause und der Arbeit – zu schaffen, der analog und kostenfrei sei. 

Wie selbstironisch die Teilnehmenden mit der Wahrnehmung ihrer Generation umgehen, davon könnten sich ältere Semester eine Scheibe abschneiden. 

Die einen lackieren sich die Nägel und kaufen feministische Bücher, um mehr soziale Anerkennung zu erhalten. Andere Männer nehmen Steroide, gehen ins Fitness-Studio und lassen sich mit 40 die Haare transplantieren, um ihre Idealvorstellung von «Gender» zu performen. Eine ironische Auflockerung tut dem Umgang mit (Geschlechts)-Identität immer wieder gut. Und für diese sorgte der Performative Male Contest auf der Chinawiese allemal. Was den Veranstalterinnen nach «Pudding mit Gabel essen» und dem «performative male contest» wohl als Nächstes planen? «Vielleicht einen Wettbewerb für weisse Feministinnen» witzelt eine von ihnen.

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