Haareschneiden ohne Abfall – Zürichs erster Zero Waste Coiffeur

Während in Zürich sowohl die Coiffeursalons als auch die Zero Waste Läden ums Überleben kämpfen, will eine Zürcherin im Kreis 4 genau diese Geschäftsmodelle kombinieren. Wie kann das funktionieren?

Corinne Stricker
Weitere Möbel sollen noch folgen, doch die Stühle stehen schon bereit. (Bild: Sofie David)

Das Ground Hair Studio gleich beim Lochergut ist noch spärlich eingerichtet. Im Raum im Erdgeschoss stehen zwei Coiffeurstühle, ein Spiegel und ein wackeliger Holztisch. Eigentlich würde diese minimalistische Einrichtung gut zu einem Zero Waste Coiffeurladen passen, doch Corinne Stricker, die Eigentümerin des Ladens erklärt: «Nein, nein, es kommen schon noch weitere Möbel rein.»

Die Möbel haben noch etwas Zeit: Das Ground Hair Studio, der erste Zero Waste Coiffeursalon der Schweiz, feiert offiziell erst Mitte März Eröffnung. Doch bereits jetzt empfängt Stricker Kund:innen in ihrem Laden. Dass sie damit in einem hart umkämpften Markt Erfolg haben wird, davon ist sie überzeugt.

Shampoo aus Natron und Conditioner aus Apfelessig

Den Traum eines eigenen Salons hat Stricker schon lange, doch eine Ladenfläche zu finden, sei sehr schwierig gewesen. Als sie vergangenen August die Zusage für das Geschäft an der Badenerstrasse 262 bekam, zögerte sie nicht lange. «Ich bin zuversichtlich, dass es in Zürich eine Nachfrage nach nachhaltigem Haareschneiden gibt», ist sie sich sicher.

Stricker, die seit über 20 Jahren als Coiffeuse arbeitet, macht in ihrem Laden fast alles selbst. Sie verwendet ausschliesslich natürliche Inhaltsstoffe und verzichtet auf Produkte mit Mikroplastik.

Das Shampoo stellt sie aus Natron und ätherischen Ölen her. Dabei kann die Kundschaft den Duft selbst auswählen. Als Conditioner nimmt Stricker Apfelessig, fürs Styling dient ein Gel aus Leinsamen. Auch Färben ist im Ground Hair Studio auf natürliche Weise möglich. Mit Pulver aus Kurkuma, Indigo, Henna oder Roter Beete stellt sie verschiedenste Haarfarben her; einzig blondieren gehe nicht, erklärt die 35-Jährige.

Haargel aus Leinsamen
Bevor der Kühlschrank ankommt, hat sie immer nur ein Produkt auf Lager. (Bild: Sofie David)

Im Ground Hair Studio soll nichts verschwendet werden: Auch die Haare werden hier recycelt. Einmal im Monat würden diese von der Firma «Recuphair» abgeholt werden, erklärt Stricker. Zu Matten gepresst könnten die abgeschnittenen Haare dazu verwendet werden, das Öl bei Lecks aufzusaugen. Diesen Service beanspruche sie aber nicht als Erste – dafür seien viele Coiffeur-Salons bereit zu zahlen.

Und das, obwohl Strickers Branche nicht als besonders umweltbewusst gilt. Zwar sei die Nachfrage nach nachhaltigen Ansätzen vorhanden, schreibt die Medienverantwortliche des Branchenverbands Coiffeur Suisse, auf Anfrage. Weiterbildungsangebote gebe es aber noch nicht. Inwiefern Zero Waste Salons eine Marktlücke schliessen, hängt ihr zufolge von verschiedenen Faktoren ab. 

Eine Herausforderung, die die gebürtige Thurgauerin gerne annimmt. Sie will das ändern: «Mir liegt Nachhaltigkeit auch privat am Herzen. Ich habe es immer vermisst, dies auch im Beruf auszuleben.»

«Hier handelt es sich um ein Nischenkonzept, das es so in der Schweiz bislang nicht gibt.»

Corinne Stricker

Die Idee für ein Zero Waste Konzept sei ihr schon länger vorgeschwebt, so Stricker.  Konkretisiert habe sie sich, als sie im Internet auf einen Salon in Dresden gestossen sei, der das Konzept bereits seit einigen Jahren verfolgt. Stricker reiste gar nach Deutschland, um sich mit der dortigen Geschäftsleiterin auszutauschen. Von ihr erhielt Stricker die Rezepte für die Produkte, mit denen sie heute arbeitet.

Das Ground Hair Studio sei aber völlig eigenständig und stehe in keinem Zusammenhang mit dem Dresdner Vorbild, betont sie.

Ein hart umkämpfter Markt

Coiffeur und Zero Waste mitten in der Stadt Zürich, kann das gut kommen?  Dass Stricker sich in der Schnittmenge von Zero Waste Läden und Coiffeursalons befindet – beides Geschäfte, die es entweder bereits wie Sand am Meer gibt oder aber mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen, beschäftige sie zwar, aber: «Hier handelt es sich um ein Nischenkonzept, das es so in der Schweiz bislang nicht gibt.» Die Unternehmerin ist überzeugt, dass ihr Laden Kund:innen etwas Neues biete und damit rentabel werde.

«Lebensmittel nachhaltig einzukaufen, ist komplizierter, als zu einem grossen Detailhändler zu gehen. Man muss viel mehr überlegen.» Hier hingegen fällt diese Organisation weg: «Hier muss sich niemand überlegen, wie viele Behälter es braucht, weil ich mich um alles kümmere», sagt sie.

Corinne Stricker
Im Ground Hair Studio werden bereits Haare geschnitten. (Bild: Sofie David)

Auch ein Bekannter, der an diesem Freitagmorgen zum Haareschneiden vorbeikommt, ist sich sicher, dass Stricker damit eine Marktlücke schliesst. «Ich lebe selbst möglichst nachhaltig und finde es toll, dass ich das jetzt auch beim Haareschneiden umsetzen kann», sagt er.

Die Preise seien durch das Zero Waste Konzept nicht deutlich teurer als bei anderen gut ausgebildeten Friseurmeister:innen. Zwischen 85 Franken und 165 Franken kostet ein Haarschnitt im Ground Hair Studio. «Die Produkte zum Färben, die ich extra bei einem speziellen Zulieferer bestellen muss, sind teurer als üblich», erklärt Stricker. Dafür spare sie beim Shampoo aus Natron: «So gleicht sich alles wieder aus.»

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2022-02

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 Kam sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

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Ich mag Menschen und ich mag Geschichten

Das mag ich an Zürich am meisten:

Die Kinos und die Bars vor den Kinos.

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