Gemeinderat der Woche

Roland Hurschler (Grüne): «Wohnen ist mehr als nur eine Unterkunft zu haben»

Seit 30 Jahren politisch aktiv, sitzt Roland Hurschler seit vier Jahren im Zürcher Gemeinderat. Dort verbindet er Wohn- und Kulturpolitik – ein Schwerpunkt, der auf seine Studienzeit zurückgeht, als er Konzerte im eigenen Keller organisierte.

Roland Hurschler, Grüne
Seine Freizeit verbringt Roland Hurschler am liebsten im Kreis 10, den er auch im Gemeinderat vertritt. (Bild: Jenny Bargetzi)

Als Geschäftsleiter des Filmverbands Schweiz sorgt Roland Hurschler für bessere Arbeitsbedingungen von Schweizer Regie- und Drehbuchschaffenden. Dabei hat er oft mit starken Persönlichkeiten zu tun, was ein gewisses Fingerspitzengefühl erfordert: «Ich lenke die Energie in die richtigen Bahnen und versuche, allen gerecht zu werden.»

Im Gemeinderat hat es Hurschler ebenfalls mit «einigen markante Figuren» zu tun, wie er sagt. 

Vor vier Jahren schaffte Hurschler im zweiten Anlauf den Sprung ins grösste kommunale Parlament. Heute ist er, nach kurzer Pause, bereits in seiner zweiten Amtszeit, in die er ebenfalls nachgerückt ist. Der Schwerpunkt des Grünen-Politikers im Rat liegt auf Themen an der Schnittstelle von Wohnpolitik und Kultur.

Dieser Fokus gründet in seiner persönlichen Erfahrung: Er selbst ist für sein Studium von Luzern nach Zürich gezogen und weiss, wie herausfordernd es sein kann, sich in einer neuen Stadt zurechtzufinden. «Wohnen ist mehr als nur eine Unterkunft, es geht um zwischenmenschliche Kontakte, Freundschaften und Subkultur», sagt der Gemeinderat.

So hatte seine damalige Studentenwohnung einen umfunktionierten Keller, der als Konzertsaal diente. Hurschler war Mitglied des Bar-Teams, das einmal im Monat Konzerte und DJ-Sets organisierte. Laut ihm waren das wichtige Auftrittsmöglichkeiten für noch unbekannte Zürcher Musiker:innen und ermöglichte gleichzeitig ein Zusammenkommen der Haus- und Stadtbewohner:innen.

Während seiner späteren Tätigkeit als Teamleiter bei der Studentischen Wohngenossenschaft WOKO knüpfte er an diese Anliegen an und förderte kulturelle Aktivitäten für Studierende. Unter anderem organisierte er ein Siedlungs-Open-Air und setzte sich für bessere Gemeinschaftsräume in Neubauten ein. Denn «Kultur kann schnell teuer werden», wie Hurschler sagt, und «Menschen mit kleinerem Budget sollten dabei nicht ausgeschlossen werden».

In seiner Freizeit ist der 54-Jährige am liebsten in seinem Wahl- und Wohnkreis 10 unterwegs. «Es gibt hier vieles direkt vor der Haustür», erklärt er. Während der Sommerpause des Gemeinderats trifft man den Politiker oft am Wasser, mit seiner Familie an der Werdinsel oder auf dem Stand-up-Paddle die Limmat hinuntertreibend.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich bin schon lange bei den Grünen aktiv – seit fast 30 Jahren. Zuvor habe ich eher Basisarbeit geleistet, beispielsweise Unterschriften gesammelt oder an Aktionen mitgemacht. Irgendwann wollte ich mich direkter am politischen Betrieb beteiligen. 2014 wurde ich direkt gewählt, musste aber aus familiären Gründen absagen. 2021 bin ich für Marcel Bührig nachgerutscht, der seinen Sitz 2014 angetreten hatte. Das war noch während Corona, aber es war für mich trotzdem eine sehr gute Zeit im Rat, weil man gemerkt hat, wie wichtig die Politik in dieser Phase war.

Wer oder was hat Sie politisch inspiriert?

Da fällt mir Regula Rytz ein, ehemalige Präsidentin der Grünen, oder Daniel Vischer, ehemaliger Nationalrat, der leider verstorben ist. Auch Markus Knauss und seine Partnerin haben in Zürich schon viel bewirkt. Es gibt viele Querdenker:innen bei den Grünen, also Figuren, die auffallen und originelle Lösungen haben. Das hat mir eigentlich immer gefallen.

Welches Abstimmungsergebnis im Rat hat Sie am meisten gefreut?

Die Annahmen des Gestaltungsplans Koch-Areal und der Objektkredit für den Quartierpark haben mich sehr gefreut – ein vorbildliches Städtebauprojekt! Es sind viele Akteur:innen involviert, wie die ABZ-Genossenschaft, aber auch das Bauunternehmen SENN, das Kraftwerk1 und die Stadt selbst. Der dort erstellte Mix ist beispielhaft. Der Park ist grossartig, mit dem wilden Garten sowie der restaurierten Kohle-Lagerhalle.

«Das Neugasse-Areal war ein Powerplay, das sich nicht gelohnt hat»

Roland Hurschler, Grüne-Gemeinderat

Welches hat Sie am meisten geärgert?

Das ist eines, bei dem ich nicht ganz auf Parteilinie bin. Es ging um das Projekt des Neugasse-Areals, also die dort geplante SBB-Überbauung. Die SBB hat in meinen Augen vorbildlich mit den Quartierbewohner:innen zusammengearbeitet. Es wurden Mitwirkungsprozesse durchgeführt, Ideen gesammelt und viele davon in die Projektierung aufgenommen. Am Ende gab es ein ewiges Gefeilsche darüber, wie viele Wohnungen in Kostenmiete eingeplant werden sollen.

Wir haben mit der SBB sogar eine neue Kategorie von Wohnungen mit Mietzinsdeckel geschaffen, damit der Anteil an kostengünstigen Wohnungen weiter erhöht werden konnte. Der linken Ratsseite hat das immer noch nicht gereicht. Irgendwann ist die SBB ausgestiegen und jetzt haben wir gar nichts. Es hätten fast 400 Wohnungen und ein toller neuer Quartierteil entstehen können. Jetzt bleibt es eine Brache – das finde ich sehr schade. Es war ein Powerplay, das sich nicht gelohnt hat.

Wie gehen Sie mit politischen Niederlagen um?

Mit politischen Niederlagen im Gemeinderat habe ich noch wenig Erfahrung. Bei der letzten Wahl wurde ich allerdings knapp nicht mehr gewählt, was mich schon etwas mitgenommen hat. Aber das gehört dazu. Manchmal sind es auch Faktoren, die man gar nicht selbst beeinflussen kann. In der Politik läuft nicht immer alles nach Plan.

Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?

Mit Stefan Urech. Ich würde gerne wissen, wie er mit dem Reality-Check seiner politischen Überzeugungen im Berufsalltag als Sekundarlehrer umgeht.

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Minea Pejakovic

Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.

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