Marco Denoth (SP) findet Debattenkultur im Gemeinderat «nicht würdig»
Seit zwölf Jahren politisiert Marco Denoth im Gemeinderat für die SP. Mit seinen Vorstössen brachte er die Velovorzugsrouten und die Gratistests für sexuell übertragbare Krankheiten ein. Er sagt, nicht für den Stadtrat zu kandidieren, sei die richtige Entscheidung gewesen.
Erstmals bekommt die Zürich Pride dieses Jahr finanzielle Unterstützung für Sicherheitsmassnahmen vom Bund. Allein die Sicherheitsausgaben belaufen sich auf etwa 100'000 Franken, das Bundesamt für Polizei (fedpol) sponsert davon rund 10'000 Franken.
Dass die queere Community auch in der Schweiz und in Zürich zunehmend unter Druck gerät, sieht auch SP Stadtparlamentarier Marco Denoth so. «Wir müssen uns definitiv Sorgen machen – wenn auch nicht im selben Rahmen, wie in anderen Ländern», sagt er.
Einerseits sei die Gewalt gegen queere Personen auch in Zürich ein Thema, andererseits habe die geopolitische Lage auch Auswirkungen. «Die Zürich Pride hat dieses Jahr wesentlich weniger Sponsor:innen erhalten, weil renommierte Firmen wie die UBS weniger Geld sprachen. Das aus Angst vor Repressionen aus den USA.»
Denoth ist seit 2012 im Zürcher Gemeinderat für die SP, wo er den Kreis 6 vertritt. In dieser Zeit hat er sich auch immer wieder für die queere Community eingesetzt.
So geht etwa das Pilotprojekt für Gratistests für sexuell übertragbare Infektionen (STI) auf ihn zurück. In dessen Rahmen können sich Stadtzürcher:innen bis zu 25 Jahren kostenlos auf STI’s testen lassen. Die Motion dafür reichte er 2018 zusammen mit dem damaligen SP-Gemeinderat Patrick Hadi Huber ein.
«Meine Vorstösse haben immer etwas bewegt, zum Teil auch Jahre später», sagt er. Ihm sei immer wichtig gewesen, nicht nur einen aktuellen Hype aufzunehmen, sondern Probleme an der Wurzel zu packen.
Ein anderes Beispiel für eine langsame, aber erfolgreiche Entwicklung, sind die Velovorzugsrouten (VVR). Den Vorstoss für die Routen reichte er zusammen mit Sven Sobernheim von der GLP bereits 2017 ein.
«Ich bin überzeugt davon, dass die SP als fast einzige Gleichstellungspartei, drei Frauen im Stadtrat stellen soll.»
Marco Denoth, SP-Stadtparlamentarier
«Es braucht viel Ausdauer in diesem Amt», sagt Denoth. Die Stadt habe einige Herausforderungen zu bewältigen. Eines der grössten davon, die Wohnkrise, ist auch eines der Kernthemen von Denoth. Nicht nur ist er in der Kommission Hochbaudepartement und Stadtentwicklung, sondern er ist auch als Architekt tätig. Ein Experte auf ganzer Linie also.
Auf die Frage, wie die Stadt die Krise lösen muss, hat er gleich drei Antworten: «Kaufen, Planen und Mieter:innenschutz». Konkret heisse das, die Stadt müsse nicht nur Liegenschaften kaufen und sich für Mieter:innenschutz einsetzen, sie müsse auch auf Baugesetzebene die Grundlagen für mehr preisgünstige Wohnungen schaffen.
Es galt als offenes Geheimnis, dass Denoth gerne Stadtrat werden würde. Doch für die kommenden Wahlen vom März 2026 entschied er sich dagegen. Auch, weil er findet, die SP solle Frauen aufstellen. «Ich bin überzeugt davon, dass die SP als fast einzige Gleichstellungspartei, drei Frauen im Stadtrat stellen soll». Dies sei aber in keinster Weise als Kritik an Tobias Langenegger zu werten.
Warum sind Sie Gemeinderat geworden?
Ich wurde damals ziemlich überraschend Gemeinderat. Ich habe auf einem hinteren Platz auf der Liste kandidiert und wurde dann aus einem traurigen Umstand Gemeinderat, weil meine Vorgängerin verstorben ist.
Der Gemeinderat ist der richtige Ort, um auf die Stadt einzuwirken und diese zu gestalten. Darum kandidiere ich auch nochmals. In der nächsten Legislatur kommt die Revision der Bau und Zonenordnung (BZO), die ich mit beeinflussen will. Das ist für mich ein grosses Thema.
Mit welcher Gemeinderätin oder welchem Gemeinderat der politischen Gegenseite würden Sie gerne ein Getränk nach Wahl trinken?
Ich glaube, ich war schon mit fast allen Parlamentarier:innen ein Bier trinken. Jene, die ich noch nicht getroffen habe, können sehr gerne auf mich zukommen.
Sie sind einer der alten Hasen im Gemeinderat, was hat sich in der Zeit getan?
Die Geschäfte, die vom Stadtrat kommen, sind komplexer geworden. Zudem werden Themen, die gerade in den Medien präsent sind, sofort als Vorstoss eingereicht.
Aber auch der Ton hat sich geändert. Persönliche Angriffe haben zugenommen, es findet weniger eine politische und mehr eine ideologische Diskussion statt. Zum Teil auch mit Beleidigungen, die wirklich unerträglich sind.
Das ist dem Stadtparlament von Zürich nicht mehr würdig. Wir sind dazu gewählt, um Zürich weiterzubringen. Dazu muss eine inhaltliche Diskussion stattfinden. Langlebige und nachhaltige Lösungen haben in unserem politischen System oft mit Kompromissen zu tun.
Wie kommen wir wieder da hin?
Indem man mit der Gegenseite ein Bier trinken geht.
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Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.