Bodenmarkt in Zürich: Stadt erhält mehr Angebote, als sie kaufen kann
Für drei Milliarden Franken wechselten 2024 in Zürich Grundstücke die Eigentümerschaft. Ein Sechstel des Betrags entfällt auf die Stadt Zürich als Käuferin. Lohnt sich bei diesen Beträgen das Vorkaufsrecht?
Knapp 400 Grundstücke sind im vergangenen Jahr in Zürich gehandelt worden. Die Käufer:innen haben dafür gut drei Milliarden Franken ausgegeben, ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Das zeigen Zahlen von Statistik Stadt Zürich, die Tsüri.ch vorliegen.
Der Trend ist eindeutig: Für Zürcher Boden wird immer mehr bezahlt, während die Zahl der gehandelten Grundstücke sinkt. Auch ein Blick auf die Preise pro Quadratmeter zeigt, dass das Land in Zürich immer teurer wird.
Nimmt man Durchschnittswerte, können auf den im Jahr 2024 gehandelten 320’000 Quadratmeter rund 8088 Personen leben. Anders formuliert: Wer in Zürich für drei Milliarden Franken Land kauft, kann darauf für 8088 Personen ein Zuhause bauen – zumindest theoretisch.
Auch wenn der Flächenverbrauch bei den Mietenden von gemeinnützigen Wohnungen circa um ein Viertel geringer ist, steht die Stadt Zürich damit zusammen mit den Genossenschaften vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Denn sie müssen gemäss Volksentscheid bis 2050 ein Drittel aller Wohnungen in der Stadt gemeinnützig anbieten.
Stadt kauft, doch Anteil stagniert
Die hohen Landpreise erschwert es der Stadt und Genossenschaften, mehr kostengünstigen Wohnraum zu schaffen – und damit dem sogenannten Drittelsziel näherzukommen. Während die Stadt selber zwar kräftig zukauft, stagniert der Anteil an gemeinnützigen Wohnungen bei rund einem Viertel.
Ein mögliches Vorkaufsrecht bei Landverkäufen soll Abhilfe schaffen. Dieses würde Gemeinden und Genossenschaften ermöglichen, ein Land zum vereinbarten Kaufpreis zu erwerben, bevor andere Käufer:innen ins Spiel kommen. Das fordert eine hängige Volksinitiative im Kanton Zürich. Läuft alles nach Plan, kommt die Vorlage noch dieses Jahr vors Stimmvolk.
Doch lohnt es sich bei diesen Marktpreisen für die Gemeinnützigen überhaupt, von einem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen?
Um das Drittelsziel zu erreichen, sind 20’000 bis 30’000 zusätzliche Wohnungen bis im Jahr 2025 nötig, wie Berechnungen der Stadt zeigen. Die Stadt selber wagt keine Prognose, wie viel Geld dafür nötig wäre. Der genaue Betrag hänge von verschiedenen Faktoren wie Teuerung und Marktentwicklung ab, heisst es.
Halbe Milliarde pro Jahr
Bereits in den letzten Jahren bemühte sich die Stadt Zürich stark auf dem Bodenmarkt. 2024 investierte die sie 472 Millionen Franken in Land. Das ist fast ein Sechstel des Handelsvolumens für Boden in Zürich. Im Jahr 2025 hat die Stadt bereits 127 Millionen Franken ausgegeben, wie es auf Anfrage heisst.
Doch: Die Stadt erhält bereits heute mehr Angebote als sie sich leisten kann. Im Budget sind jährlich 500 Millionen Franken für Landkäufe reserviert – und dieser Spielraum wurde zumindest im Jahr 2024 fast vollständig ausgeschöpft. Diese halbe Milliarde Franken sei «bereits ein erhebliches Volumen für die finanzielle Tragbarkeit der Stadt», schreibt die Medienstelle des Finanzdepartements.
«Deshalb würde das Vorkaufsrecht allenfalls nur bei einem kleinen Teil der Erwerbe zum Zuge kommen», sagt das Finanzdepartement.
Die steigenden Landpreise bereiten dem Verband der Zürcher Wohnbaugenossenschaften Sorgen, wie es auf Anfrage heisst. Der Geschäftsführer Stefan Schneider sagt, dass sich Genossenschaften und Gemeinden eher für die günstigsten 10 bis 20 Prozent der gehandelten Grundstücke interessieren. Mit einem Vorkaufsrecht würde man rechtzeitig von diesen Transaktionen erfahren und könnte bei Bedarf zuschlagen.
«Viele Genossenschaften», sagt Schneider, «verfügen über die notwendigen finanziellen Mittel für Zukäufe». Was fehlt, seien die verfügbaren Grundstücke.
Sollte das Vorkaufsrecht von der kantonalen Stimmbevölkerung angenommen werden, müsste Zürich das Budget im Vergleich zu heute nochmals deutlich erhöhen, um noch aktiver auf dem Bodenmarkt mitzumischen.
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An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.