Ein Tag wie kein anderer: Das war die Street Parade 2025
Zürich bebte im Takt und suchte Abkühlung. Schatten und Wasser waren an diesem Samstag heiss begehrt. Eindrücke von der 32. Street Parade, der grössten Technoparade der Welt.
An Reizüberflutung ist dieser Tag kaum zu übertreffen: 800'000 Menschen drängen sich rund ums Zürcher Seebecken, leicht bekleidet oder in ausgefallenen Kostümen. 29 Love Mobiles schieben sich durch die Menge, dicht beladen mit Raver:innen; dazu acht Stages, 200 DJs, überall wummert der Bass. Dann sind da noch der Alkohol, die Drogen und die 34 Grad im Schatten.
Die 32. Ausgabe der grössten Technoparade der Welt lockte an diesem Samstag nicht nur Besucher:innen aus der ganzen Schweiz, sondern auch aus allen Ecken der Welt nach Zürich.
Müll. (Bild: Sophie Wagner)
Noch mehr Müll. (Bild: Sophie Wagner)
Erneut: Müll. Doch laut Besucher:innern weniger als in den Jahren zuvor. (Bild: Sophie Wagner)
Rund 2’500 Einsatzkräfte sorgten für Sicherheit. Schutz & Rettung Zürich gab in einem Zwischenbericht am Samstagabend bekannt, dass dieses Jahr mehr Behandlungen nötig waren als im Vorjahr – vor allem wegen Schnitt- und Schürfwunden, Hitzeerschöpfungen sowie Vergiftungen. Die Polizei hat laut einer Mitteilung bis 21 Uhr 28 Personen festgenommen.
«Die Kostüme sind lustig, die Musik nicht»
Eine Gruppe ist eigens aus Rio de Janeiro angereist. «We love techno!», schreien sie am Nachmittag gegen den ohrenbetäubenden Bass an. Der Karneval in Rio sei natürlich unschlagbar, sagt Paula (28), aber Zürich könne durchaus mithalten. Vor allem sei es hier sicherer als bei der Megaparty zuhause.
Auch Kinder schlängeln sich durch die Menge: Drei Jungs, der älteste zwölf, sind mit ihren Eltern Andrea und Beat unterwegs. «Wir wollten ihnen als alte Technofans die Parade zeigen», sagt Andrea. Und wer wisse schon, wie lange die Kinder noch mit ihnen feiern wollten.
Für den Notfall haben die Eltern ihre Handynummern in grossen Ziffern auf die Arme der Kinder geschrieben. Das bisherige Fazit des Zwölfjährigen: «Die Kostüme sind lustig, die Musik nicht.»
Menschen in Rüstungen, keine Seltenheit an der Street Parade. (Bild: Sophie Wagner)
Die Outfits sind wichtig – und müssen aufeinander abgestimmt sein. (Bild: Sophie Wagner)
Iwan, aus Mailand angereist und das erste Mal an der Street Parade. Es sei «heiss, aber cool». (Bild: Sophie Wagner)
«Sorry, mached sie doch e Usnahm»
Am Nachmittag brätscht die Sonne auf den Bürkliplatz, Abkühlung tut not. Neben der Tramhaltestelle haben die Veranstalter:innen einen Duschtunnel aufgestellt. Eine Attraktion für die Menge, die nicht nur zur Abkühlung dient, sondern auch als Catwalk. Hier setzen sich die Menschen in Szene, und das komplett durchnässt.
Wenige Meter weiter: Ein Mann pinkelt an die Hauswand gegenüber des Hotels Baur au Lac. Pech nur, dass ihn ein Polizist erwischt. «Sorry, mached sie doch e Usnahm», bittet der Mann. Der Beamte schüttelt den Kopf, 120 Franken Busse. Warum ausgerechnet er, wenn es doch so viele machen? «Da dankt uns die Zürcher Gesellschaft am Montag, wenn nicht alles nach Urin riecht», sagt der Polizist.
Corine und Klaus: In den Stofftieren verstecken sie Shots. (Bild: Sophie Wagner)
Albert, ein Unikat. (Bild: Sophie Wagner)
Die Show ist mindestens so wichtig wie die Abkühlung. (Bild: Sophie Wagner)
Beim Drugchecking des Drogeninformationszentrums (DIZ) können Konsumierende ihre Substanzen testen lassen. Am häufigsten lag bis Samstagabend MDMA vor, gefolgt von Kokain. Gelegentlich finden sich auch Ketamin und das Psychedelikum 2cb.
DIZ-Leiter Joël Bellmont sagt, dass jedes Prüfen noch mit einem kurzen Gespräch einhergehe. «Wir befragen die Menschen, wo sie die Droge gekauft haben, was sie bezahlt haben, klären sie aber auch über mögliche Risiken auf.» Wegen des grossen Andrangs dauere es bis zu zwei Stunden, bis die Resultate vorlägen, sagt Bellmont.
«Letztes Jahr war mehr Stink»
Wie üblich sammelt sich Müll an den Strassenrändern. Doch viele Besucher:innen finden, dass es dieses Jahr sauberer sei, wohl unter anderem dank mehr Abfalltonnen. «Letztes Jahr war mehr Urin, mehr Stink», sagt eine Frau. Heute wirke die Stadt deutlich gepflegter.
Dafür sorgt auch Antonio aus der Putzequipe. Mit einer Greifzange sammelt er den Abfall der Besucher:innen ein, vor allem Dosen, Flaschen, Zigarettenstummel oder Verpackungen. Seine Schicht dauert von 13 bis 20 Uhr, danach zwei Stunden Pause, dann weiter bis 5 Uhr morgens. «Es ist anstrengend, vor allem wegen der Hitze», sagt er, und wirkt doch zufrieden. Nur die vielen Scherben bereiten ihm Sorgen. Die könne er nicht so einfach aufsammeln, dafür brauche es die Reinigungsmaschinen.
Zwei Leoparden. (Bild: Sophie Wagner)
Posen aus Genuss. (Bild: Sophie Wagner)
Disco-Fox, so nennt sich dieser Herr. (Bild: Sophie Wagner)
«Heute ist mehr Kommerz»
In Gesprächen mit älteren Besucher:innen fällt ein Satz immer wieder: «Früher war das noch ganz anders.» So auch bei Andreas (53) aus Bregenz. Er erzählt stolz, dass er seit den Anfängen in den 90er-Jahre mit dabei sei und die Party noch immer liebe, besonders die friedliche Stimmung. Dennoch dringen nostalgische Gefühle durch: «Früher war mehr Underground, heute ist mehr Kommerz.»
Auch Albert aus Uznach kommt schon lange hierher, seit 20 Jahren ist er ein unermüdlicher Gast der Street Parade. Sein Motto ist Auffallen, auf seinem selbstgebastelten Hut steht: «Liebe das Leben und liebe die Liebe».
Das Outfit wechselt er jedes Jahr. Diesmal trägt er ein offenes Kettenhemd, am Rücken blaues Fell, um die Hüfte einen Lederslip – sonst ist vor allem Haut zu sehen. «Der Mensch hat immer das Gefühl, er sei gefangen. Dafür sind wir im Geiste sehr frei», droppt Albert so nebenbei. Seine Sonnenbrille spiegelt das bunte Chaos, er schmunzelt, verabschiedet sich und verschwindet wieder im Getöse.
Am Bürkliplatz diente ein Wassertunnel als Catwalk. (Bild: Sophie Wagner)
Wasser – die Essenz des Lebens. (Bild: Sophie Wagner)
Überlebenswichtig, besonders an diesem Samstag. (Bild: Sophie Wagner)
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Kai hat Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Seine ersten journalistischen Erfahrungen sammelte er beim Branchenportal Klein Report und bei der Zürcher Studierendenzeitung (ZS), wo er als Redaktor und später als Co-Redaktionsleiter das Geschehen an Uni und ETH kritisch begleitete. So ergibt es nur Sinn, dass er seit 2024 auch für Tsüri.ch das Geschehen der Stadt einordnet und einmal wöchentlich das Züri Briefing schreibt. Auch medienpolitisch ist er aktiv: Seit 2023 engagiert er sich beim Verband Medien mit Zukunft. Im Frühjahr 2025 zog es Kai nach Berlin. Dort absolvierte er ein Praktikum im Inlandsressort der tageszeitung taz.