Kaum freie Termine: Zürcher Drug Checking wird überrannt
In Zürich können Konsumierende ihre Substanzen anonym und kostenlos testen lassen. Das Angebot ist ein zentraler Pfeiler der Zürcher Drogenpolitik. Ein Blick auf die Website zeigt aber: Es gibt kaum Termine.
6-APB, 3-MMC, 2C-B. Für viele Menschen dürften diese Bezeichnungen kryptisch klingen.
Bei LSD, Kokain oder Cannabis wird bereits klarer: Es handelt sich um psychoaktive Substanzen.
Diese und 52 weitere Substanzen können Personen beim Drug Checking des Drogeninformationszentrums (DIZ) der Stadt Zürich testen lassen. Anonym und kostenlos. Doch wer online einen Termin buchen will, findet einen ausgebuchten Kalender. Was hat es damit auf sich?
Hohe Nachfrage – begrenzte Kapazitäten
Seit 2001 bietet das DIZ der Stadt Zürich Konsumierenden die Möglichkeit, ihre Substanzen anonym und kostenlos testen zu lassen. Das Angebot, bekannt unter Saferparty.ch, richtet sich an Menschen, die psychoaktive Substanzen konsumieren – meist illegal gehandelt und mit gefährlichen Stoffen gestreckt. Ziel ist es, die Risiken des Konsums zu minimieren. Mit seiner niederschwelligen und akzeptanzorientierten Herangehensweise bildet das Drug Checking eine tragende Säule der Zürcher Drogenpolitik und setzt auf Prävention durch Aufklärung.
Dass derzeit wenig bis keine Termine aufgeschaltet sind, liegt laut Dominique Schori, Teamleiter des Drogeninformationszentrums daran, dass die Termine nur einen Tag im Voraus freigeschaltet werden. Damit soll die Verbindlichkeit der Besucher:innen erhöht werden.
Wöchentlich bietet das DIZ zwischen 50 und 55 Terminen an, jeder davon mit einem Beratungsgespräch. Die Proben können an der Wasserwerkstrasse und der Langstrasse abgegeben werden.
Der Standort Wasserwerkstrasse zieht laut Schori Menschen aller Art und Altersgruppen an – vom 80-jährigen Cannabiszüchter bis zum LSD-affinen Psychonauten.
Der zweite Standort inmitten der Zürcher Partymeile ist bei Partygänger:innen und marginalisierten Gruppen wie Heroinkonsument:innen oder Sexarbeiter:innen beliebt. Aufgrund der hohen Nachfrage ist der Standort an der Langstrasse seit November nicht nur samstags, sondern auch freitags geöffnet.
Zusätzlich betreibt das DIZ ein mobiles Labor, das regelmässig auf Partys und Festivals im Einsatz ist. Neu hinzugekommen ist ein Service in den Konsumräumen der Stadt Zürich, Kontakt- und Anlaufstellen (K&A) genannt, wo viermal jährlich Substanzen getestet werden können. Schori sagt: «Das bringt uns wichtige Erkenntnisse und zeigt den Konsumierenden, dass die Stadt sie ernst nimmt.»
Gefährlicher Trend bei Jugendlichen
Pro Jahr untersucht das Team rund 4500 Proben. Die Analyse wird von einem Beratungsgespräch begleitet, in dem die Konsumierenden über Substanzen informiert und über potenzielle Risiken aufgeklärt werden.
«Wenn eine Person ihre Drogen testen lässt, profitieren indirekt auch andere von den Ergebnissen und Warnungen», sagt DIZ-Teamleiter Dominique Schori. Denn oft würden sich mehrere Konsumierende eine Substanz teilen.
Besonders gefährlich sind synthetische Opioide wie Fentanyl oder Nitazene, die immer wieder unbemerkt als Streckmittel eingesetzt werden. Diese Substanzen sind um ein Vielfaches stärker als Heroin und können schon in kleinsten Mengen, etwa in der Grösse eines Salzkorns, zu einer Überdosis führen und tödlich sein.
«Immer mehr junge Menschen interessieren sich für verschreibungspflichtige Medikamente wie Opioide.»
Dominique Schori
In den USA und Grossbritannien haben diese Substanzen bereits zu einer Welle von Überdosierungen geführt. In Zürich bleibt das DIZ wachsam: «Bisher hatten wir keine Proben mit Fentanyl», erklärt Schori und fügt an: «bei uns stehen zurzeit die noch potenteren Nitazene im Fokus, etwa als Beimischung in Oxycodon-Tabletten.» Zweimal seien gefälschte Oxycodon-Tabletten getestet worden, die täuschend echt aussahen.
Sorgen bereitet Schori aber ein weiterer Trend: «Immer mehr junge Menschen interessieren sich für verschreibungspflichtige Medikamente wie Opioide.» Diese Subkultur sei besonders gefährdet, sich unwissentlich mit gefälschten Tabletten zu überdosieren. Darum können auch Minderjährige eine Substanz zur Analyse abgeben und das Beratungsangebot in Anspruch nehmen.
Schori sagt: «Wir haben unsere Kapazitäten fortlaufend ausgebaut. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob das Angebot die sehr hohe Nachfrage zu decken vermag.»
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Nach ihrem Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich sammelte Jenny erste journalistische Erfahrungen als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Es folgten ein Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität Amsterdam, Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter sowie ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freischaffende Journalistin arbeitet Jenny seit 2025 wieder als Redaktorin bei Tsüri.ch.
Das mache ich bei Tsüri: Diskutieren, Recherchieren, Telefonieren, Schreiben.
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Über diese Themen schreibe ich am liebsten: Über Themen, die etwas über einen Menschen erzählen oder über Dinge, die andere lieber verborgen halten würden.
Darum bin ich Journalistin: Weil es unzählige spannende Menschen, Themen und Geschichten gibt, die erzählt werden müssen.
Das mag ich an Züri am meisten: Dass die Stadt lebhaft und die Natur trotzdem nah ist. Und die lauen Sommerabende an der Limmat.