Zürcher SVP will plötzlich mehr vom Eurovision Song Contest
Lange wehrten sich die SVP gegen den ESC, die Jungpartei ergriff sogar das Referendum gegen den 20-Millionen-Euro-Kredit der Stadt für den Grossanlass. Nun hat die Bürgerliche mit einem Postulat überrascht.
Vizepräsident Christian Huser (FDP) eröffnete die Sitzung am Mittwochabend pünktlich um 17 Uhr. Mit zwei Stunden war sie ausnahmsweise kürzer als sonst, folglich wird auch dieses Briefing etwas knackiger ausfallen. Deshalb fangen wir auch gleich mit dem ESC an. Und davon will die SVP plötzlich mehr.
In einem Postulat forderten die SVP-Gemeinderäte Samuel Balsiger, Roger Bartholdi und Yves Peier, dass Gastronom:innen für ESC-Public-Viewings möglichst wenig bürokratischen Aufwand haben sollten.
Für Grossanlässe müssen Veranstalter:innen eine Lizenz von der «SUISA» einholen. Sie ist zuständig für die Lizenzvergabe, die je nach Bildschirmgrösse - mit einer Diagonale ab drei Metern - und Dauer unterschiedlich teuer ist. Miteinbezogen sind auch kleinere Veranstaltungen, die nicht als private Anlässe gelten.
Samuel Balsiger von der SVP begrüsste, dass der ESC in Basel stattfindet. «Die SRG hat sich die Kritik der SVP zu Herzen genommen», war sich Balsiger sicher.
Michael Schmid von der Alternativen Liste zweifelte diesen grossen Einfluss der SVP an. Schmid befürchtet, dass der öffentliche Raum verkommerzialisiert wird, sodass «ein kleines Bier acht Franken kosten wird.» Weiter warnte er vor dem Wegfall wichtiger Sicherheitsauflagen wie Brand- und Lärmschutz.
«Der ESC steht für Toleranz und Vielfalt. Das ist gerade in der aktuellen Weltlage wichtiger denn je.»
Nicolas Cavalli (GLP)
Nicolas Cavalli von der GLP betonte hingegen die Bedeutung des ESC für Toleranz und Vielfalt, die in der aktuellen Weltlage wichtiger denn je sei. Cavalli sah im Event ein Beispiel für «Soft Power» und unterstützte im Namen der GLP das Postulat, da lebendige Strassen und Bars die Stadt bereichern würden.
Mit 91 zu 25 Stimmen nahm der Gemeinderat das Anliegen an, gegen den Widerstand von AL und Grünen. Nun muss der Stadtrat Wege zur Vereinfachung des Bewilligungsprozesses prüfen, besonders für Gastronom:innen auf öffentlichem Grund.
Keine strengeren Kontrollen für Genossenschaften
Das Postulat von Tanja Maag und Andreas Kirstein, beide von der AL, fordert eine strengere Kontrolle von Mietzinserhöhungen bei Genossenschaften durch die Stadt Zürich. Ziel ist es, Kosteneffizienz zu fördern, statt pauschal die Betriebsquote zu erhöhen. Maag argumentierte, dass in vielen Fällen der maximal zulässige Mietzins nicht ausgeschöpft werden müsste und plädiert für eine genaue Überprüfung der tatsächlichen Kosten einzelner Siedlungen.
Auslöser für den Vorstoss war ein drastischer Anstieg der Mietzinsbeschwerden bei der Fachstelle «Gemeinnütziges Wohnen» von 4 auf etwa 700 Fälle zwischen 2023 und 2024. Genossenschaften dürften laut Maag höhere Betriebskosten verrechnen, basierend auf gestiegenen Liegenschaftswerten, obwohl die realen Kosten nicht im gleichen Masse zunahmen.
«Solange kein Problem besteht, gibt es auch keinen Handlungsbedarf.»
Matthias Probst (Grüne)
Maag schlug vor, dass die Fachstelle gemeinsam mit den Wohnbauträger:innen individuelle Lösungen erarbeiten solle. Während sie darin eine Prozessvereinfachung sah, befürchtete Hans Dellenbach (FDP) eine Verkomplizierung.
Mitte und Grüne lehnten das Postulat ab. Matthias Probst von den Grünen verteidigte die Genossenschaften und fügte an: «Solange kein Problem besteht, gibt es auch keinen Handlungsbedarf.»
SVP, GLP und SP einigten sich trotz anfänglicher Ablehnung auf einen Kompromiss: Ein Textänderungsantrag, der eine kritische Prüfung fordert, ohne speziell die Erhöhung der Betriebsquoten zu fokussieren. Dennoch wurde am Ende das geänderte Postulat mit 51 Ja- zu 54 Nein-Stimmen knapp abgelehnt.
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!
Natürlich jederzeit kündbar.
Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in Politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.